Ich frage mich immer, ob ich mit der musikalischen Entwicklung meiner Lieblingsband mithalten kann? Werde ich den Anschluss verlieren, wenn drei Menschen im Proberaum beständig Musik atmen, essen und spielen, wunderbare Klangwelten erschaffen die mitreissen, oder bricht das Gefühl ab, weil ein krasser Spurwechsel stattfindet? Hungrige Musiker, die nach dem dem nächsten Klanghorizont Ausschau halten, weil der vorherige Sound zu oft schon gekaut wurde.
DAILY THOMSON sind von Beginn an am Soundtüfteln, erst zaghafte Hüpfer und immer öfter mal auch ein „Cannonball“ - wie man beim Skaten sagt. So vielfältig die Skateboard-Tricks sind, so vielfältig die Songs der drei Dortmunder.
Seit dem letzten Album „Thirsty“ ist die Band ganz schön rumgekommen, hat überall für glänzende Augen gesorgt und neue Freundschaften geschmiedet. Selbst wenn es DAILY THOMPSON mal übel hingelegt hat, sind sie alsbald wird zurück aufs Brett geklettert und haben es weiter rollen lassen. Als Botschafter des Fuzz-getränkten Sounds sind sie nun mit dem aktuellen Album „Oumuamua“ am Start.
Was ist denn das für ein Titel, dache ich erst? Klingt das so, wenn einem die Tante eklige Küsse zuschmatzt und man anschließend ein Eis bekommt?
Nein, so wurde der steinerne, zigarrenförmige Weltraum-Reisende getauft, der von dem Weltraumteleskop auf Hawaii entdeckt wurde und beinahe schon wieder ausser Sichtweite war. „Oumuamua“- Botschafter! Soll nochmal einer behaupten Musiker trinken nur Bier. Stimmt ja auch, aber dabei entdecken sie äußerst faszinierendes um uns herum und verwursten es kreativ - ganz ohne Fabrik.
Um beim „Rollen“ zu bleiben, startet „Oumuamua“ gemächlich und sphärisch in „She’s So Cold“ und Bassistin Mephi flüstert den Gesang intensiv in mein Ohr, sodass es vom Kopf bis in den Fuß kribbelt - ASMR nennt man das, glaub ich. Der gut elf Minuten lange Song steigert sich jedoch im Verlauf zu einer prima Spacerock Nummer. Spannend, dass Mephi so früh im Album zu hören ist, da kommt sicher noch mehr. Kim Gordon von SONIC YOUTH winkt aus der Ferne.
Weiter gehts mit „Sad Frank“, einem kurzem aber knackigen Stück, welches mich ein wenig an QOTSA erinnert. Zu dem Song gibts ein unfassbar buntes und witziges Video, welches schon früh Appetit auf Album gemacht hat.
Darauf folgt „On My Mind“, „Slow Me Down“ und „Half Thompson“, mit hitverdächtigem Aufbau und Ohrwurmcharakter. Immer wieder mal wird Danny gesanglich auch von Mephi unterstützt, manchmal wie bei einem Dialog („On My Mind“)
Dann schwebt „Cosmic Cigar“ majestätisch ins Bild. Das lange Stück mit eher gesprochenem Text, dauert gefühlt in etwa so lange, wie der zigarrenförmige Felsbrocken gebraucht hat, um die Erde in 24 Million Kilometern Entfernung zu passieren. Vermutlich wurde einem derartigen interstellaren Botschafter noch kein musikalisches Denkmal gesetzt. Der Song gleitet unter den Weltraum-Funksprüchen in die Akustiknummer „River Of A Ghost“ hinüber, welcher den Abschluss von „Oumuamua“bildet.
Also von mir aus können sich DAILY THOMPSON in diesen konzertarmen Zeiten weiter im Proberaum ihrem Soundabenteuer widmen, solange dabei solche Meisterwerke rauskommen. Das Album klingt trotz der unterschiedlichen Songideen wie aus einem Guss und livehaftig. Da merkt man die jahrelange Erfahrung als Liveband in jedem Moment. Der Sound ist erdig und tendiert niemals dazu das Gehör überzustrapazieren. Nicht zu vergessen, dass DAILY THOMPSON, nachdem Stefan aus der Band ausgeschieden ist, mit Matze einen neuen Drummer gefunden haben, der sich nahtlos in die Band eingefügt hat. Zudem haben die drei mit dem Label Noisolution einen perfekten Partner für ihren Sound gefunden. Hoffentlich gibt es bald brauchbare Konzepte für Liveshows, sodass DAILY THOMPSON ihre stadiontauglichen Songs, die ständig zum mitsingen und mitmachen animieren, auch vor großem Publikum entsprechend feiern lassen können. Bis dahin mache ich das eben zuhause im Wohnzimmer. (Andreas)
Bewertung:
9,5 / 10
Anzahl der Songs: 7
Spielzeit: 50:25 min
Label: Noisolution
Veröffentlichungstermin: 21.08.2020
