Týr + Føroyar Symfoniorkestur (08.02.2020, Tórshavn (FO))

live 20200208 0001 tyrfsoDass ich ja auch schon mal etwas weiter fahre, wenn ein besonderes Konzert oder Festival ansteht, dürfte ja mittlerweile bekannt sein. Daher war es im Grunde gar keine Frage des ob, sondern eher des wie, als bekannt wurde, dass meine ehemalige Lieblingsband TÝR auf den Färöern gemeinsam mit dem färöischen Symphonieorchester zwei Konzerte geben würde. Und die Frage des „wie“ stellte sich schon gleich zu Beginn. Heri Joensen gab uns bekannt, wann der Vorverkauf der Tickets beginnen würde und ich scherzte noch „Ich muss mir ja erst mal Urlaub genehmigen lassen und den Urlaub buchen, bevor ich mir ein Ticket holen kann. Wird ja nicht innerhalb einer Woche ausverkauft sein“. Und Heri meinte noch so schön „Und selbst wenn, dann setze ich dich halt auf die Gästeliste.“ Doch schon wenige Stunden später bekam ich eine Nachricht von Heri: „Ich habe erfahren, dass es keine Gästeliste geben wird und der Samstag ist bereits ausverkauft. Hol dir dein Ticket für Freitag!“

Die beiden Konzerte waren die bisher am schnellsten ausverkauften Konzerte im Norðurlandahúsið, dem Nordlandhaus, überhaupt. Aufgrund der großen Nachfrage wurde noch ein drittes Konzert für den Samstagnachmittag angesetzt, das innerhalb von 15 Minuten ausverkauft war. Hier dachte ich ganz zufällig daran und habe es geschafft, auch genau innerhalb dieser 15 Minuten ein Ticket zu ergattern. Manchmal muss man auch Glück haben im Leben. Schön ist auch, dass ich dann doch nicht die einzige Bekloppte bin. Mit zwei weiteren deutschen Freundinnen sowie einer französischen Bekannten bin ich bereits auf den Inseln verabredet. Auf dem ersten Konzert freitagabends treffen wir dann noch eine alte Bekannte aus den Niederlanden sowie einen jungen Mann aus den USA und einen weiteren Fan aus Russland. Und auch zwei Tschechen sehe ich im Publikum. Die meisten von uns besuchen alle drei Konzerte und am Ende heißt es sowohl an der Rezeption des Nordlandhauses als auch beim Einlass einfach nur noch lachend „Welcome back!“, wenn wir bekloppten Ausländer wieder anrücken. Was aber auch nur wieder zeigt, wie herzlich die Färinger sind. Z.B. habe ich Orchesterchef Poul Jákup Thomsen mittwochs zum ersten Mal überhaupt getroffen, jetzt werde ich jedes Mal wie eine alte Bekannte begrüßt.

Das Konzert ist etwas ganz besonders und fühlt sich fast wie ein Konzert zu Hause an, da ich nicht nur jedes Bandmitglied kenne, sondern auch mehrere Mitglieder des Symphonieorchesters sowie des Chores. Und auch im Publikum trifft man bei allen Konzerten immer wieder bekannte Gesichter. Darunter auch gleich mindestens drei ehemalige Bandmitglieder. Die Idee für dieses Konzert gor schon lange vor sich hin; ursprünglich war das Ganze auch mal zum 20jährigen Bandjubiläum angedacht, aber aus diversen Gründen wurden dann doch nichts daraus. Nun, etwas mehr als ein Jahr später ist es endlich so weit. TÝR werden gemeinsam mit dem färöischen Symphonieorchester sowie dem Tórshavner Chor drei Konzerte geben. Wir waren mittwochs, vor den ersten gemeinsamen Proben für einige Interviews vor Ort und da war alles noch relativ chaotisch. Man wusste noch nicht so recht, wen man wo hinsetzen sollte, schon gar nicht wo um alles in der Welt man die Harfe unterbringen sollte und wie man 40 Mikrofone anschließen sollte. Auch Bassist Gunnar, mit dem wir uns dienstags trafen, hatte noch so leichte Zweifel, ob das alles gut geht. Meine Freundin meinte: „Das wird eine Katastrophe!“. Ich sah das etwas lockerer. Immerhin sind wir auf den Färöern. Da ist am Anfang immer alles völlig chaotisch und am Ende funktioniert es doch irgendwie und meist ganz wunderbar. Und so wird es auch dieses Mal sein.

Noch dazu gab es jedoch ein weiteres Problem: Gitarrist Attila Vörös hatte seinen Dienst bei TÝR erst vor kurzem quittiert, so dass die Band nun erst einmal nur zu dritt da stand. Manch einer sah gar das Konzert gefährdet. Ich wusste jedoch, dass Attilas Vorgänger Terji Skibenæs ohnehin für einige Songs vorgesehen war. Was lag also näher, als ihn einfach das komplette Konzert spielen zu lassen? Und genau so sollte es wieder kommen. Týr quasi wieder vereint.

Wir haben uns ja freitags schon das erste Konzert angesehen, und wie vorhergesagt war es definitiv keine Katastrophe. Natürlich gab es noch ein paar kleine Schönheitsfehler, die den Genuss aber nur wenig trübten. So war z.B. die Band im Vergleich zum Orchester zu laut und der Chor war nur schlecht zu hören. Was auch der Hauptkritikpunkt der allermeisten Besucher war, so dass gute Hoffnung bestand, dass das bei den folgenden Konzerten besser sein würde. Beim Samstagnachmittagskonzert war es dann auch wirklich besser, nur an der Stimmung im Publikum haperte es etwas. Aber gut, es war halt Samstagnachmittag. Dafür waren die Kinder von Terji und Heri anwesend und konnten mal ihre Papas in Action erleben.

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Und hier soll es ja nun um das Konzert am Samstagabend gehen. Alleine die Akkreditierung zu bekommen war sowohl im Vorfeld auch als vor Ort ein typisch färöisch-chaotischer Marathon, dessen Beschreibung alleine eine ganze Seite füllen würde. Belassen wir es einfach bei der Aussage, dass wie immer am Ende alles gepasst hat. Die Orchestrierung der Songs wurde durch den Isländer Haraldur Vignir Sveinbjörnsson vorgenommen, der auch schon mit den Isländern SKÁLMÖLD zusammengearbeitet hat, als diese 2013 und 2018 zusammen mit dem isländischen Symphonieorchester auftraten. Und ein Intro hat er auch gleich noch geschrieben. „Hel’s Prelude“ leitet den Konzertabend orchestral ein und die Band kann die Zeit nutzen, um die Bühne zu betreten und sich auf „Gates Of Hel“ vorzubereiten. Was jetzt einer der Songs in der Setlist ist, die ich nicht unbedingt gebraucht hätte. Aber mit Orchester klingt halt alles gut. Der zweite Song, „Grindavísan“, kommt besonders gut an. Zum einen ist jetzt schon klar, dass die radikalen Walfanggegner sich da wieder draufstürzen werden (was auch tatsächlich passiert ist) und man kommt nicht umhin, sich grinsend die Fäuste zu reiben; zum anderen ist es ein traditionelles Stück, das ursprünglich aus dem 19. Jahrhundert stammt und das wohl jeder der hier Anwesenden kennt, völlig egal, ob er oder sie nun wegen der Band oder dem Orchester vor Ort ist. Wobei das Orchester hier insbesondere die ruhigen Parts des Songs perfekt unterstreicht und es noch epischer wirken lässt.

Mit „Sunset Shore“ und „Ragnars Kvæði“ gibt es gleich noch zwei weitere Songs vom aktuellen Album „Hel“, und obwohl es mir persönlich mit den neuen Songs jetzt so langsam reicht muss man schon anerkennen, dass die Stücke durch Orchester und Chor unheimlich dazu gewinnen. Während mir „Sunset Shore“ im Original doch einen Ticken zu kitschig ist, kommt der Song mit der bombastischen Begleitung richtig gut rüber. Und „Ragnars Kvæði“ hat halt einfach den Bonus, dass es sich um eine traditionelle färöische Ballade handelt. Mit einem kurzen Bach-Intermezzo schließen Band und Orchester diesen Teil des Konzertes ab und es geht weiter zu den etwas älteren Songs.
Wobei man im ersten Moment ja nicht denkt, dass „Blood Of Heroes“ schon ganze sieben Jahre auf dem Buckel hat. In meiner Welt ist das ja immer noch ein neuer Song. Eines meiner persönlichen Highlights folgt dann auf dem Fuß: „Ramund Hin Unge“ war schon immer einer meiner Lieblingssongs der Band und ich hoffe inständig, dass er endlich dauerhaft den Weg zurück in die Livesetlist schafft. Und die Orchestrierung unterstreicht die Wirkung dieses Songs ganz wunderbar. Zudem ist auch dieser Song auf den Inseln sehr bekannt, so dass hier so richtig Stimmung aufkommt. Und das nicht nur vor der Bühne. Auch auf der Bühne kann man den Musikern den Spaß ansehen. Insbesondere Gunnar und Terji scheinen es ausgiebig zu genießen, dass sie wieder gemeinsam auf der Bühne stehen können. Immer wieder tauschen die beiden ihre Positionen, werfen sich dabei ein paar Worte zu oder posen gemeinsam wie in alten Zeiten. Und natürlich ist Gunnar wie immer der Stimmungsmacher, der das Publikum anheizt und dem man den Spaß so richtig anmerkt.

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Nach „Hold The Heathen Hammer High“, meinem persönlichen Antilieblingssong geht es erst einmal in eine zwanzigminütige Pause, in der sich die Musiker etwas erholen und das Publikum etwas – nämlich Bier – holen kann. Bei einer Gesamtspielzeit von gut zwei Stunden hätte man das jetzt zwar nicht unbedingt gebraucht, aber es schadet auch nicht.

Wie wir, die wir das Konzert schon zweimal gesehen haben, wissen, folgt anschließend der bessere Teil. Mit „The Lay Of Thrym“ steigt man wieder ein, und bei „Tróndur Í Gøtu“ kommt wieder richtig Stimmung auf. „Mare Of My Night“ ist zwar nicht jedermanns Sache, aber ich finde den Song eigentlich ganz witzig und auch musikalisch nicht schlecht, da gibt es andere Songs in der Setlist, die ich eher weggelassen hätte. Nicht jedoch „Turið Torkilsdóttir“, einer der besten Songs der Band überhaupt. Und bei ruhigen Songs wie diesem, unterstreicht das Orchester die Wirkung ganz besonders und verwandelt das Stück von einem guten in ein wunderschönes. Wobei hier die Grundmelodie schon einfach so wahnsinnig schön ist, dass man das kaum toppen kann. Das geht dann wirklich nur noch mit Orchester. In Momenten wie diesen hofft man, dass das Konzert wirklich noch auf DVD oder als Album veröffentlicht wird. Mitgefilmt wurden ja alle drei Shows, es soll auch irgendwann im färöischen Fernsehen gesendet werden oder zumindest auf der Internetseite des färöischen Fernsehens zu sehen sein, aber ob auch eine DVD daraus wird, das steht noch nicht fest. Ich bin ja eigentlich kein großer Fan von DVDs, aber in diesem Fall wäre ich dann doch sehr interessiert.

Nach „Fire And Flame“, ebenfalls vom aktuellen Album „Hel“ gibt es für die meisten Anwesenden (für uns ja nicht mehr so) noch eine Überraschung: Ganz allein, auch ohne Gitarre, performt Heri Joensen den bisher unveröffentlichten kurzen Song „Torkils Døtur“, zu dem Egil Barclay Høgenni Hansen hinter den Reglern ein zauberhaftes Lichtspiel bietet. Und dieses Stück könnte wirklich perfekt sein, wenn Heri einfach mal mit seiner normalen Singstimme singen und den künstlich rauen Gesang sein lassen würde. Aber so oder so hoffe ich, dass dieses Stück auf dem nächsten Album zu finden sein wird.

Ein weiterer, wenn nicht sogar der Höhepunkt des Abends folgt auf dem Fuß. „Ormurin Langi“ war damals der Song, der für den Durchbruch der Band in ihrer Heimat und in Island sorgte und kann auf den Färöern immer noch als ihr größter Hit betrachtet werden. Da es sich auch bei diesem Stück um eine traditionelle Ballade handelt, kann den Text wohl jeder im Raum mitsingen. Und das passiert auch lauthals. Damals, als dieser Song vor vielen Jahren erschien, hatten Týr noch einen anderen Sänger. Und der tritt auf den Färöern, wo „Ormurin Langi“ einfach in die Setlist gehört, auch immer wieder gemeinsam mit der Band auf. So auch an diesem Abend. Als Pól Arni Holm die Bühne betritt, wird er so frenetisch begrüßt, dass man als Heri Joensen schon eifersüchtig werden könnte. Wobei der Jubel eben wohl nur teilweise dem sympathischen Pól Arni, sondern zu einem großen Teil eben auch dem Song selbst gebührt. Freitags wurde hierzu noch von einigen angetrunkenen Menschen ein wenig der färöische Kettentanz getanzt, heute erleben wir das nicht (wobei ich natürlich nicht weiß, was die Menschen weiter hinten im Saal so treiben). Pól Arni hat eine völlig andere Bühnenpräsenz als Heri (allerdings muss er nicht auch noch Gitarre spielen) und alleine dadurch wirkt „Ormurin Langi“ anders als die anderen Songs.

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„By The Sword In My Hand“ beschließt dann den Auftritt. Auch so ein Song, den ich nicht unbedingt gebraucht hätte, aber trotzdem ist es sehr schade, dass der Auftritt damit schon zu Ende ist. Heri ruft alle für das Projekt wichtigen Leute zu sich, um auch diese dem Publikum vorzustellen: Dirigent Bernharður Wilkinson, Chorleiterin Tóra Vestergaard und Komponist Haraldur V. Sveinbjörnson bekommen mindestens ebenso viel Applaus wie Band, Orchester und Chor. Und natürlich lässt man sie alle nicht einfach so ziehen. Die Band muss noch einmal für eine Zugabe raus. Hier zeigt sich dann – für die meisten Zuschauer unbemerkt – der Schalk und britische Humor, der in Dirigent und Halbengländer Bernharður Wilkinson steckt: Beim Nachmittagskonzert wollte er zur Zugabe elegant und jugendlich auf sein Dirigentenpodest springen, legte sich bei dieser Aktion jedoch auf die Nase. Zum Glück ist ihm dabei aber nichts passiert. Nun macht er extra große, betont vorsichtige Schritte dort hinauf.

Für die Zugabe hat man sich etwas Besonderes ausgedacht: „Álvur Kongur“ vom neuen Album wurde noch nie zuvor live gespielt (ok, gestern und heute Nachmittag) und gehört auch zu den Songs, die durch die Orchestrierung wahnsinnig an Tiefe gewinnen. Hier darf sich Bassist Gunnar in einem Fast-Bass-Solo-Intro gemeinsam mit der Dame an der Harfe austoben. Danach ist man dann richtig traurig, dass das Konzert nun wirklich zu Ende ist und es wirklich keine weitere Zugabe geben wird. Und auch kein weiteres Konzert. Man gewöhnt sich ja schon recht schnell daran, täglich mit diesem Genuss belohnt zu werden.

Und insgesamt muss ich sagen: Das war richtig gut. Ich mag ja schon lange sowohl Metal als auch klassische Musik und für eine Kombination aus beidem bin ich immer schnell zu begeistern. Auch das machte den Reiz dieser besonderen Konzerte aus. Von Freitag an haben sich alle Beteiligten kontinuierlich gesteigert und das Samstagabendkonzert war richtig, richtig gut. Wenn auch die Band immer noch ein kleines bisschen zu laut war, wenn man auch immer noch an diesem oder jenem Detail rummäkeln könnte und wenn auch die Setlist etwas zu viele neue Songs geboten hat. Wie gerne hätte ich auch noch „Regin Smiður“ gehört. Oder einen Song vom „Ragnarok“-Album. Aber man kann ja nicht alles haben im Leben und man muss genießen was man hat. Und genau das haben wir getan. TÝR und Orchester passen ganz wunderbar zusammen, sowohl bei Songs wie „Hold The Heathen Hammer High“, wo es schwer fällt, sich das vorzustellen, aber ganz besonders bei den ruhigeren Stücken wie „Turið Torkilsdottir“ oder auch „Grindavísan“. Ich muss sagen, dass ich heilfroh bin, dass ich diese Reise gemacht habe und diese tollen Konzerte live erleben durfte. Und so ein bisschen ist auch die alte Liebe zu TÝR wieder aufgeflammt. (Anne).


Setlist:
Hel’s Prelude
Gates Of Hel
Grindavísan
Sunset Shore
Ragnars Kvæði
Blood Of Heroes
Ramund Hin Unge
Hold The Heathen Hammer High

The Lay Of Thrym
Tróndur Í Gøtu
Mare Of My Night
Turið Torkilsdottir
Fire And Flame
Torkils Døtur
Ormurin Langi
By The Sword In My Hand
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Álvur Kongur

 

 

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