In Flames - Clayman (20th anniversary)

inflames clayman20IN FLAMES. Tja, wo fange ich da an? Die Göteborger waren einst, damals, als „Clayman“ erschienen ist, und noch lange Zeit danach, meine Lieblingsband. Sehr lange danach noch. Während viele alte Fans schon mit Alben wie „Reroute To Remain“ ausgestiegen sind. Auch wenn ich dieses Album sowie die folgenden zwei nicht so wirklich toll fand gab es doch immer auch gute Songs darauf, die insbesondere live richtig gut ankamen. Die musikalische Veränderung der Band hatte begonnen.

Jesper Strömblad verließ die Band und obwohl die Alben „A Sense Of Purpose“ und „Sounds From a Playground Fading“ doch sehr anders klingen als die IN FLAMES der 90er liebe ich diese Alben nach wie vor. Weil – ist mir scheißegal, wie IN FLAMES klingen, es ist eine geile Band und das sind zwei geile Alben. Punkt. Aus. Doch dann kam der Punkt von dem ich dachte, dass ich ihn eigentlich nicht erreichen würde. Zumindest nicht in dieser Form. Es kamen die Alben „Battles“ und „I, The Mask“ – und ich kann damit nix anfangen. Verstehe ich einfach nicht. Rein musikalisch nicht schlecht, aber gefühlsmäßig kommt bei mir nichts an. Drei Mitglieder wurden ausgetauscht und von den neuen weiß ich nicht mal die Namen.

Und ich verspüre auch nicht die geringste Lust, mir deren Namen zu merken. Oder ihre Gesichter. Oder mir die letzten Alben mal wieder anzuhören. Interessiert mich einfach nicht. Da draußen gibt es so viele Bands, die viel interessantere Alben schreiben. Meine einstige Lieblingsband ist mir egal geworden.

Und jetzt das: „Clayman“ feiert seinen 20. Geburtstag. Wie das funktioniert, ist mir auch nicht ganz klar. Die Tour zum Album war doch grade eben erst??? Hmpf. Dann bin ich wohl alt geworden. Aber egal. „Clayman“ geht einfach immer. Weil da nämlich nur gute Songs drauf sind. Von vorne bis hinten. Doch halt! Es schwirrt das böse Wort „Neueinspielung“ durch das Internet. Neueinspielung? „Clayman“ neu einspielen? Wieso? Weshalb? Warum? Was fehlt dem Album denn? Ist doch gut, so wie es ist?

Jetzt sind Neueinspielungen von Alben ja per se nichts Schlechtes. EDGUY haben seinerzeit „Savage Poetry“ unter dem Namen „The Savage Poetry“ neu eingespielt und das war wirklich gut so, denn das ursprüngliche Album hatte einen – nennen wir es „bescheidenen“ – Sound. NEVERMORE haben „Enemies Of Reality“ neu abmischen lassen, damit das Album besser klingt. Auch das war eine gute Entscheidung. Und so lassen sich bestimmt noch mehr sinnvolle Beispiele finden. Aber „Clayman“? Ich wiederhole mich: Was fehlt denn diesem Album bitte?

Aber gut. „Clayman“ wird ja nicht nur 20 Jahre alt, IN FLAMES werden 30 Jahre alt und sowas will ja gefeiert werden und warum soll man nicht den neuen Fans, die zum Teil bei Erscheinen des Albums noch gar nicht geboren waren, nicht mal den alten Kram näher bringen? Also hat man „Clayman“ von Ted Jensen remastern lassen. Meinetwegen. Klingt jetzt nicht so viel anders als Original. Nur dumpfer. Aber das scheint ja ohnehin der neue Trend im Metal zu sein. Statt knackigem, fettem Sound dieses dumpfe Zeug. Wenn’s schön macht… meins ist es nicht. Aber alles in allem kann ich damit gut leben.

Aber dann. Rein objektiv muss man sagen: Die Band hätte auch einfach das remasterte Album auf den Markt schmeißen können. Sie hätte auch einfach ein paar alte, unveröffentlichte Songs aus der Schublade kramen können, und die als Bonussongs dazu packen können. Oder Demoversionen. Was man halt so zu Hause rumliegen hat. Aber sie haben sich die Arbeit gemacht vier Songs des neuen Albums neu einzuspielen (zum Glück nicht alle). Der gute Wille war also da. Dazu gibt es noch was ganz anderes: „Themes And Variations In D Minor“ ist ein Arrangement diverser Melodien des Albums für Streicher als reines Instrumental, komponiert von Johannes Bergion. Nett (nee, eigentlich ist es sogar ziemlich gut). Kann man machen, muss man aber nicht. Deutlich interessanter hätte ich es gefunden, wenn die Band den ein oder anderen Song mit Orchesterbegleitung neu eingespielt hätte. Das wäre zwar auch nicht das Rad neu erfunden gewesen, aber halt deutlich spannender als dieses Instrumentaleinsprengsel, das zwar nicht schlecht ist (je länger ich drüber nachdenke, desto mehr denke ich, dass es das Beste an dieser Albumversion ist), aber überhaupt nicht zum Rest passt.

Ja, und dann kommen die neu eingespielten Songs. Meine größte Angst war ja, dass das komplette Album neu eingespielt wird. Spätestens nachdem „Clayman“ vorab veröffentlicht wurde. Denn da dachte ich schon: „Hui. Einen echt guten Song selber schlechter machen – da gehört schon auch irgendwie Talent dazu“. Der Charme von normalen Neueinspielungen liegt ja gerade darin, dass man Songs, bei deren Ersteinspielung man einfach gewisse Mittel, sei es nun Geld oder Equipment, nicht hatte, nun hat und die Songs besser spielen kann. Oder Songs haben sich mit der Zeit live in eine andere Richtung entwickelt. Oder man probiert mal was ganz neues aus und interpretiert die eigenen Songs in einer ganz anderen Richtung.

In gewisser Weise machen IN FLAMES das auch. Die Songs sind an den Sound der heutigen IN FLAMES angepasst. Und die sind alt und haben keinen Wumms mehr. Und Anders Fridén war zwar noch nie ein guter Sänger, lässt es jetzt aber erst so richtig raus. Und ich muss es so hart sagen: Heilige Scheiße. So klingen also „Only For The Weak“, „Bullet Ride“, „Pinball Map“ und „Clayman“ mit angezogener Handbremse gespielt und schlechtem Gesang. Kann ja mal passieren. Aber muss man das dann auch noch aufnehmen? Und dem Ganzen auch noch diesen furchtbaren dumpfen, unpersönlichen Sound verpassen?

Die Neueinspielung von „Only For The Weak“ finde ich ja schon schlimm. Der Song ist einfach zu langsam. Und der Gesang von Anders kaum zu ertragen. Aber das schlimmste hat man sich zum Schluss aufgehoben. Zumindest, was das Album angeht, zeitlich gesehen hat man uns ja schon vorab mit „Clayman“ erschreckt. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Schon beim ersten Hören wollte ich beim Intro kotzen. Und auch beim 20sten Mal hören möchte ich beim Intro einfach nur kotzen. Warum? Was soll diese lieblos hingeklatschte programmierte Softiemelodie? Immerhin wird es danach besser, überzeugen kann das hier aber trotzdem nicht (zumal die Handbremse immer noch angezogen ist).

Angedeutet hat das alles sich ja irgendwie schon mit dem Cover von DEPECHE MODEs „It’s No Good“. Schon da hat meine ehemalige Lieblingsband einen meiner Lieblingssongs einer meiner Lieblingsbands gnadenlos zerstört. Jetzt machen sie bei den eigenen Songs weiter. Und ich bin mir nun sicher: Nein, ich verstehe diese Band nicht mehr. Ich verstehe nicht, was das hier soll. Und ich will es auch gar nicht verstehen. Ich hab’s jetzt gehört, ich werde es nicht kaufen und ich werde es mir nicht mehr anhören. Braucht einfach kein Mensch. Grundidee gut, Umsetzung gruselig. Zumindest für die alten Fans. Vielleicht finden 15jährige sowas ja auch toll. Ich weiß es nicht. (Anne)

 

Anne4,5 - / -

Anzahl der Songs: 16
Spielzeit: 65:20 min
Label: Nuclear Blast Records
Veröffentlichungstermin: 28.08.2020

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