Es gibt immer mal wieder Musik, die lernt man erst später zu schätzen! Im Jahr 2016 besuchte ich das PsyKA-Festival in Karlsruhe und lernte dort eine unfassbare Vielfalt an Musik kennen, wovon ich heute noch zehre. Unter anderem spielten auch GIÖBIA aus Mailand eine ziemlich aufregende und überirdische Variante des Classic Rock. Die Bühne war gespickt mit Bodentretern und das Keyboard sah sehr nach einer Kommandozentrale eines Raumschiffs aus einem Weltraumabenteuerfilm aus.
Der Nebel waberte scheinbar im Gleichtakt zum Sound. Ich machte Fotos vom Auftritt, aber die Musik ging erstmal nicht an mich dran. Beeindruckt bzw. fasziniert war ich dennoch. Ein wenig Recherche genügte damals um herauszufinden, dass die Italiener gerade mit dem Album „Magnifier“ unterwegs waren und eine feste Größe in der Stoner-Kraut-Psychedelicrock Szene sind. Spannend auch die Geschichte zum Bandnamen: GIÖBIA ist der Name eines vorchristlichen Festes in Norditalien, während dem eine Strohpuppe in Gestalt einer Hexe (im Ernst?) verbrannt wurde, um so die Naturgewalten zu besänftigen. Also alles etwas esoterisch-übersinnlich angehaucht und was nicht erklärt werden kann oder muss behält auch seinen Zauber.
Den Sound der vier Musiker nennt man ganz einfach Space-Rock. Dazu fällt mir als erstes HAWKWIND ein, um den Sound zu beschreiben. Jedoch nicht so kauzig. Ein wenig frühe PINK FLOYD, etwas frühe GENESIS, oft BEATLES und THE DOORS. Ja, das sollte man alles schon mögen, um mit GIÖBIA warm zu werden.
Mit Hingabe mischen GIÖBIA den psychedelischen Sound der 60er Jahre mit Ausflügen in die 70er bis hinein in die späten 80er (siehe MIKE OLDFIELD, GIOGRIO MORODER).
Die Mantra-artigen Passagen sind oft durchsetzt mit lospreschendem Heavyrock („In The Dawn Light“) mit kräftigen fuzzigen Riffs oder exotisch anmutender Experimente mit einer Vielzahl verfremdeter Instrumente („The Escape“), die sich zu einem vielschichtigen Sound mischen, der einem erst nach mehrmaligem Hören all seine Facetten zeigt.
Was mir gut gefällt ist, dass da tatsächlich vier Musiker am Werk sind. Man hört einen richtigen Schlagzeuger namens „Betta“, den jederzeit hörbaren Bassisten „Detrji“, dann „Bazu“, der für die Stimme und sämtliche Saiteninstrumente zuständig ist und „Saffo“, die Frau, die die Kommandoeinheit unter ihren Fingen hat und mit dessen Tasten und Knöpfen locker ein Raumschiff aus „Kampfstern Galactica steuern könnte.
Vermutlich war es diese überbordende Vielfalt, die mich damals, dank zusätzlich suboptimaler Akustik der Halle, am Sound der Truppe verzweifeln lies. Hier muss alles stimmen, dass die Soundtrack-artige Musik mit der Lichtshow ein stimmiges Ganzes ergibt. Per Kopfhörer, also ausgeschalteter Raumakustik, ist das mit geschlossenen Augen eine herrlich psychedelische Achterbahn. Hier verdirbt mir jedoch der übertriebene Halleffekt, gerade bei dem selten vorkommenden Gesang, etwas das allgemeine Hörvergnügen und der Sound selbst ist mir zu blutarm bzw. nicht erdig genug. Mehr Kritik habe ich nicht, denn dazu ist das Album einfach zu kurzweilig und facettenreich. Hört euch mal die komplette Diskografie der Mailänder an, um einen guten Überblick über ihr Schaffen zu bekommen. Gut Ding will Weile haben und so haben GIÖBIA über vier Jahre nach „Magnifier“ mit dem neuen Album „Plasmatic Idol“ ein bemerkenswertes Werk erschaffen, welches ihre Vorreiterrolle in der Szene weiter stärken wird. (Andreas)
Bewertung:
8,5 / 10
Anzahl der Songs: 8
Spielzeit: 44:30 min
Label: Heavy Psych Sounds
Veröffentlichungstermin: 07.02.2020