Interview mit Heri Joensen (Týr)

interview týr 01Wie meine Redaktionskollegin Sarah-Jane in ihrem Artikel bereits angekündigt hat, haben wir vom Neckbreaker Magazin in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Interviews geführt mit Vertretern der nationalen und internationalen Kulturszene - genauer gesagt mit vielen verschiedenen Veranstaltern, Bands, Künstlern und Promotern.
Wir möchten damit den Menschen, die für uns Musikliebhaber mit ihrer Kreativität und ihrem Engagement so besonders wichtig sind, eine Plattform bieten, euch und uns mitzuteilen, wie sie mit den Einschränkungen durch die "Corona-Maßnahmen" leben und umgehen.

TÝR stammen zwar von den Färöern, ihre Mitglieder wohnen jedoch zum größten Teil in Festlandeuropa, weshalb die Band auch von den Reisebeschränkungen betroffen ist. Eigentlich hatte unsere Redakteurin Anne gerade im Februar erst ein Interview mit Sänger und Gitarrist Heri Joensen geführt. Doch damals war Corona in Europa bzw. den europäischen Köpfen noch nicht so wirklich angekommen. Es gab zwar erste Fälle in Italien, aber man hatte noch immer das Gefühl, dass es einen persönlich nicht betrifft. Und dass es zu Veranstaltungs- und Kontaktverboten kommen könnte, war da noch nicht abzusehen. Doch innerhalb eines Monats sah die Welt dann doch ganz anders aus. Wir danken daher Heri Joensen, dass er sich noch einmal die Zeit für ein Gespräch genommen hat. Das Interview wurde Ende April von unserer Redakteurin Anne aufgezeichnet.

Neckbreaker Magazin: Wie beeinflusst das Veranstaltungsverbot Eure tägliche Arbeit? Welche Auswirkungen hat das ganz konkret auf Euch?

Heri: Nun, ganz offensichtlich beinhaltet unsere tägliche Arbeit das Spielen von Konzerten. Das ist im Moment nicht möglich, von daher ist ein großer Teil unserer Arbeit verschwunden. Aber wir haben andere Sachen zu tun, wie Musik schreiben und aufnehmen. Also wir haben immer noch etwas zu tun.

Neckbreaker Magazin: Wie beeinflusst das Kontaktverbot Eure tägliche Arbeit? Welche Auswirkungen hat das ganz konkret auf Euch? Wie probt Ihr zum Beispiel aktuell?

Heri: Wir können nicht proben, da wir zu weit auseinander wohnen. Ein professioneller Musiker zu sein ist ein Synonym dafür, so viele Leute wie möglich in einem kleinstmöglichen Raum zu versammeln, daher wird diese neue Situation unsere Art zu leben wohl mehr beeinflussen als jeden anderen Berufszweig, abgesehen vielleicht von den medizinischen Berufen.

Neckbreaker Magazin: Haltet Ihr persönlich das Veranstaltungsverbot/Kontaktverbot für eher angemessen oder eher übertrieben?

Heri: Ich denke, so lange die Ausbreitung des Virus nicht unter Kontrolle ist, ist das Verbot angemessen. Sobald man alle Infektionsketten verfolgen kann und es keine unerklärbaren Fälle und genug Tests gibt können wir langsam wieder größere Versammlungen erlauben.

Neckbreaker Magazin: Wärt Ihr als Band gegebenenfalls bereit Veranstaltern und Clubs zu helfen, beispielsweise durch Verzicht auf Gage?

Heri: Ich kann nur für mich selbst sprechen. Vielleicht nicht umsonst, denn das würde die Band mit den Ausgaben belasten. Aber wenn wir von einem Festival kontaktiert würden, das kurzfristigen Ersatz braucht, würde ich nicht auf der üblichen Gage bestehen. Wir haben eine komplett neue Situation und das rechtfertigt auch auf der finanziellen Seite neue Wege des Denkens. Ich bin geneigt, der Szene zu helfen, wo ich kann, auch wenn es bedeutet, dass es unser Einkommen empfindlich reduziert.

Neckbreaker Magazin: Welche Maßnahmen, gegebenenfalls auch freiwillige, werdet Ihr ergreifen, damit Besucher zukünftig sicher Eure Konzerte besuchen können? Rechnet Ihr in Zukunft mit konkreten Auflagen des Gesetzgebers bei der Durchführung von Events? Wann glaubt Ihr, geht es endlich mit Konzerten und Festivals wieder weiter?

Heri: Ich würde alle Konzerte streamen und den Leuten, die sich nicht wohl damit fühlen, das Risiko auf sich zu nehmen, anbieten, die Show von zu Hause aus anzusehen, oder vielleicht mit einer kleinen Anzahl von Freunden zusammenzukommen und die Show so zu sehen. Davon abgesehen: Handdesinfektionsmittel am Eingang, vielleicht Schutzmasken, wenn die Wissenschaft zeigen kann, dass sie auf jeden Fall was bringen. Alle Maßnahmen, die nachweislich das Risiko der Verbreitung des Virus einschränken würde ich annehmen und umsetzen.

Neckbreaker Magazin: Wie steht ihr zu dem Thema Livestreaming von Konzerten?

Heri: Ich finde, das ist wirklich eine gute Idee. Es ist nicht wie Fernsehen, weil es in Echtzeit passiert und es gibt Möglichkeiten für eine gewisse Interaktion. Es ist also ein distanziertes, physikalisches Ding, aber mit emotionalem Kontakt und das könnte auf lange Sicht wichtiger für die Leute sein.

Neckbreaker Magazin: Habt Ihr bereits eine staatliche Unterstützung erhalten oder habt Ihr Hoffnung darauf, dass der Staat Euch unterstützt?

Heri: Gunnar [Thomsen, Bassist, Anm. d. Red.] und ich haben eine zeitlich begrenzte coronabezogene Arbeitslosenhilfe von der färöischen Regierung genehmigt bekommen. Wir werden also nicht sofort verhungern. Aber es ist zeitlich begrenzt und wir sind sehr bestrebt unsere musikalische Arbeit so bald wie möglich fortzuführen.

Neckbreaker Magazin: Was hättet Ihr als Teil der Kulturszene anders gemacht, wenn Ihr auf Entscheidungen hättet Einfluss nehmen können?

Heri: Ich glaube nicht, dass man wirklich viel tun kann. Das einzige, was die meisten Länder hätten besser machen können, wäre besser vorbereitet gewesen zu sein. DIe Kapazitäten für mehr Tests zu haben als es im Moment gibt und direkte und belastbare Meldungen. Das ist unmöglich in Diktaturen, von daher ist das im Moment eine unlösbare Aufgabe.

Neckbreaker Magazin: Wie können Fans und Interessierte Euch ganz konkret unterstützen? Plant Ihr oder habt Ihr schon ein Crowdfunding?

Heri: Wir haben unseren eigenen Webshop eröffnet. 100% des Reingewinns gehen an die Band. Wir hoffen, dass sich das zu einem weiteren finanziellen Standbein entwickelt. Falls Leute uns wirklich Geld geben wollen, werden wir es nicht ablehnen. Es gibt einen Direktspendenlink auf der Mobilversion unseres Spotifyprofils. Das ist ein Service, der von spotify speziell als coronabezogene Unterstützung bereitgestellt wird. Aber wir empfehlen, dass die Leute ihr Geld behalten, falls ihre finanzielle Zukunft unsicher ist.

Neckbreaker Magazin: Vor was habt Ihr momentan am meisten Angst?

Heri: Dass die Weltwirtschaft komplett zusammenbricht.

Neckbreaker Magazin: Könnt Ihr der Situation eigentlich auch etwas Positives abgewinnen?

Heri: Ja, natürlich. Ich habe mehr Zeit, um Musik zu schreiben. Mein tägliches Leben läuft viel geordneter ab und es bietet Möglichkeiten für Fortschritte, die ununterbrochene Konzentration erfordern wie Fitness, Duolingo, Komponieren, usw.. Ich kann aus erster Hand erleben, was für ein unbezahlbares Glück es ist, in einer funktionierenden Gesellschaft zu leben, die auf dem Vertrauen zwischen Bürgern und Regierung basiert.

interview týr 02

 

Bildquelle: Týr

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden