Ein wenig verspätet folgt nun auch die Besprechung zum neuen AVATAR Album „Hunter Gatherer“. Seit ihrem letzten Konzeptalbum „Avatar Country“ (2018) habe ich sie unzählige Male auf Konzerten und Festivals gesehen und auch ihren dazugehörigen Film gesehen. Ich war also auch regelrecht dem Königreich verfallen, aber nach einer gewissen Zeit reichte es mir auch mit ihrem Konzept. Daher war ich dankbar für die Verabschiedung des Königs und war schon ganz gespannt auf ihre neuen Ideen. Nun folgt ihr achtes Album, das wahrscheinlich auch ihr bislang härtestes und düsterstes Album ist. Dieses Mal ist es kein Konzeptalbum, sondern ein Album, auf dem sich die Gedanken und Emotionen der gesamten Mannschaft widerspiegeln. Daher auch die düstere Stimmung, die sich durch das gesamte Album zieht.
Bevor ich das Album erhielt, hatte ich keine ihrer Singles angehört, weil ich mich zu 100% überraschen lassen wollte. Bereits das Cover der neuen Platte überzeugte mich, denn es verschlang mich auf den ersten Blick und zog mich in düstere Gegenden. Als ich den ersten Song „Silence In The Age Of Apes“ anspielte, hörte ich bereits, dass Avatar Country nun vollends abgeschlossen war und es wieder in die Richtung geht. Nur dieses Mal eine Schippe härter. Ein guter Einstieg für das Album, um zu zeigen, dass Johannes noch mehr Power in der Stimme hat, als er jemals zuvor präsentierte. Auch der „Chor“, der in den Vordergrund gestellt wird, zieht viel Aufmerksamkeit auf sich. An sich ein Song, der zu ihnen passt und auch typisch ist.
„Colossus“ … bitte einmal im Sitz zurücklehnen und die Show genießen. Die Sirenen am Anfang sind absolut Gänsehaut erregend und so abnormal unheimlich. Bereits in den ersten Sekunden dachte ich mir, dass es ein Meisterwerk sein muss. Denn die Sirenen klingen im Zusammenspiel mit dem Schlagzeug und später mit den harten Riffs der Gitarre einfach gigantisch. Normalerweise bringt mich nichts so schnell aus der Fassung und macht mich gar sprachlos, aber dieses Stück hier… es hat es geschafft. AVATAR haben damit definitiv einen neuen Level erreicht. Sie konnten schon immer den Nerv der düsteren musikalischen Ebene treffen, hiermit haben sie ihn gefangen genommen. Live wird das sicherlich eine brillante Nummer, wenn die Sirenen aus den Lautsprechern ertönen und die Spannung in der Musik, wie auch im Publikum immer mehr steigt.
Nun hatte mich „Colossus“ schon vollständig überzeugt, aber mit „A Secret Door“ gaben sie mir die Bestätigung, dass sie eine neue musikalische Ebene erreicht haben. Das Pfeifen im Intro ist nichts neues, eher ein wiederkehrendes Stilmittel, jedoch wurde es dieses Mal Corey Taylor übernommen, der die Jungs im Studio von Los Angeles besuchte. Wer mehr darüber erfahren möchte, der kann sich gerne mal in das Interview mit Johannes Eckerström einlesen, dass ich mit ihm führen durfte. Jedenfalls folgt nach dem Intro des Pfeifens eine Dynamik, die von härteren zu milderen, melodischen Riffs wechselt. Und obwohl der Song eine Länge von sechs Minuten hat, fällt es gar nicht auf, da die Dynamik eine Abwechslung mit sich bringt, die sehr gut zusammenpasst. Zudem haben sie in den sechs Minuten sehr viele verschiedene musikalische Stilmittel eingebracht, die man mit einer gewissen Aufmerksamkeit verfolgen und genießen muss. Also auch der Song könnte live gut abgehen, wenn das Publikum mitpfeift und sich den Melodien hingibt.
„Child“ ist ein Song, der mich musikalisch wie auch gesanglich fängt und in seinen Bann zieht, denn in seiner Melodie hat er einen ähnlichen künstlichen Soundeffekt wie in „Colossus“. Ebenfalls erinnert er mich ein wenig an „Bloody Angel“, er regt zum Mitsingen an. Durch die abwechselnden Parts von Clean- und Screamgesang und den schweren Riffs, klebt der Song einfach an einem und lässt nicht los. Auch der unheimliche Cleangesang, der einen nur so in den Scream lockt, zieht einen in die Tiefen der Musik. Das abschließende Gitarrensolo rundet den nochmal mild ab, so als ob nie etwas gewesen wäre.
Nach vielen düsteren, metallischen Liedern folgt nun eine Überraschung: die Ballade „Gun“. Von AVATAR kennt man bereits einige Balladen, jedoch zieht das Album durch so viele härtere, aber auch etwas mildere, melodische Gefilde, dass ich ehrlich gesagt nicht mit solch einer Ballade gerechnet habe. Bereits das Intro des Pianos klingt wesentlich akustischer und neutraler als sonst. Und dann ertönt die Stimme von Johannes und der Hörer bemerkt sofort, dass er weitaus zerbrechlicher klingt, als jemals zuvor. Daumen hoch für diese Leistung. Sieben Jahre hat es gedauert, bis Johannes mit dem Lied zufrieden war und sie haben es für dieses Album so natürlich wie es ging produziert und umgesetzt. Wer zu dieser Entstehung mehr erfahren möchte, der kann dies in dem Interview erfahren.
Für den letzten Song „Wormhole“ dürfen alle nochmal ihre Haare mitschwingen lassen. Für mich ist es der beste Abschluss für das Album, denn es rundet die gesamte Stimmung ab. Der Power des Gitarrensolos, wie auch dem Scream von Johannes gibt man sich hin und taucht nochmals im „Wormhole“ ein, in dem wir alle gemeinsam leben.
Und dann verstreichen auch die letzten Sekunden des Albums und einem selbst schmerzt leicht der Nacken, aber man hat ein Lächeln auf dem Gesicht. Es ist das achte Album von AVATAR und noch immer gibt es musikalische Entwicklungen, weshalb sie einfach spannend bleiben und den Hörer mit jedem neuen Album überraschen. Und ich denke, sie haben hier mit vielen Liedern und musikalischen Stilmitteln überzeugen können. Auch die Gedanken und Emotionen der einzelnen Mitglieder geraten hier, mit oder ohne Metaphern, in den Vordergrund und erhalten mit der musikalischen Untermalung seine ganz eigene, besondere Note. Ein neues Kapitel haben sie eröffnet und es mit solcher Präzession umgesetzt, dass es schwer werden könne, dieses zu übertreffen. (Sarah-Jane)
Bewertung:
10 / 10
Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 45:28 min
Label: Century Media
Veröffentlichungstermin: 07.08.2020