Hier ist wieder ein Beweis. Holland hat doch mehr zu bieten als Käse, Tulpen und GOLDEN EARRING; zum Beispiel DE WOLFF, eine immer noch sehr junge Band, die bereits vor 13 Jahren gegründet wurde als sich die Bandmitglieder gerade mit den ersten Auswirkungen der Pubertät auseinandersetzen mussten.
Mit dem vorliegenden Longplayer „Wolffpack“, welches am 5. Februar 2021 erscheint und über Mascot-Records vertrieben wird, bringen sie bereits das 9. Album seit ihrer Gründung auf den Markt.
Man spürt intensiv, dass die Jungs als klassische Drei-Mann-Besatzung im Stil der späten 60er Jahre Bands mit vollem Herzblut Musiker sind. DE WOLFF produzieren Schallplatten am Fließband und Aufnahmen von neuem Songmaterial wurde vor der Corona-Pandemie eigentlich nur durch permanente Bühnenpräsenz unterbrochen anlässlich ihrer Gigs in Europa und der halben Welt.
Luka van de Poel (Schlagzeug), Pablo van de Poel (Gitarre/Gesang) und Robin Piso (Keyboard/Hammondorgel) spielen Rock….alten Rock der 60er und 70er Jahre. Sie spielen mit essentieller Ausrüstung in hervorragendem Retro-Gewand alter Rock-Heroen, jedoch derart facetten- und ideenreich, dass die Band punktuell nicht einem Genre zuzuordnen ist. Und genau diese Spiel- und Experimentierfreudigkeit deklariert das Power-Trio zu einer besonderen Band.
Ihre Werke sind geprägt von psychedelischen Retro-und Bluesrock. Sie bringen den Soul und Funk in ihren Songs ein und spielen dann wieder klassischen Südstaaten-Rock im Stil der ALMANN BROTHERS oder traditionellen Country.
Herausragendes Wiedererkennungsmerkmal ist auch die schwere Hammond-Orgel Begleitung im Stil von DEEP PURPLE der frühen Mark 1 und 2 Besetzungen. Auch ansonsten fühlt man sich beim Hören der Scheibe in gute alte Zeiten zurückversetzt.
Mir gefällt es außerordentlich, dass die Band ständig überrascht, permanent de Musikstil variiert und neue experimentelle Akzente setzt. Als Fan von CREAM, THE FACES, HUMBLE PIE und sonstigen Rocklegenden der späten 60er Jahre bin ich froh, dass die Musikwelt junge Bands wie DE WOLFF hervorbringt, wenn die alten Heroen langsam die Musikbühne verlassen und gleichzeitig beruhigt es mich, denn ich weiß, dass gute Rockmusik zeitlos ist und alles überlebt.
Zur Beschreibung des Musikstils attestiert die Webseite des Rockpalastes ziemlich zutreffend, dass DE WOLF, „die Welt mit wildem, psychedelischem Sixties-Blues-Rock erschüttern“. Die drei Niederländer nehmen den Hörer mit in eine Zeit, in der LED ZEPPELIN, CREAM, PINK FLOYD und DEEP PURPLE die Welt beherrschten.
Die Band hat in den letzten 3 Jahren drei Alben veröffentlicht, „Tascam Tapes (2020)“, „Live & Outta Sight (2019)“ und „Thrust“ (2018)“ wobei sie mit jedem Album kompositorisch gewachsen sind. Ihr rudimentärer Einsatz der Instrumente, dieser „downstripped“ Bluesrock, lässt die Fangemeinschaft stetig wachsen. Die Jungs tourten gerade mit der „Tascam Tapes“-Scheibe, welches minimalistisch (Mikrofon, Gitarre und Sampler/Synthesizer) komplett während ihrer letzten Tour mit einem alten Aufnahmegerät aus den 80er Jahren aufgenommen wurde als die Pandemie das Trio zur Pause zwang.
Die Zwangspause führte allerdings nicht zur Frustration und depressiver Grundstimmung sondern bewegte die Band zu unermüdlichem Schreiben an neuem Material. Im Interview führte Pablo dazu aus:“ Nie in unserem Leben werden wir so viel Zeit haben, um Inspiration aufzusaugen, zu schreiben und aufzunehmen. Musik ist unsere liebste Sache der Welt.“
Und deshalb legten sie mit „Wolffpack“ Album Nr. 9 nach. Mit wabernden Synthi-Klängen beginnt der Opener „Yes You Do“ und geht in verzerrte Gitarrenklänge über, die an den Jam-Stil von NEIL YOUNGS Begleitband CRAZY HORSE erinnern. Der soulige Gesang von Pablo van de Poel gibt dem Song eine GRATEFUL DEAD-mäßige Klangstruktur. „Treasure City Moonchild“ wird dominiert von der wunderbaren Hammond Orgel und kurzen harten Gitarrenriffs. „Do Me“ ist eine emotionale Ballade und durch Soul-/Funkeinflüsse und der Rhythmus-orientierten Hammondorgel für mich eine Hommage an LITTLE FEET oder die DOOBIE BROTHERS.
„Sweet Loretta“ könnte eine klassischer „FACES“-Rocker sein mit additivem Harmoniegesang von befreundeten „Guest-Stars“, auf die ich noch später eingehe. „Half Of Your Love“ gestaltet sich wieder äußerst soulig, nahezu Discomäßig, „Lady J.“, deren Inspiration die Band aus dem Dokumentarfilm „13th“ (Lady Justice) nimmt, startet instrumental mit Hammondorgel und Gitarrenriffs wie DEEP PURPLE in den Gründungsjahren, geht dann in einen bluesigen Gesang über und dominiert durch einen tollen Background Chorgesang. „Roll Up The Rise“ und „Bona Fide“ rocken härter mit immanenten Blues- und Southern Rock-Einflüssen, den Einsatz der Instrumente immer auf das Wesentliche reduziert und immens ausdrucksstark. „R U My Savior“, welches sich mit dem Alten Testament befasst, startet dann mit hartem Intro und geht wieder in einen Southern-mäßigen Song mit Bläsereinsatz über.
Persönlich beeindruckt mich der letzte Song des Albums am stärksten. „Hope Train“ ist fantastisch. Es beginnt akustisch mit einem traditionellen Country-Blues-Intro, unterlegt mit dem Rauschen einer uralten Langspielplatte und donnert mit verschwommenen E-Gitarren-Riffs und stampfendem Rhythmus wie ein Zug durch die menschenleeren Landschaften Nordamerikas. Ständige Tempiwechsel im Song führen immer wieder zu der Simulation des Zuges. Das ist genial, man kann den Song spüren; er verursacht Gänsehaut. Die Platte hat keine Ausfälle und lebt von den unterschiedlichen Soundcollagen und dem Improvisationsgeist der Jungs; ein klasse Album ohne Filter.
Unterstützung fand die Band bei den einzelnen Stücken durch zahlreiche Freunde wie den ehemaligen WOLFMOTHER Bassisten Ian Peres, die Sängerin- und Songschreiberin Judy Blank, die Roots Rocker THE DAWN, die Blues Rocker von GRAND EST und andere.
DE WOLFF ist die authentische Band von morgen mit dem Sound von gestern und das ist innovativer Fortschritt. Ich bin gespannt auf die zukünftigen Veröffentlichungen und wohin die musikalische Reise DE WOLFF noch führt. (Ebi)
Bewertung:
8,5 / 10
Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 47:43 min
Label: Mascot Label Group
Veröffentlichungstermin: 05.02.2021