Gott sei Dank halten die DOOBIE BROTHERS nach über fünfzig Jahren Bandgeschichte wieder an dem Motto fest: "Rockin`Down The Highway". So tourt die Band momentan als sei die Zeit immer auf ihrer Seite durch 49 Städte in Nordamerika.
Dabei stehen seit fast 25 Jahren die Gründungs- bzw. langjährigen Mitglieder Tom Johnston (Gitarre, Gesang), Pat Simmons (Gitarre, Gesang), John McFee (Gesang, Gitarre) sowie der lange Band-abstinente Sänger und Keyboarder Michael McDonald nach seiner Solokarriere und Engagement bei STEELY DAN wieder gemeinsam auf der Bühne und wollen es definitiv noch einmal wissen.

Die vierfachen Grammy-Gewinner und Mitglieder der Rock & Roll Hall Of Fame, die im Lauf ihrer Karriere fast fünfzig Millionen Tonträger absetzen konnten und zuletzt 2014 das fantastische Album "Southbound", eine Neueinspielung ihrer größten Hits mit allen Stars der Country- und Country-Rock-Szene veröffentlichten, legen mit „Liberte´“ am 01. Oktober das langersehnte brandneue Studioalbum vor.

In Nordamerika seit den frühen Siebzigern Superstars, konnte das deutsche Publikum wenig mit dem vielseitigen Musikkonzept und der eigentlich traditionell amerikanischen Band anfangen. Interessanterweise avancierte einer der bekanntesten Songs der Band, „Long Train Running“, gerade in Deutschland zum Disco-Hit und lief rauf und runter in den späten Siebzigern. Gut, ähnlich erging es den ROLLING STONES mit „Miss You“.

Durch die Vielseitigkeit und differenzierten Charaktere der höchst talentierten Bandmitglieder, ließen sich die DOOBIE BROTHERS auch nicht eindeutig auf einen „Schubladen-Stil“ festlegen. Anfangs waren die Jungs definitiv eine Rockband, die sowohl Westcoast-Sound spielten aber sich auch starke Südstaaten-Anleihen mit dominierenden Attributen wie Slide- und Steelguitar, Harp und auch Banjo-Einsätzen zu Eigen machten.

Bestimmend waren zudem ein glasklarer Sound der einzelnen starken Shouter und sehr gut abgestimmte chorale Mehrfachgesänge, die oftmals an CROSBY, STILLS, NASH AND YOUNG erinnerten („Jesus Is Just Allright“), dann wieder an den Rockstil der ALLMAN BROTHERS („Rockin`Down The Highway“).
Michael McDonald wiederum war maßgeblich für steigende Keyboard-Dominanz und der stärkeren Adaption von Jazz- und Funkelementen verantwortlich, was dennoch bei den Fans gut ankam und zum erfolgreichsten Album „Minute By Minute“ im Jahr 1978 führte, welches die Nr. 1 der US Album-Charts erreichte und die erfolgreichste Single-Auskoppelung „What A Fool Believes“ enthielt, die mit drei Grammys ausgezeichnet wurde. Trotz des übermäßigen Erfolges stieg zuvor Tom Johnston aus, da ihm die rockigen Elemente zu sehr vernachlässigt wurden.

Aber alles Schnee von gestern. „Liberte´“ also Freiheit, drückt im Titel schon die Haltung der Band aus. Gleich vorweg gesagt: Das Album überzeugt mich auf ganzer Ebene. „Liberte`“ ist kein sprödes Alterswerk sondern ein grandioses Rockalbum, welches zurück zu den Wurzeln geht aber dennoch jedem Bandmitglied genügend Freiraum lässt, seinen Beitrag zu leisten.
Zum größten Teil findet sich hier fantastischer relaxter Gitarrenrock, der wie im Opener „Oh Mexico“ gleich die Vorstellung einer Harley-Fahrt auf einem menschenleeren Highway vermittelt und eben diese „Liberte`-Gefühle“ weckt. Das Stück wird begleitet mit melancholischer Slide-Guitar; ein Song zum Abheben wie „Take It Easy“ von den EAGLES: “With The Sun And The Moon And The Stars Above, Tells Me Life’s All Right.“ Gute, positive Botschaften in schlechten Zeiten und der Welt der Hassmeldungen.
In die gleiche Richtung geht „Better Days“, eine schöne autobiografische Nummer über vergangene Zeiten und die Erkenntnis, dass es retrospektiv betrachtet, auch trotz Verlust der Jugend, das Leben mit den jeweiligen Erfahrungen heute viel entspannter ist.

„Don`t Ya Mess with Me“ kommt als harter Country-Rock mit klasse Gitarrensolo. So klingen heute BLACKBERRY SMOKE in ihren Songs. Überhaupt drehen sich alle Songs auf „Liberte`“ um Freiheit, die Fehler der Vergangenheit und den amerikanischen Traum, den die DOOBIE BROTHERS immer noch zelebrieren. Die sehr gelungene Midtempo-Ballade „Cannonball“ ist eine Hommage an ein Leben, welches nach wie vor wie eine Kanonenkugel daherkommt, weil das Feuer noch lange nicht erloschen ist.

„Wherever We Go“ folgt mit treibendem Schlagzeugsolo und harten Riffs. Der Song „The American Dream“ ist Programm und wenn man den Worten der DOOBIE BROTHERS Glauben schenkt, unabdingbar mit Freiheit und den einfachen Dingen des Lebens verknüpft: “With The Top Down And The Radio On We Were Dancin’ In The Streets. Simple Times And Crossin’ Lines, We Were Wild And We Were Free.“ Das genügt oftmals für ein positives Feeling; ganz einfach.

„Shine Your Light“ ist eine schöne, hoffnungsvolle Ballade und vermittelt dringend benötigte gute Botschaften. „We Are More Than Love“ kommt dann erstmals mit Soul- und Funkelementen als Ballade daher. Damit kann auch Michael McDonald seine musikalischen Vorlieben zum Ausdruck bringen. Funk und Soul dominieren dann auch in „Just Can`t Do This“ und erinnert stark an „Listen To The Music“. Völlig anders zeigt sich „Good Thang“; eine rockende Nummer mit Banjo-Begleitung und hartem Gitarrensolo.
Die im Country-Stil gehaltene melancholische Ballade „Amen Old Friend“ setzt den Schlusspunkt eines hervorragenden Albums einer Band, die sich überwiegend auf ihre Rock- und Countrywurzeln besinnt, ihre sehr erfolgreichen Souleinflüsse jedoch nicht völlig außen vorlässt.

Für das Album kann man nur eine klare Kaufempfehlung geben. Es versprüht den positiven Geschmack der Freiheit und ist äußerst abwechslungsreich. Die DOOBIE BROTHERS zeigen angesichts ihres Alters keinerlei Verschleißerscheinung. Die Gesangsleistungen sind hervorragend, die Scheibe kommt frisch, modern und sehr amerikanisch rüber. Das 15. Studioalbum ist ein weiterer Meilenstein in ihrer langen Historie. (Ebi)


Bewertung:

 9 / 10

Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 40:45 min
Label: Island/Universal Music
Veröffentlichungstermin: 01.10.2021