Interview mit Johannes Eckerström (Avatar)

Beitragsseiten

Press Photos 03Zuletzt veröffentlichten AVATAR 2018 ihr Konzeptalbum „Avatar Country“ mit dem sie um die ganze Welt getourt sind, um ihre Bürger und Untertanen zu begrüßen. Doch auch der König muss nach einer gewissen Zeit abdanken und so kommt es, dass nun ihr neues Album „Hunter Gatherer“ den neuen Platz einnimmt. Schon der Blick auf das Cover erweckt den Eindruck, dass es dieses Mal wieder ein düsteres Album ist. Wer „Colossus“ gehört hat, der weiß, dass es einer ihrer düstersten, aggressivsten und vor allem ehrlichsten Alben ist, denn die Anzahl der Metaphern nimmt immer mehr ab. Ich war bereits ab der ersten Sekunde von dem Album fasziniert, weshalb ich Johannes Eckerström über die Entstehung des Albums und die Prozesse interviewt habe. Wer also mehr über den Hintergrund erfahren möchte und auch die Sicht von Johannes kennenlernen möchte, den werden die folgenden Antworten interessieren.

Sarah-Jane: Wie kam es dazu, dass Hunter Gatherer ein so düsteres Album geworden ist und ihr wieder in diese aggressive Richtung gegangen seid?


Johannes Eckerström: Weil Avatar Country sowas besonderes, anderes war und eine Art Reinigung war, kam es daraus und darum wussten wir, auch als wir mit dem Album mit Avatar Country fertig waren, dass das nächste Album mit etwas Härterem, dunklerem, mehr aggressiveren weitergeht. Wir wollten mit etwas Dunklerem, aggressiven weiterlaufen. Aber was das meinte und worüber die Lieder gehen, das hat sich in den Prozessen langsam entwickelt. Es gab eine Vision für mich, es war etwas Besonderes, ich glaube es kommt daher, dass wir vorher zwei Konzeptalben nacheinander gemacht haben. Hunter Gatherer ist kein Konzeptalbum, aber wir waren jetzt besser das Gesamtbild während der Arbeit zu sehen. Ich habe ein Bild gesehen, aber der Fokus der Linse war nicht richtig, das war das Gefühl. Also wir wussten, dass wir wo unterwegs waren. Dieses Mal hatten wir größtes Vertrauen in die Prozesse und haben uns darin versichert, dass wir genug Zeit für jeden Schritt der Prozesse hatten. Das ist dieses Mal viel Zeit, ein Monat für Vollzeit Bandprobe, und vorher viel Zeit für uns selber, um zuhause für die Musik zu arbeiten, um dann in irgendeiner Art und Weise zusammenzukommen, in einem Haus oder Scheune zusammen zu wohnen, um mit den Liedern zu arbeiten. Dieses Mal gab es mehr Raum zum Atmen, deshalb kam es ganz organisch.

 


Sarah-Jane: Das heißt, ihr hattet auch mehr Zeit, um euch selbst zu überlegen, welche Themen ihr in euren Liedern ansprechen möchtet?


Johannes Eckerström: Es gab Zeit einfach herauszufinden, wie wir über welche verschiedenen Sachen fühlen. Es gibt schon eine Herausforderung beziehungsweise es gibt einen Unterschied aggressive Musik und wütende Musik zu machen, wenn du über 30 bist im Vergleich, wenn du 18 Jahre alt bist. Es kam in der Musik so zum Ausdruck. Wenn dieses Album ein Horror Film wäre, und ein älteres Album von uns zum Beispiel „Schlacht“, wenn das ein Horrorfilm wäre, würde der Mörder dein Gesicht mit einem Hammer kaputtschlagen. Das ist wenig Präzession, sehr unfokussiert, sehr hysterisch, aber auch ganz spektakulär. Jetzt in dieser Zeit, wenn man älter ist, dann ist der Mörder wie ein Hannibal Lecter Charakter. Es gibt mehr Wissen, man kennt sich besser aus mit dem Skalpell, um zu wissen, wo man schneidet, um mehr kaputt zu machen. Und es gibt ganz bestimmte Sachen, worüber wir wütend und traurig sind. Und da gab es eine Periode, in der ich sehr vorsichtig war, manche Sachen auszudrücken. Ich will nicht auf Menschen zeigen, weil es sehr gefährlich ist. Weil dann musst du dich fragen, wer du bist und was dein Teil hier ist. Und da mussten wir einen Weg finden, weil jedes Album mehr und mehr ehrlich werden sollte. Wir waren immer so ehrlich wie möglich, auf jedem Album, aber wie werden langsam älter und noch eine Lage soll mehr wegkommen, damit wir näher an die Wahrheit kommen. Eine Wahrheit, die wir nur erreichen, wenn wir 500 Jahre leben dürfen. Aber das ist ein Prozess, den man machen muss. Und bei dieser Ehrlichkeit die Wörter zu finden, wo ich endlich mehr offen bin, um ohne Metaphern zu sagen „Das ist scheiße. Was hier los ist, das ist scheiße“. Aber ich bin auch ein Teil des Problems, ich bin kein Prophet oder heiliger Mann. Zum Beispiel „When All But Force Has Failed“ – „Bird carcass with a belly full of plastic, one more year and I’ll be millionaire“ - dieser Typ von Lösungen, und ein Weg finden, um diese Gefühle und Emotionen zu zeigen, warum jetzt mehr aggressiver sein als vorher? Ja, weil wir jetzt einen neuen Ausdruck dafür gefunden haben. Diesen langen Gedanken gab es plötzlich und auch die Zeit dafür, um den zu entwickeln.

 


Sarah-Jane: Denkst du je älter ihr werdet, desto schwerer oder einfacher wird es für euch die Texte zu schreiben?


Johannes Eckerström: Ich denke in manchen Teilen ist es schwerer, weil wir nie ein Lied zwei Mal schreiben wollen auch nicht die Texte. Ich entdecke, dass manche Themen wiederkommen mit neuen Perspektiven, aber das ist wie im Theater oder wie in der Geschichte. Jetzt in dieser Periode haben wir das riesen Vertrauen in die Prozesse, das habe ich auch mit den Texten. Es ist okay, wenn ich am Anfang 50-70% von einer Idee mag, weil dann weiß ich, das ich hier weiterarbeiten muss, aber jetzt nicht, sondern weg damit und lass es in Ruhe sacken und fermentieren.

 


Sarah-Jane: War es für dich als Sänger eine Herausforderung diese Texte stimmlich rüberzubringen? Der Sound ist eine Schippe härter als die Alben zuvor.

 

Johannes Eckerström: Ich glaube manche Sachen waren schwerer. Aber ich suche immer neue Herausforderungen. Das ist für mich und uns sehr wichtig, weil wir wollen irgendwas finden, in dem wir Anfänger sind. Damit es für uns und dem Zuhörer auch interessant bleibt, dass wir jetzt unser achtes Album machen. Es gibt in der Musik so viel Sachen, die man tun kann, dass es immer etwas gibt, das schwierig bleibt. Und wenn man Metal macht, dann gibt es eine psychische Komponente. Der Körper muss da sein und schwitzen muss sein. Ich suche etwas Schwieriges, auch musikalisch. Das kann auch heißen, dass diese höheren Töne ein bisschen zu leicht waren, da muss ich noch ein bisschen höher werden. Das schwierigste Lied für mich, glaube ich, war „Gun“. Weil es so verwundbar ist. Es ist musikalische Präzession so schwach zu klingen, aber nicht schlecht. Ich habe mit schreien als Teenager angefangen und habe mit Avatar eine Reise gemacht. Es wurde immer dynamischer. Bis jetzt war „Gun“ die größte Herausforderung und ich bin sehr damit zufrieden.

 


Sarah-Jane: Wie kam es dazu, dass ihr euch entschieden habt diese Ballade mit auf das Album zu nehmen und es zu veröffentlichen?


Johannes Eckerström.: Es hat sieben Jahre gedauert. Die erste Idee, das Klavier und die „Give a boy a gun“ Strophen am Anfang, das gibt es seit sieben Jahren. Dann haben wir ab und zu versucht ein ganzes Lied zu machen und meistens kam dann in der Mitte des Liedes eine Gitarre und ein Schlagzeug und es hat nach eine Powerballade geklungen. Weg damit. Jetzt hat John gesagt: „Johannes, lass es sein wie es ist. Es gibt eine Seele darin. Es muss nur fertig werden“ und dadurch kam der Rest ganz einfach. Es kam alles sehr plötzlich zusammen. Sieben Jahre unmöglich und dann war es möglich.

 


Sarah-Jane: Manchmal benötigt es einfach seine Zeit und man muss selbst mit dem Song zufrieden sein.


Johannes Eckerström: Die Möglichkeiten sind unendlich und das ist ein Problem. Die meisten Lieder brauchen dynamische Änderungen, um Balance zu finden zum Beispiel „Wormhole“. Da brauchten wir den melodischen Kontrast. Meistens passt es uns am besten, wenn es eine Gemeinsamkeit in den Gefühlen gibt. Es kann schon härter und milder sein, es kann dynamisch sein. Zum Beispiel „A Secret Door“. Es passt musikalisch schon sehr. Es sind dieselben Akkorde im härteren Main Riff Teil, dann hat der Refrain dieselbe Melodie wie der Main Riff nur mit anderen Akkorden. So entsteht der Kreisverlauf, wo alle Teile zusammenpassen. Solche Ideen mag ich am meisten, wenn ich Musik schreibe.

 


Sarah-Jane: Wie lange habt ihr im Studio gebraucht, um das Album aufzunehmen?


Johannes Eckerström: In Los Angeles hat es drei Wochen gedauert. Jeder seine Lieder fertig schreiben und alle aufnehmen. Und dann 10 oder 11 Tage in Helsinki den Gesang aufgenommen. Es ist schwer das zu messen. Wir schreiben getrennt unsere Texte. Jeder schreibt irgendwann irgendwas. Es gibt immer diesen Tag, wo wir sagen, wir machen jetzt ein neues Album und dann sitzen wir zusammen und zeigen uns unsere Ideen. Ich glaube es hat Anfang 2019 angefangen. Es gab ein paar Sachen vorher, wo wir auch den Film gemacht haben, aber da gab es keine Zeit. Aber es ist in etwa ein Jahr. Da haben wir jetzt mehr und mehr gelernt, wie man Vollzeit Musik macht.

 


Sarah-Jane: Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit mit Corey Taylor und was hat dir am besten daran gefallen?


Johannes Eckerström: Zusammen zu arbeiten ist fast eine Übertreibung. Wir haben für Slipknot in Frankreich gespielt, wir haben einander getroffen. Er wollte vorbeikommen und meinte, wenn die Jungs etwas aufnehmen wollen, dann mache ich das. Aber wir haben keine Duette geschrieben. Wir haben durch die Texte geschaut, aber es gab keinen organischen Grund zusammen zu singen. Im Studio ging es nur darum spaß zu haben. Außer beim Pfeifen. Wir haben uns an frühere Folgen von South Park mit George Clooney erinnert. Da durfte er ein Hund sein. Und Corey ist eine Ikone für uns und dann durfte er für uns pfeifen. Er hat einen tollen Job gemacht. Er hat auch einen kleinen Beitrag im Schreiben bei „Wormhole“ gemacht. Das ist vielleicht mein Lieblingsteil, weil „Wormhole“ ist einer meiner 10 Lieblingslieder von diesem Album. Das war etwas Besonderes.

 


Sarah-Jane: Als letzte Frage: Hättest du Lust ein Feature mit anderen Sängern/innen zu machen?


Johannes Eckerström: Ja gern, aber es muss früh sein beziehungsweise ein Lied schreiben, wenn die Intention da ist. Aber nicht nur weil der bekannte Kerl reinkommt. Weil zum Beispiel mit Corey haben diese Backup Vocals was gebracht. Das war die Farbe in der Mischung auf dem Tablett. Aber eine tiefere Zusammenarbeit, da muss es wegen der Komposition von Anfang an eine Intension geben. Ja, warum nicht.

 

 

Sarah-Jane: Danke dir für das Interview und dass du dir die Zeit genommen hast. Hoffentlich kann man sich nächstes Jahr mal wieder live bei einem Konzert sehen.


Johannes Eckerström: Ja, hoffentlich kann man sich nächstes Jahr sehen. Daumen drücken! Danke dir.

 

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden