Wenn es eines ist, was mich an Musik fesselt, dann hemmungslose Emotionen. Und wenn es dann eines ist, was ich nicht kann, dann einen Text auf Knopfdruck aus mir heraus purzeln zu lassen. Nicolas Perrault macht, seit ich ihn das erste Mal im Jahr 2012 live auf einer Bühne erlebt habe, Musik bei der er mit jeder Note sein Innerstes nach aussen kehrt.
Einem breiteren Publikum ist er als Bassist und Produzent der Sludgedoomer RAGE OF SAMEDI bekannt, aber auch als Oneman-Show nur mit seiner Stimme und einer Gitarre bestückt, tingelte er durch so manchen Pub. Aber auch als Toningenieur verhilft er so mancher Band zu einem gut klingenden Liveauftritt.
Nachdem der Multi-Instrumentalist im September 2019 seine schon dritte EP „Wayback“ veröffentlichte hat, folgt mit „Shadows Cast At Down“ nun das erste Album, „streng“ nach DIY-Manier, über sein eigenes Label „Yew & Holly“.
Aber was erwartet den Hörer nachdem er sich wagt „Play“ zu drücken und dann das Intro erklingt?
Ein beängstigende Szenerie baut sich im Kopf auf. Ein Soundtrack wie aus einem Psychothriller untermalt einen gesprochenen Text, der von einer alien-artig verfremdeten Stimme vorgetragen wird. Es sind keine Ausserirdischen zu erkennen, aber eine Gestalt, die vom Spielfeldrand das Treiben der Menschen kommentiert.
Das apokalyptische Intro verklingt - es wird dunkel.
Verhalten aber erhaben beginnt „Oceanic“. Die Gitarre spielt eine traurige Melodie, die sich durch den Song zieht. Nicolas sonore Stimme begleitet diese, das Schlagzeug setzt ein und intensiviert die bedrückende Stimmung. Plötzlich bricht sich ein Stimmungsausbruch bann, wie Wellen die an den Strand schwappen und alles umspülen.
„Fires Within“ beeindruckt durch spärliche Instrumentierung plus verzweifelt klingender, tiefer voluminöser Stimme, tief aus dem Bauch heraus.
Ebenso „Edge Of Forever“ und das Stück „Forest“ welches mit dunkler Schönheit eine nicht enden wollende Gänsehaut erzeugt und mich an den Rand der Tränen treibt.
Das mit Tränen umzäunte „Leave Me To The Waves“ wirkt wuchtig und mit langsam fliessenden Melodien, welche sich selten über ein paar Noten hinaus bewegen. Dazu eine dunkelwabernde Grundmelodie, welche wie ein bedrohlich, sich annähernder Hornissenschwarm wirkt, jedoch zum Glück vorbeizieht.
Die sehr gut umgesetzte Neueinspielung von „Empires“ lässt Nicolas großartiges Talent zum Folk-Noir erkennen. Der Song wird, wie auch in anderen Stücken, von einer Art düsterem Cello untermalt. Hier zeigt sich gut, dass harte Musik nicht unbedingt mit einem im schnellen Takt auf einen Amboss fallenden Hammer erzeugt werden muss.
Nicolas macht Musik im Randbereich von vielen Genres, die hier nur angerissen oder sogar ganz verlassen werden (also mit Instrument in der Hand, mit dem man gerade noch Sludge-Doom gespielt hat, komplett das Genre verlassen, um jedoch den Sound beizubehalten). Das finde ich prima, denn in diese Bereiche verirrt sich kein Trve-Metaller und man hat seine Ruhe.
Er sitzt quasi am Strand während glühende Lava an ihm vorbei ins Meer zieht, eine tiefer gestimmte Gitarre spielt, schreit und singt
Nicolas schafft es seinen im Innern tobenden Sturm wie die Angst und die Unsicherheit in Klänge und in Musik zu verwandeln. Die pure Verzweiflung bricht nach aussen und erbricht sich in einen Soundtrack des Leidens. Ich kann diese Qualen sehr gut nachvollziehen. Es fällt mir daher nicht leicht mir das anzuhören, quasi so, als würde mir jemand etwas furchtbares erzählen und ich gerate darüber in Entsetzen.
Dazu hat er all sein Wissen über Musik und Arrangement in Form gegossen, entgratet, sandgestrahlt und eine schwere, wuchtige und trotzdem transparente Produktion erreicht, die zu jeder Zeit organisch klingt. Bei jedem Hördurchgang entdecke ich neue Layer und Verästelungen der Stimme, jedoch kann ich mir das nicht oft anhören.
Das Album erzählt doch mit jedem Male erneut von der inneren Geschundenheit und Kämpfen von Hoffnungslosigkeit. Aber es erzählt auch davon, dass man sich dessen stellen und es auf irgendeine Art und Weise rauslassen und bekämpfen sollte, um diese Last nicht mehr mit sich herumtragen zu müssen. Wunden verheilen, die Erinnerung bleibt. Aber in jede Dunkelheit scheint irgendwann ein Lichtstrahl und zeigt den Weg Richtung freundlich duftendem Sommertag.
„Shadows Cast At Down“ ist ein düsteres-atmosphärisches Meisterwerk mit der mitreissenden Kraft der Gezeiten! Wichtiger Hinweis am Rande: Nicht beim Autofahren hören! (Andreas)
Bewertung:
9 / 10
Anzahl der Songs: 7
Spielzeit: 41:42 min
Label: Yew & Holly
Veröffentlichungstermin: 20.05.2020
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