Irgendwie hatte ich so schnell noch gar nicht mit einem neuen Album von LEPROUS gerechnet. Und sie selbst wohl auch eher nicht. Denn eigentlich sollte ja zuerst einmal das fantastische Album „Pitfalls“ promotet werden. Doch wie bei allen anderen Bands, ist auch hier etwas dazwischen gekommen, was so keiner hat kommen sehen – Corona. Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken, haben LEPROUS ziemlich bald wieder mit dem Schreiben neuer Songs begonnen. Und so wurde aus einer EP ein Album, das jedoch coronabedingt in drei verschiedenen Studios aufgenommen wurde. Was man dem Album jedoch nicht anhört, denn es klingt wie aus einem Guss.
Und schließt sowohl thematisch als auch musikalisch direkt an den Vorgänger „Pitfalls“ an. Auch die Gäste sind fast gleich geblieben. Denn wie schon auf den letzten Alben sind die Streicher Raphael Weinroth-Browne (Cello) und Chris Baum (Violine) wieder mit an Bord. Dazu kommt eine Brassband, die schon beinahe Norwegen beim Eurovision Song Contest vertreten hätte. Eine Brassband und Metal? Wie verträgt sich nun das? Sehr gut. Dass Bläser durchaus auch ihren Platz auf Metalaufnahmen haben können, das haben ja auch andere Bands schon bewiesen.
Davon abgesehen werden diese auf „Aphelion“ so sanft und pointiert eingesetzt, dass sie beim nebenbei hören kaum auffallen und man muss schon genau hinhören, um sie zu entdecken. Deutlich weiter im Vordergrund stehen die Streicher, die schon im Opener „Running Low“ sehr prominent zu hören sind. Musikalisch liegen „Pitfalls“ und „Aphelion“ wohl so nahe beisammen wir kaum zwei andere Alben der Norweger. Immer wieder fühle ich mich beim Hören des Albums an ältere Songs der Band erinnert – ohne dass sie sich dabei selbst kopieren.
Im Gegenteil, sie haben sich noch einmal weiterentwickelt, ihren Stil noch einmal verfeinert. Und während „Pitfalls“ bei mir sofort gezündet hat, habe ich deutlich länger gerbraucht, um in „Aphelion“ reinzukommen. Gerade die vorab veröffentlichten Singles fand ich erst mal gar nicht so prickelnd. Erst mit der Zeit hat sich mir ihre Schönheit erschlossen. Außerdem haben es mir auf diesem Album gerade die Songs angetan, die nicht als Single veröffentlicht wurden, z.B. das etwas härtere „Silhouette“ oder auch der letzte Song, „Nighttime Disguise“, in dem man unter anderem zum ersten Mal seit langer Zeit mal wieder Einars Growls hören kann, die früher deutlich präsenter waren. Ich liebe es, wie sich dieser Song von einer leicht poppig angehauchten Ballade über einen sanften Jazzsong zu einem harten Rocker entwickelt.
Wie schon auf dem letzten Album steht der Gesang von Einar Solberg oft sehr im Vordergrund, die Instrumente nehmen sich sehr zurück – aber mehr und mehr wird das auch zum größten Plus der Band, denn Einar wird einfach immer besser und perfektioniert seine Stimme immer weiter. Man höre sich nur mal „Castaway Angels“ an. Auch wenn mir der Song fast schon einen Ticken zu ruhig ist, kann Einar das locker herausreißen. Er schraubt seine Stimme in nie dagewesene Höhen – und klingt dabei noch besser als je zuvor. Aber auch musikalisch tritt die Band nicht auf der Stelle, sondern geht stets neue Wege. Sei es jetzt, wie bereits angesprochen mit dem Einsatz einer Brassband oder einfach mal etwas experimentelleren Elementen, wie z.B. dem fast schon jazzig-swingenden Beginn von „All The Moments“.
Wie schon beim letzten Album (und ich glaube, auch beim Album davor) kann man hier wieder trefflich darüber streiten, ob man hier noch das Label „Metal“ draufpackt. Ist aber eben auch völlig egal, denn geniale Musik ist und bleibt geniale Musik. Und ich weiß wirklich nicht, was LEPROUS anstellen müssten, damit ich sie nicht mehr mag. Jedes Album der Norweger ist aufs Neue ein Meisterwerk. Allerdings hat „Aphelion“ gegenüber „Pitfalls“ etwas an Eingängigkeit eingebüßt – was die Scheibe aber keineswegs schlechter macht. Nur etwas schwerer zugänglich. Ich liebe sie dennoch. Oder gerade deswegen. (Anne)
Bewertung:
8,5 / 10
Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 56:00 min
Label: Inside Out Music
Veröffentlichungstermin: 27.08.2021