Deep Purple - Turning To Crime

DeepPurple smallNach der äußerst erfolgreichen sogenannten „Time Triology“, bestehend aus „Now What?“, „Infinite“ und „Whoosh“ in den Jahren 2013 bis 2020, legen DEEP PURPLE nun ein Studioalbum, vor, welches ausschließlich aus Songs fremder Künstler besteht.

Nun bestätigt sich mit der Veröffentlichung des 22. Studioalbums zum 26. November 2021 nicht die Befürchtung, „Whoosh“ könnte das finale Werk der betagten Legenden um Ian Gillan, Roger Glover, Ian Paice, Don Airey und Steve Morse gewesen sein. Viel britischer Humor kennzeichnet bereits das Plattencover, welches die Bandmitglieder mit Fotos einer erkennungsdienstlichen Behandlung als „Verbrecher“ des Musikdiebstahls zeigen. Entsprechend heißt der Longplayer auch: „Turning To Crime“.

Vor der Veröffentlichung verriet Ian Gillan bereits, dass es sich um ein sehr untypisches DEEP PURPLE-Album handeln wird. Beim ersten Anhören erschließt sich schnell der Grund der Aussage. Spürbar ist auch, dass die Band enormen Spaß an der Produktion hatte und Ian Gillan seine Leidenschaft für Elvis Presley und den Faible für den Rock N` Roll der fünfziger Jahre mit einbringen wollte. Pandemiebedingt konnte man hier wohl völlig ungezwungen an der Entstehung arbeiten, da die „Long Goodbye Tour“ unterbrochen werden musste.

DEEP PURPLE hat in der über 50-jährigen Bandgeschichte alles erreicht was möglich ist und im gesetzten Alter können sie unabhängig jeglicher Kritik veröffentlichen, wonach ihnen der Sinn steht. Dennoch ist das vorliegende Album trotz manch ungewöhnlicher Songs immer noch als DEEP PURPLE-Werk zu identifizieren. Ian Gillen meistert die Songs gewohnt sensationell und muss heute auch nicht mehr dem Verlust des hohen Soprans hinterher trauern und weigert sich auch, technisch optimiert, „Child In Time“ singen.

Wie sich die Band aktuell darstellt, erklärt ein Interview-Statement Ian Gillan`s: „Wir waren Rebellen, die Funk, Rock, Soul, Country und Klassik genommen und auf ganz eigene Weise interpretiert haben. Und heute gibt es erst recht keine Regeln mehr für uns. Wir machen Musik, weil wir es lieben. Wenn die Energie da ist, dann fliegen die Funken nur so. Es passieren spontane, kraftvolle Ausbrüche, in diesen Momenten sind wir eine Atommacht. (lacht)“
Der Opener „7 And 7 Is“, der bereits vorab als Single veröffentlicht wurde, stammt von der Band LOVE aus dem Jahr 1966. Der Song eignet sich hervorragend zur DEEP PURPLE-Interpretation; ein schneller Rocksong mit allen konstitutiven Merkmalen der Band; Don Airey`s beeindruckendem Keyboardspiel im Wechsel mit gewohnt souveränen Gitarrenriffs, schnellem Schlagzeugspiel und natürlich der Bassarbeit von Roger Glover. Hinzu kommt die markante Stimme von Ian Gillen die den Track zum PURPLE-Song macht.

Zweites Cover ist ein klassischer Boogie-Woogie mit dominierender Piano- und Bläseruntermalung im Rock N`Roll-Stil der späten fünfziger Jahre und großer Big-Band Tradition. Witzig ist ein kurz mit dem Piano in den Song eingearbeitetes Riff von „Smoke On The Water“. Das Original von „Rockin Pneumonia And The Boogie Woogie Flu“ stammt aus dem Jahr 1957 von Huey „Piano“ Smith und wurde 1972 von Johnny Rivers sehr erfolgreich gecovert; eines dieser untypischen DEEP PURPLE Stücke, die dennoch opulent instrumentiert den Charme guter alter Rock N` Roll-Zeiten hervorruft. Beim dritten Song sieht das völlig anders aus. Peter Green`s grandioses „Oh Well“ wird meisterhaft von Gillan gesungen, der es gesangstechnisch zur DEEP PURPLE-Nummer macht und von Don Airey eindrucksvoll mit Keyboardklängen überzogen wird. Hinzu kommt das starke Gitarrenspiel von Steve Morse. Gegenüber dem Original expandiert der Song durch die PURPLE-immanenten Attitüden (Keyboard/Gitarre) auf die doppelte Länge.

„Jenny Got A Ride“ ist der Band dann ebenso wie auf den Leib geschrieben. Der schöne Mix aus Motown, Soul und Rock N`Roll, welcher 1965 durch den unterbewerteten Mitch Ryder und seine DETROIT WHEELS veröffentlicht wurde, gefällt durch die bluesige Interpretation von Ian Gillan und einem hervorragenden Gitarrensolo des großen Steve Morse in der Songmitte. Das nachfolgende "Watching the River Flow" ist ein toller Bluesrock, der 1971 von Bob Dylan veröffentlicht und gesungen wurde, wobei sich der Gesang Gillan`s hier so atypisch der Songstruktur anpasst dass er die Tiefe und Glaubwürdigkeit eins Cash-Songs erlangt.

Big Band Feeling kommt bei „Let The Good Times Roll“ auf, mit dem umfassenden Sound eines Orchesters. Ursprünglich 1946 erstmals veröffentlicht und als Standard des Rhythm & Blues bekannt, wurde der Song von zahlreichen Musikern gecovert unter anderem B. B. King und Ray Charles. Wieder macht das Ian Gillan hervorragend. Man merkt wie ungezwungen er singt. Er klingt im Rahmen der Bigband-Klänge, den Piano- und Hammondorgel-Einlagen sowie dem jazzartigen Schlagzeugspiel des Ian Paice, eher wie ein in Würde gealterter Frank Sinatra. Völlig unerwartet hauen DEEP PURPLE dann die Southern Rock-Hymne „Dixie Chicken“ von Little Feat aus dem Jahr 1973 raus und setzen es gerade durch das fantastische Honky Tonk-Pianospiel hervorragend um. Hier fließen Country, Soul, Blues und Rock ineinander über.

Ich muss eingestehen, besser gefallen mir die Rocksongs, wie das nachfolgende „Shapes Of Things“, welches sich wieder prädestiniert zur DEEP PURPLE-Umsetzung. Das YARDBIRDS-Cover von 1966 ist auch in der PURPLE-Version ein Meilenstein der Musikgeschichte und kommt genauso psychedelisch rüber wie das Original. Im Mittelteil zeigt Steve Morse sein Können beim Gitarrensolo, gefolgt vom expandierendem Orgelexzess des Don Airey. Im Anschluss gibt sich die Band dem traditionellen Country hin, inclusive Fiddle und Banjo. Hier handelt es sich um den untypischsten aller gecoverten Songs auf der Scheibe. „The Battle Of New Orleans“, eine im Jahr 1959 von Johnny Horten gesungene Nummer, die Platz eins in den amerikanischen Billboard Charts erreichte, klingt äußerst seltsam als DEEP PURPLE- Song. Es handelt sich übrigens um den in Deutschland 1972 äußerst populären Coversong der „LES HUMPHRIES SINGERS“ mit dem Titel „Mexico“, der sich wochenlang als Disco- und Dancenummer auf Platz eins in Deutschland`s Hitparaden platzierte.

„Lucifer“ entschädigt den Zuhörer anschließend wieder bestens. Bob Seger`s „straighter Rocksong“ von 1970 ist auch in der Coverversion sehr rhythmisch, besticht durch Schnelligkeit und prägnante Gitarrenriffs. Durch das ausgedehnte Orgelspiel von Don Airey erkennt man Reminiszenzen zu „Perfect Strangers“. Für mich das Highlight der Scheibe ist CREAM`s „In The White Room“ aus dem Jahr 1968, wie gemacht für die Stimme Gillan`s. Steve Morse leistet eine Clapton-ebenbürtige Gitarrenarbeit, überzeugt auf ganzer Linie und kann gerade bei dieser Nummer sein Können eindrucksvoll unter Beweis stellen, so dass die Komplexität des Originals sichtbar wird.

„Turning To Crime“ endet mit dem fast acht-minütigen „Caught In The Act“; einem Medley großer musikalischer Highlights, überwiegend instrumental gehalten, von Freddie King, Booker T.C, Allman Brothers, Led Zeppelin und endet in dem gesungenen SPENCER DAVIES GROUP-Hit „Gimme Some Lovin“-sehr stark; oder wie es Ian Gillan immer sagte:“ Eigentlich ist DEEP PURPLE eine Instrumentalband mit Sänger.“

Produzent und Freund Bob Ezrin, der mit DEEP PURPLE bereits an den vorherigen Alben der "Trilogie" arbeitete, war auch bei der neuen Studioarbeit wieder ein wichtiger Bestandteil. Das 22. Studioalbum hat in der Diskografie seine Berechtigung und wird den Fans auch gefallen; ein wenig Aufgeschlossenheit gehört allerdings dazu. Wenn SAXON und METALLICA die Songs von DEEP PURPLE als Hommage covern, darf man Ian Gillan, Steve Morse, Ian Paice, Roger Glover und Don Airey auch zugestehen, ihre Idole früherer Zeiten zu feiern. (Ebi)


Bewertung:

Ebi8,0 8 / 10

Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 47:20 min
Label: earMusic
Veröffentlichungstermin: 26.11.2021

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