Ratt - The Atlantic Years

ratt atlanticYearsNach den Veröffentlichungen der großartigen Sammlerboxen von MÖTLEY CRÜE („Crücial Crüe-The Studio Albums 1981-1989“) und DOKKEN („The Electra Albums 83-87“), kündigt BMG in Partnerschaft mit Rhino-Entertainment nun für den Juni ein weiteres interessantes Box-Set an. „The Atlantic Years Limited Edition Box-Set“ wird die erfolgreichste und mit Gold und Platin ausgezeichnete Ära von RATT abdecken. Alle 5 Alben zwischen 1984 und 1990 wurden in dem gleichbleibenden, klassischen Line Up mit Stephen Pearcy (Vocals), Warren DeMartini (Guitars), Robbin Crosby (Guitars), Juan Croucier (Bass/Vocals), and Bobby Blotzer (Drums) aufgenommen.

Die Kompilation enthält die Klassiker „Out Of The Cellar“ (1984), „Invasion Of Your Privacy“ (1985), „Dancing Undercover“ (1986), „Reach For The Sky“ (1988) und „Detonator“ (1990). Die Boxen erscheinen aufwändig und remastert als CD-Box-Set oder auf 180 g Black Vinyl, mit der seltenen „Nobody Rides For Free“-Single, der Replica eines Tour Books mit raren Fotos aus dem Privatarchiv von RATT, Poster Sticker, der Replik eines Backstage Passes und Guitar Pick.

RATT gehörten zu Beginn der achtziger Jahre zu den heißesten Acts der L.A-Szene und mischten den Sunset Strip gemeinsam mit MÖTLEY CRÜE gewaltig auf. Musikalisch äußerst versiert, feuerten sie Hit auf Hit heraus und verstanden es mit ihrem Bad-Boy-Image hervorragend, den Sex- und Spaßorientierten Zeitgeist der Ära punktgenau zu treffen.

Fette Gitarrenparts der kongenialen Gitarristen Crosby und DeMartini, harte und treibende Drums, ein groovender Bass von Juan Croucier und ein unglaublich charismatischer Shouter Stephen Pearcy, der mit seiner rauen, bluesigen Stimme die Fans mit wortgewandtem „Crooning“ in seinen Bann ziehen konnte. Darüber hinaus kennzeichneten der eingängige Chorgesang und ein temporeicher Vorwärtsdrive den besonderen Musikstil von RATT. Sie feuerten Hit auf Hit heraus, waren in ihrer Blütezeit dreckig, laut, melodiös und äußerst innovativ nach dem Untergang der Hippie-Bewegung und des „Age Of Aquarius“. RATT waren heiß, verkörperten mit ihrer aggressiven, ambivalenten Grundhaltung explizit die Sex, Drugs and Rock`N Roll Philosophie, hatten ein prätentiöses Auftreten und kokettierten mit den Geschlechterrollen.

Die erste Scheibe des Box-Sets ist das Debütalbum „Out of the Cellar“ von 1984, als Nachfolger zu ihrer selbstbetitelten EP, die ihnen den Plattenvertrag mit Atlantic-Records bescherte. „Out Of The Cellar“ schlug wie eine Bombe ein und schaffte es auf Anhieb bis auf Platz 7 der US-Billboard-Charts. Drei Millionen Exemplare setzten sie alleine in den USA ab. Es folgten lange Touren mit OZZY OSBOURNE und MÖTLEY CRÜE, zu denen eine Art seelenverwandte Freundschaft bestand. Vier Singles wurden ausgekoppelt: „Round and Round“, „Black for More“, „Wanted Man“ und „Lack Of Communication“. Maßgeblich für den Hype um RATT war mit Sicherheit auch die Dauerpräsenz auf MTV. Die additiv professionelle Marketing-Strategie führte RATT innerhalb eines Jahres an die Spitze und katapultierte sie vom „Opening-Act“ zum Stadion-Headliner.

Im Sog des Erfolgs legten RATT zügig nach, um weiterhin ganz oben auf der Welle zu reiten. „Invasion Of Your Privacy“, mit dem erotischen aber geschmackvollen Cover, erschien am 13. Juni 1985 und folgte der gleichen Formel ihres erfolgreichen Debuts. Musikalisch auf dem Höhepunkt, eher orientiert an DOKKEN und VAN HALEN als an MÖTLEY CRÜE, zeigte die Band optisch allerdings auf übelste Weise die Zugehörigkeit zur Glam-Szene. Gerade Stephen Pearcy spielte in höchst tuntenhafter Art und Weise mit den Klischees. Die Scheibe stieg erwartungsgemäß sofort in die Top 10 der Billboard-Charts ein und erreichte Doppel-Platin. „Invasion Of Your Privacy“ zeigt eine Band auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Straighte Rocker wie „What You Give Is What You Get“ sind genauso enthalten wie große Balladen („Closer To My Heart“) und absolute Hymnen des Glam-Rocks, wie „You Should Know By Now“. Die Rohheit des Debuts erhielt zwar einen kommerziellen Feinschliff, ist allerdings auf höchstem Niveau anzusiedeln.

Das Folgealbum „Dancing Undercover“ erschien 1986 und wurde in gleichbleibender Besetzung von Beau Hill produziert. Noch einmal zeigte die Band den Glamrock in Höchstform aber die Dauerdröhnung im Rockstar-Leben mit toupierten Haaren, mädchenhaften Stretchhosen und der Dauersucht nach Drogen, Frauen, Alkohol in Strömen und fetten Autos, sollten langsam aber sicher neuen Trends weichen. Die Nachfolgebands einer neuen Generation wie METALLICA oder SLAYER standen schon in den Startlöchern des Erfolgskurses. Aber noch war es nicht so weit und auch auf „Dancing Undercover“ präsentierte RATT eine ungeheure Hit-Dichte. Zwar vermissten die Fans der ersten Stunde die raue Simplizität der Anfangszeit, allerdings sorgte die glattere Produktion für Hits wie „Slip Of The Lip“, die Party-Hymnen „Dance“ oder „Body Talk“, der Song, der weltbekannt wurde durch seine Verwendung im Hollywood-Film „The Golden Child“ mit Eddie Murphy. Auch „Dancing Undercover“ erreichte wieder Platin und stieg auf Platz 26 in den Billboard-Charts.

„Reach For The Sky“ wurde als viertes Studioalbum am 01. November 1988 veröffentlicht und trotz überwiegend negativen Kritiken konnte RATT erneut hohe Platzierungen und Verkäufe im Platin-Bereich erzielen. Meiner Meinung nach wurde das Album zu schlecht rezensiert. Hier liefert die Band immer noch soliden Glam-Rock mit verstärkt neuen, teils bluesigen Einflüssen. RATT hatten vielleicht ihren absoluten Erfolgs-Zenit überschritten aber die Jungs aus San Diego entwickelten sich weiter. Vielleicht war die rohe Energie zu Lasten der Perfektion verloren gegangen aber das Album enthält verdammt gut Hardrock- Nummern wie „City To City“ oder „Chain Reaction“. Pearcy war, zumindest bei den Aufnahmen, immer noch unglaublich gut bei Stimme und die Band bestens eingespielt. Die Single-Auskoppelung „I Want A Woman“ ist ein ziemlich plakativer Sleaze-Rocker. „No Surprise“, im Midtempo gehalten, ist klasse und wird stark getragen vom Chorgesang und der genialen Gitarrenarbeit. Auch auf „Bottom Line“ verleiht DeMartini dem Song eine grandiose Melodieführung. „Way Cool Jr“ wurde von der damaligen Kritik ziemlich zerrissen obwohl der bluesige Beginn eine innovative Note aufwies und extrem cool war; schwerfällig stampfend wie ein LED ZEPPELIN Song, war der Sound doch ungewohnt für die Fans. Der Chorgesang der Band ist perfekt wie auf „I Want To Love You Tonight“. Das Album hat große Momente und einige schwächere Songs, die aber immer noch sehr annehmbar sind, z.B. „What I`m After“ oder „What`s It Gonna Be“. Produktionstechnisch erfüllt die Scheibe allerdings wieder alle Erwartungen. Die Kritiker bemängelnden die mangelnde Inspiration, weiterhin als Hitfabrik zu agieren und dass der ursprüngliche Sound der Band zu aufpoliert rüberkam; dennoch muss man sagen, dass hier immer noch ein starkes RATT-Album in der logisch konsequenten Stufe zum „Erwachsenenwerden“ abgeliefert wurde.

Das so oft völlig unterbewertete Album „Detonator“ war das fünfte und letzte von RATT in der Atlantic-Ära. Es erschien 1990 und trotz aller kontroversen Prognosen zum Trotz, erzielte das Album immer noch Goldstatus und erreichte die Billboard-Charts. „Detonator“ ist zwar noch Sleaze und Hair-Metal aber die Band war deutlich älter geworden und abwechslungsreicher hinsichtlich ihrer Musikausrichtung. Sie führten diese Tendenz vom Vorgängeralbum konsequent fort. Erstmals bediente man sich auch externer Songwriter (Desmond Child, Diane Warren) und musikalischer Unterstützung (JON BON JOVI, MICHAEL SCHENKER). Die Scheibe ist ein durchgehend hervorragendes Rockalbum, stellenweise von beeindruckender Härte und vereint alle Elemente für die RATT stehen, gepaart mit innovativen neuen Klängen und Hitparaden- orientierten Mainstream-Balladen im Stil von BON JOVI, wie „Giving Yourself Away“, die sofort in die Rock Charts katapultiert wurde. Ein rundum gelungenes Album von enormer Energie, insbesondere wenn man bedenkt, dass sich die Band durch interne Unstimmigkeiten bereits im Auflösungsmodus befand, u.a. durch Alleingänge von Stephen Pearcy und den Drogeneskapaden von Robbin Crosby, der ja bekanntlich auch seiner Sucht 2002 erlag.

“ Shame Shame Shame“ ist ein expliziter Opener und eine sehr straighte, harte Rocknummer, die sofort ins Ohr geht. „All Or Nothing“ könnte direkt von AEROSMITH stammen. Locker rockt „Givin Yourself Away“ und besticht mit großem Refrain. Schnelle und hart präsentieren sich auch "Srcatch That Itch“ oder das coole „Hard Time“, mit starken Metal-Referenzen. Die prägnante Leadsingle "Lovin You Is A Dirty Job“ katapultierte RATT dann nochmals in die Anfänge des klassischen Glam-Rocks. Die Single etablierte sich gleich auf Platz 18 der US-amerikanischen Charts. Schlusssong „Top Secret“ ist ein prägnanter, stampfender Hammer mit fantastischer Gitarrenbegleitung. „Detonator“ ist für mich eines der besten und vielseitigsten Alben der Band; es wird gekennzeichnet durch eine solide Grundhärte, ist unglaublich melododisch auf sehr hohem Niveau. Es ist das Album einer gereiften Band auf ihrem natürlichen Weiterentwicklungsprozess. Hinzu kommt noch der fette, erdige Sound einer überragenden Produktion.

Bis heute machen RATT in unterschiedlichster Bandkonstellation ambitionierte und hervorragende Rockmusik. Die vorliegende Sammelbox allerdings umfasst die absolut kreative Hochzeit einer außergewöhnlichen Band und sollte in keiner Hardrock-Sammlung fehlen. (Bernd Eberlein)

 

Bewertung:

Ebi8,0 8 / 10

Label: BMG
Anzahl der Songs: 51 (auf fünf CDs)
Spielzeit: --:-- min
Veröffentlichungstermin: 09.06.2023

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