Therion - Leviathan

therion leviathanAls Pioniere haben die Schweden viel für den symphonischen Metal geleistet, wurden aber auch von der Entwicklung anderer Bands eingeholt. Mastermind Christopher Johnsson ging aber immer einen Schritt weiter und folgte seiner Mission, die Grenzen zwischen Rock und Oper verschwinden zu lasen. Doch mit seinen letzten Projekten lehnte er sich zu weit aus dem Fenster, vor drei Jahren wurde der Fan von Opulenz und Umfang von "Beloved Antichrist" förmlich erschlagen. Hat er sich zu sehr von seinen Wurzeln entfernt oder sich zu viel zugemutet. Auf jeden Fall erkannten THERION, das sie etwas ändern müssen, und sei es der ursprünglichsten Daseinsberechtigung des Musizierens, der Unterhaltung Rechnung zu tragen. Wie zugänglich ist "Leviathan" also ausgefallen?

Zu sagen, dass man den Bombast über Bord geworfen hat, ist etwas gewagt, denn auf wuchtige Klänge setzt die Truppe nach wie vor. Doch irgendwie wurde die Bremse gelöst, knallen tut das noch immer, ja eigentlich noch mehr als zuletzt, weil man die Arrangements von der Kette gelassen hat. Direkt der Einstieg verblüfft, vor allem wenn man den Vorgänger in den Ohren hat, sofort sind die Gitarren da und rocken angenehm nach vorne. "The Leaf On The Oak Of Far" geht es ohne Schnörkel nach vorne, der Zierratballast wurde über Bord geworfen, während sich weibliche und männliche Stimmen abwechseln. Auch die Chorgesänge im Refrain sind erstaunlich hymnisch und eingängig gehalten, die Melodien flüssig und nachvollziehbar.

Johnsson hat sich ja schon mit so mancher Mythologie beschäftigt, doch mit der seines Nachbarlandes bisher noch nicht. Den Umstand ändert "Tuonela", der auf dem finnischen Nationalepos "Kalevala" aufbaut. Die Kollegen von AMORPHIS, mit denen THERION schon öfter getourt sind bedienen sich ja ständig daraus, hier hat man allerdings einen anderen Finnen als Gast. Der kürzlich bei NIGHTWISH ausgestiegene Marco Hietala übernimmt die männlichen Vocals in dem Stück, das unmittelbar an den Opener anschließt. Es rockt etwas schwerer und die Sopranstimme in der Bridge erinnert mehr an die klassisch inspirierte Richtung, doch die Breaks im Chorus knallen so herrlich rein wie seit dem Meisterwerk "Theli" nicht mehr.

Richtig auf die Tube drückt "Great Marquis Of Hell", welches von den Drums befeuert wird. Thomas Vikström singt sehr hoch, bevor wuchtige Chöre übernehmen und von Orchesterschübe flankiert werden, kurz und knackig, ebenso wie das Synthesizersolo. Ebenso flott ist "Azi Dahaka" unterwegs, die Riffs reiten Galopp, während sich eine orientalische Stimmung breitmacht. Die bietet auch das anschließende "Eye Of Algol", wenn auch mit mehr Schwermut inszeniert, in welche auch das Orchester einstimmt. Wobei es sich hier um das Vienna Instruments-Programm handelt, denn ein ganzes Ensemble zusammen zu bekommen wäre in Zeiten von Corona nicht möglich gewesen. Dafür liefert vor allem jener Song eine tolle Auswahl verschiedener Stimmen, speziell der Bariton weiß zu gefallen.

Natürlich rockt "Leviathan" nicht komplett durch, die opernhaften THERION sind immer noch da, erstmals im Titeltrack, das diese typischen atmosphärischen Leads auffährt. Chöre und auch wieder orchestrale Klänge lassen die tiefe Begeisterung für klassische Musik durchscheinen. Interessant fällt auch "Nocturnal Lights" aus, bei dem Lori Lewis sehr beschwingt intoniert, die sechs Saiten sich nur auf ein paar Akkorde beschränken, während Flöte und Geige die Führung übernehmen. Letztere wurde als einziges Orchesterinstrument in Deutschland tatsächlich eingespielt, ganz auf Konserve wollte man doch nicht setzen. Ganz stark auch, wie sich die Chöre hier sehr weit öffnen und sich mit einem Sopran duellieren.

Die reinen Balladen unterstreichen auch eher die rockige Richtung, vor allem das abschließende "Ten Courts Of Diyu" mit seinem schönen warmen Solo. Die Stimmung ist sehr getragen, im melodischen Refrain herrscht Streichercrescendo vor. "Die Wellen Der Zeit" überrascht mit deutschen Lyrics, meist stammt ja die Oper aus Italien und Deutschland, was Johnsson sicher hierzu inspiriert hat. Hier geht es noch wuchtiger und verspielter zu, der Himmel noch geigenverhangener.
Am stärksten waren die Schweden immer dann, wenn sie beide Welten in Einklang brachten, was auf dem neuen Werk öfter gelingt. Am besten in "El Primer Soul", bei dem die Chöre wunderbar mit den Rockstimmen harmonieren und die schönsten Melodiebogen zaubern, und die Gitarren viele Leads einbringen. Leider ist es nicht ganz gelungen die arg zerstückelte Produktion im Gesamtsound zu verstecken, hier hätten ein wenig mehr Volumen aus Ausgewogenheit zusätzliche Punkte bringen können. (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer7,5 7,5 / 10


Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 45:00 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 22.01.2021

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