Luca Turilli's Rhapsody - Ascending To Infinity

rhapsody_ascendingtoinfinityRHAPSODY sind verwirrend. Zuerst hießen sie einfach nur RHAPSODY und waren großartig. Dann mußten sie sich aufgrund eines Urheberrechtsstreits in RHAPSODY OF FIRE umbenennen und waren nicht mehr ganz so großartig. Letztes Jahr dann entschieden sich die Bandgründer Luca Turilli und Alex Staropoli, von nun an getrennte Wege zu gehen, den Namen RHAPSODY aber beizubehalten. Also gibt es nun RHAPSPODY OF FIRE und LUCA TURILLI’S RHAPSODY. Luca Turilli suchte sich dabei komplett neue Mitstreiter, während der Großteil der Besetzung bei RHAPSODY OF FIRE verblieb. Einzig Drummer Alex Holzwarth sollte bei beiden Bands spielen. Relativ schnell merkte man jedoch, daß das auf Dauer nicht gutgehen wird, da beide Bands einfach zu unterschiedliche Verpflichtungen haben werden. Und so hat LUCA TURILLI’S RHAPSODY nun mit Alex Landenburg an den Drums ein komplett neues Line-Up.

Soviel zur Verwirrung. Jetzt zur Entwirrung: Nach dem zehnten Studioalbum war auch die mit „Legendary Tales“ begonnene Fantasy-Geschichte an ihrem Ende angelangt, so daß nun die Zeit ist, einen neuen Zyklus zu beginnen. Oder eben ein Album herauszubringen, das nur bedingt ein Konzeptalbum ist. Diesmal ist es keine erfundene Geschichte, dieses Mal hat Luca Turilli – im wahrsten Sinne des Wortes - über Gott und die Welt geschrieben. Natürlich bleibt man dem Mystischen, Geheimnisvollen verbunden, behandelt jedoch diverse Themen die durchaus auch schon von anderen Bands abgehandelt wurden, deshalb aber noch lange nicht ausgelutscht sind.

Musikalisch bleibt man mehr oder weniger beim alten – oder auch nicht. Ich muß zugeben, daß mich das Album beim ersten Hören doch etwas enttäuscht hat. Aber davon sollte man sich nicht abschrecken lassen. Dieses Album braucht definitiv mehr als einen Durchlauf, es ist einfach zu komplex, um es in wenigen Durchgängen zu erfassen. Je öfter man dieses Album hört, um so mehr Einzelheiten entdeckt man, und man entdeckt auch die Schönheit der Melodien, die Genialität der Kompositionen und lernt dieses Album lieben. Meiner Meinung nach ist dieses elfte RHAPSODY-Album das beste, das sie in den letzten Jahren geschrieben haben.

Die meisten Vorgänger geben mir nicht wirklich viel, aber „Ascending To Infinity“ konnte mich jetzt wirklich überzeugen. Warum, kann ich nicht genau sagen. Vielleicht, weil die Fantasysaga, mit der ich nicht wirklich viel anfangen kann, abgeschlossen ist. Vielleicht, weil die Kompositionen jetzt freier und ungezwungener klingen als auf den letzten Alben. Und das, obwohl sie teilweise doch sehr ungewöhnlich sind. Das fängt schon mit dem Opener „Quantum X“ an, der zunächst sehr ruhig beginnt, dann eluveitieesk wird, um den Hörer mit Electrodancesounds vollends zu verwirren (womit wir wieder bei den verwirrenden RHAPSODY wären). Doch dann wird der Song immer bombastischer und hypnotischer, bis er in die arabischen Klänge von „Dark Fate Of Atlantis“ übergeht. Und der Song klingt dann wieder nach den RHAPSODY, die man seinerzeit noch im alten Jahrtausend kennen und lieben gelernt hat. Irgendwie ist dieses Album back to the roots, aber andererseits so fortschrittlich wie schon lange kein Album der Italiener mehr.

Auch der neue Sänger Alessandro Conti kann hier erstmals seine Fähigkeiten voll unter Beweis stellen – und vollends überzeugen. Mit diesem Mann hat Luca Turilli auf jeden Fall einen Glücksgriff getan. Aber auch sonst klingt „Ascending To Infinity“ ungewöhnlich. Mal ist es (zumindest für RHAPSODY-Verhältnisse) sehr hart, mal klingt es etwas nach NIGHTWISH, die ja auch immer bombastischer werden („Dante’s Inferno“), mal klingt es poppig und dann scheint der Metal auch mal völlig in Vergessenheit zu geraten. Zum Beispiel beim jazzig angehauchten „Luna“. Erinnert sich noch jemand an das Duett von Andrea Bocelli und Sarah Brightman („Time To Say Goodbye“) aus dem Jahr 1996? „Luna“ klingt im Grunde so ähnlich, nur etwas rockiger. Das unterstreicht zum einen die musikalische Klasse von „Ascending Into Infinity“, zum anderen kann man sich aber auch fragen, ob das jetzt noch Metal ist. Ist aber im Grunde egal, denn es ist ehrlich, mutig und Fans der Band sollten mit diesem Song eigentlich keine Probleme haben. Der italienische Text tut dann noch sein Übrigens, aber je öfter man den Song hört, desto genialer wird er. Wahrlich ungewohnte Töne gibt es bei „Clash Of The Titans“ zu hören, das von einem Ney-York-Straßenszenen-Intro eingeleitet wird und teilweise mit stark verzerrtem Gesang arbeitet. Solche Töne hat von den Italienern sicher keiner erwartet.

Gekrönt wird „Ascending To Infinity“ vom Opus Magnum „Of Michael The Archangel And Lucifer’s Fall“. In 16 Minuten packt Luca Turilli Bombast, Orchester, Chöre, Filmmusik – kurz: alles, wofür RHAPSODY steht – und schafft es doch, den Song nicht überladen wirken zu lassen. Beim Hören fällt überhaupt nicht auf, wie lange der Song dauert, er wird nicht mal im Ansatz langweilig. Solange man also die Geduld aufbringt, diesem Album eine Chance (heißt, deutlich mehr als einen Durchlauf) zu geben, so kann man eigentlich nur gewinnen. „Ascending To Infinity“ ist eine Scheibe geworden, die mir als Fan der ersten Stunde, der mit den Alben dazwischen nicht so wirklich viel anfangen konnte, wieder richtig gut gefällt. Natürlich muß man auf das bombastische, orchestrale, kurz vor kitschige im Sound der Band schon stehen, aber ja, dieses Album ist richtig gelungen. Hätte ich so nicht erwartet, freut mich aber ungemein. Jetzt fehlt nur noch die Tour, denn tatsächlich habe ich die Band vor sage und schreibe 12 Jahren zum letzen Mal live gesehen (Mann, bin ich alt). (Anne)


Bewertung: 8,5 / 10

Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 57:30 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 22.06.2012