Wenn man über DOKKEN redet, spricht man nicht über eine beliebige Hair-Metal-Band, sondern über eine der erfolgreichsten Hardrock-Bands der Achtziger Jahre; und über die extreme Hassliebe zweier genialer Egomanen; den Mastermind Don Dokken und das Gitarrengenie George Lynch. Klar, DOKKEN bestehen auch heute noch als Band, wobei jedoch nur noch Sänger Don Dokken und Drummer Mick Brown übrig sind und weit entfernt von ihrer erfolgreichsten und innovativsten Phase in den Achtzigerjahren.
In der legendären Besetzung mit Shouter Don Dokken, Ausnahmegitarrist George Lynch (auch u.a. LYNCH MOB, THE END MACHINE), dem kongenialen Bassisten Jeff Pilson (u.a. DIO, LYNCH MOB, THE END MACHINE, FOREIGNER) und dem brachialen Drummer „Wild“ Mick Brown (u.a. LYNCH MOB, Ted Nugent, TOOTH AND NAIL), eroberten DOKKEN das Rockuniversum, platzierten Hit auf Hit und erhielten während ihrer Zeit bei Elektra Records Gold und Mehrfachplatin.
In diesem Band-Line-Up wurden die ersten vier Alben von DOKKEN zwischen 1983 (Wiederveröffentlichung des 1981er Debutalbums noch mit Juan Croucier am Bass) und 1987 aufgenommen. Nun veröffentlicht BMG am 27. Januar die vier Chart-Alben „Breaking The Chains“, „Tooth And Nail“, „Under Lock And Key“ und „Back For The Attack“ als Box-Set (LP/CD) unter dem Namen „The Electra Albums 1983-1987“. Alle Scheiben wurden von Andy Pearce (MOTÖRHEAD, BLACK SABBATH, DEEP PURPLE) neu gemastert und präsentieren sich in herausragendem Klang.
DOKKEN waren spätestens nach Veröffentlichung des zweiten Albums „Tooth And Nail“ richtungsweisend für den Hardrock der L.A-Szene und der ganzen Welt. Äußerlich ausgestattet mit allen Poser-Rock-Klischees der Achtziger, angefangen von den absurden Haarspray-Frisuren, der Schminke und hautengen Spandex-Hosen, waren sie dennoch völlig differenziert zu anderen frühen L.A.-Glam-Rock-Band. Sie verfügten über besseres Songwriting mit anspruchsvolleren Texten, hervorragender und variabler Gesangstechnik, differenzierter und stimmlich perfekter Melodieführung und einem harten, Riff-orientierten Rhythmus mit genialen Soli-Parts eines der Top-Gitarristen. Dazu sorgte das Drumming des „Wild“ Mick Brown für das entsprechend harte Soundfundament und wurde ergänzt vom bis heute sehr gefragten Bassisten Jeff Pilsen (momentan FOREIGNER).
Während das Debutalbum von 1981, „Breaking The Chains“, das bereits starke Songs hervorbrachte, z.B. den titelgebenden Track, floppte die Scheibe und verkaufte sich nicht. Sie wurde 1983 nochmals für den amerikanischen Markt über Elektra veröffentlicht. In dem Line-Up war noch der später zu RATT wechselnde Bassist Juan Croucier mit an Bord. Nach der Pleite des Debutalbums resignierten die Jungs allerdings nicht und nach einer neuen Chance des Labels, welches an den Erfolg der Band glaubte, veröffentlichten sie 1984 das zweite Album „Tooth And Nail". Mit Jeff Pilson an Bord hauten sie einen Klassiker des Hardrocks heraus, der auf Anhieb in den USA Goldstatus erreichte. Ein fast perfektes Album, dass erst den Vorgeschmack für noch Größeres bieten sollte. Musikalisch perfektioniert starteten sie gleich mit drei Hitsingles („Into The Fire“, „Just Got Lucky“ und „Alone Again“) endgültig durch. Allein das bedrohliche Instrumental mündet in den krachenden Opener „Tooth And Nail“. Es scheint als würden sich die Musiker perfekt ergänzen, dabei ist die Rivalität zwischen Don Dokken und den übrigen Bandmitgliedern derart groß, dass sie sich kaum im gleichen Raum aufhalten können. Eigentlich grenzt es fast an ein Wunder, dass das Line-Up solange mit stetig steigendem Erfolg bestehen konnte.
„Under Lock And Key“ aus dem Jahr 1985, katapultiert die Band endgültig in die oberste Liga des harten Rocks. Wieder gelingt es mit dem Opener „Unchain The Night“ ad hoc ein Highlight zu setzen und die Marschrichtung des Albums vorzugeben. George Lynch setzt die markanten Gitarrenriffs, die allesamt sofort im Ohr hängen bleiben. Die Stimme von Frontmann Don Dokken scheint keinerlei Grenzen zu kennen. Extrem kraftvoll, emotional und gnadenlos gut. Was der Öffentlichkeit weitestgehend vorenthalten wird, ist die Tatsache, dass die Spannungen innerhalb der Band mittlerweile derart abstruse Dimensionen angenommen haben, dass das Management zwei verschiedene Studios für Lynch und Dokken anmietete, damit diese getrennt voneinander arbeiten konnten. Musikproduzent Michael Wagener war damals der Überzeugung, die Trennung der beiden Musiker würde sich positiv auf die Kreativität auswirken. Und er behielt Recht mit seiner These. Das Album erreichte allein in den USA Platinstatus. Kritiker vermissten den zum Heavy Metal tendierenden rohen Sound der Vorgängeralben, jedoch hatten DOKKEN hier zu ihrem Sound als Alleinstellungsmerkmal gefunden, der weit entfernt war von den meisten übrigen L.A.-Bands.
1987 erreichte DOKKEN mit ihrem vierten Longplayer den kommerziellen Zenit. „Back For The Attack“ ist aber gleichzeitig auch das Ende einer sehr erfolgreichen Ära, denn nach der anschließenden Tour zum Album, brach die Band endgültig in der famosen Besetzung auseinander. Das Album besteht ausschließlich aus Hitsingles, allen voran „Dream Warriors“, der als Titeltrack zum Horrorfilm „Nightmare On Elm Street 3“ diente. Trotz der starken Mainstream-Lastigkeit darf George Lynch in dem Instrumentalstück „Mr. Scary“ wieder sein außergewöhnliches Talent zur Schau stellen. Die erforderliche Härte ist dennoch immanent, z.B. auf dem großartigen „Kiss Of Death“, welches als Opener fungierte.
Im April 1988 wird ein Konzert in Japan für das hervorragende Livealbum „Beast From The East“ mitgeschnitten. Anschließend lösen sich DOKKEN aufgrund der anhaltenden internen Streitereien auf. Zwar kommt es zwar noch zu kurzzeitigen Wiedervereinigungen und Plattenveröffentlichungen. Die Qualität und rohe Energie der frühen Jahre erreichte DOKKEN allerdings nicht mehr.
Don Dokken äußerte sich Jahrzehnte später im Interview zu der damaligen Situation der erfolgreichsten Zeit wie folgt: „Das Bild in der Öffentlichkeit steht doch ohnehin schon lange fest: Don ist das diktatorische Arschloch. Ich will gar nicht bestreiten, dass es nicht immer einfach ist, mit mir zusammenzuarbeiten. Aber die Wahrheit ist meist immer ein ganzes Stück komplexer, als sie von bestimmten Leuten allzu gerne dargestellt wird“. Don macht eine Pause und seufzt: „Es war eine schwierige Zeit, und es wundert mich immer wieder, dass wir es als Band tatsächlich so lange miteinander aushielten, ohne uns gegenseitig die Kehlen durchzuschneiden. Wir trugen untereinander wirklich grässliche Kompetenzkämpfe aus. Es war ein ständiger Kampf um Songs, ein ständiger Kampf ums Arrangement. Niemand in der Band wollte zum Beispiel „Into The Fire“ und „Alone Again“ auf der Scheibe haben - und ausgerechnet das waren die beiden Videohits dieses Albums. Besonders George Lynch hasste die Songs, und ich habe sie ihm buchstäblich aufgezwungen.“
Aber gleichgültig wie die Konkurrenzkämpfe ausarteten. DOKKEN schenkte uns 4 begnadete Alben, die auch heute noch ungemein zeitlos, frisch und energetisch klingen. Sie waren Mainstream und radiotauglich („Never Unchain The Night“, „Dream Warrior“); genau so waren sie fest im Heavy Metal verwurzelt („Paris Is Burning“ oder „Lightning Strikes Again“), dass man glaubt, JUDAS PRIEST in den Ohren zu haben. Eins bleibt unbestritten: DOKKEN schafften auf den ersten vier Alben unzählige Hymnen für die Ewigkeit. (Bernd Eberlein)
Bewertung:
9 / 10
Label: BMG
Anzahl der Songs: -
Spielzeit: --:-- min
Veröffentlichungstermin: 27.01.2023