Interview mit Glenn Hughes

Vor dem Konzert im Capitol in Mannheim hatte ich dank Brooke-Lynn-Promotion und Birgit (Danke vielmals) noch die große Ehre mit GLENN HUGHES persönlich ein Interview zu führen. Heraus kam dabei ein interessantes und unterhaltsames Gespräch, das einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen hat und einmal mehr zeigt, wie wichtig Musik im Leben ist.

Pascal: Hallo Glenn, danke für deine Zeit.

Glenn: Sehr gerne, von welchem Magazin bist du nochmal?

Pascal: Neckbreaker.de. Wir sind ein Online-Magazin, das musikalisch sehr breit aufgestellt ist.

Glenn: Interessant. Normalerweise lese ich bei Online-Magazinen sehr viel mit “Metal” im Titel, aber ehrlich gesagt war ich nie ein “Metal”-Typ.

Pascal: Das ist mir durchaus bewusst. Dein neues Album “Chosen” ist dennoch sehr heavy geworden.

Glenn: Oh ja, meine Musik ist sehr dramatisch. All meine Musik, die ich bisher in meinem Leben geschrieben habe, ist sehr R’n’B-Heavy-Groove-Funk-Musik.

Pascal: Vor allen Dingen “Groove”. Wenn ich an dein letztes Album “Resonate” und an den Song “My Town” denke, bläst es mich jedes Mal weg. Ähnlich geht es mir aber auch mit dem neuen Material, einfach unfassbar gut.

Glenn: Yeah, vielen Dank.

Pascal: Du hattest jetzt keine wirkliche Verschnaufpause, wenn ich das richtig im Blick habe, seit den Terminen mit BLACK COUNTRY COMMUNION, richtig? Geht alles Schlag auf Schlag.

Glenn: Es war sehr viel los dieses Jahr, aber ich arbeite auf die Art und Weise bis ungefähr Dezember, dann habe ich Freizeit. Wobei ich inzwischen immer einen Tag mindestens zwischen den Konzerten frei habe. Wenn ich jetzt z.B. an das Konzert diesen Mittwoch in der Schweiz denke, ist es gut, dass ein Tag dazwischen liegt, dann passt das. Wenn ich einen Tag dazwischen frei habe, bin ich richtig gut, ungefähr so, wie es beim Trinken wäre (lacht).

Pascal: Bist du zufrieden mit “Chosen” und dem bisherigen Erfolg des Albums?

Glenn: Oh ja, absolut. Wenn ich mich hinsetze und mit dem Schreiben anfange, weiß ich immer recht schnell, was für eine Art von Album es wird. Es ist ein dramatisches Rock-Album geworden, es hätte mehr Funk und Groove vertragen, aber ich war letztes Jahr einfach nicht in der Stimmung dafür. Ich war gerade erst für sechs Monate auf Tour mit meiner Band, kam nach Hause und schrieb das Album. Ich bin glücklich damit, es verkauft sich bisher besser als alle vorherigen Alben.

Pascal: Glückwunsch dazu, absolut verdient. Hat Søren beim Schreibprozess viel Einfluss auf die Songs gehabt? Oder schreibst du alles alleine?

Glenn: Ich schreibe alles alleine. Wir arrangieren es dann und grooven uns gemeinsam ein.

Pascal: Ihr arbeitet jetzt ja auch schon eine ganze Weile zusammen.

Glenn: 17 Jahre.

Pascal: Wow, ich muss gestehen, dass mir das gar nicht bewusst war, cool. Woher nimmst du in der heutigen Zeit noch deine Inspiration? Bei vielen Bands, die schon lange dabei sind, stumpft die Musik leider häufiger etwas ab. Das Gefühl habe ich bei dir zu keinem Zeitpunkt, du überraschst immer wieder.

Glenn: Ich schreibe immer, ich bin einfach so. Ich schreibe nicht gezielt ein Album, sondern tatsächlich jeden Tag ein bisschen Musik oder Poesie. Ich nehme die Sachen auch tatsächlich auf und höre später nochmal rein. Jedes Jahr ist für mich etwas anders, aus der Sicht eines Schreibers. Wenn ich mir meine Musik aus den Siebzigern anhöre, klingt das alles völlig anders, auch die Texte sind völlig anders. Die Art und Weise, wie ich singe, ist heute auch anders. Ein anderer Ton, eine andere Art und Weise zu leben. Mein Körper ist gesund, und wenn mein Körper gesund ist, ist mein Verstand gesund und das können die Menschen hören.


GlennHUghes promo

"Chosen" Artwork


Pascal: Wo du gerade deine Stimme erwähnst. Glenn, es ist unfassbar, wie gut deine Stimme noch immer klingt. Wie schaffst du das? Wie hältst du deine Stimme fit, speziell auf Tour?

Glenn: Früher, als ich bei Purple war und auch später, dachte ich jeden Abend darüber nach: "Schafft es meine Stimme?”, “Bin ich krank?”, “Werde ich krank?” und machte mir Sorgen, das mache ich nicht mehr. Seit ich mich vor fünfzehn Jahren mit Buddhismus beschäftigt habe, habe ich aufgehört, über Krankheit, über die hohen Töne, über den nächsten Song oder über das Essen später nachzudenken. Ich bleibe einfach im Hier und Jetzt, meinem Körper geht es gut, ich kann die ganze Nacht singen.

Pascal: Das klingt gut, eventuell sollte ich mir davon eine Scheibe abschneiden.

Glenn: Die Leute fragen mich immer, wie ich das anstelle und ich antworte dann, dass ich unfassbar dankbar bin dafür, dass es noch immer funktioniert und die Stimme so klingt.

Pascal: Absolut, ich habe immer deine Version von “Burn” im Kopf vom Jon Lord Tribute-Konzert, welches du zusammen mit Bruce Dickinson gesungen hast. Nichts gegen Bruce, er ist ein großartiger Sänger, aber deine Stimme hat mich derart umgehauen bei dem Song. Ich liebe diese hohen Töne.

Glenn: Ich wärme die Stimme jeden Abend noch auf und ein guter Soundcheck ist verdammt wichtig. Wenn ich später raus gehe, gehe ich raus und spiele einfach. Ich denke nicht darüber nach.

Pascal: Wie wichtig sind dir Kritiken deiner Musik?

Glenn: Oh, gute Frage, das fragt nie jemand. Wenn ich heutzutage ein Album mache, mache ich das in erster Linie für mich, und nicht für eine Plattenfirma, nicht für eine bestimmte Gruppe von Leuten, also zum Beispiel nicht für südamerikanische Fans oder japanische Fans, sondern für mich. Wenn ich mich gut mit der Musik fühle, fühlen das auch hoffentlich alle, die sie hören. Bezüglich Kritiken, jeder hat seine Meinung, wirklich jeder. Wenn vor ein paar Jahren jemand etwas Schlechtes über mich geschrieben hat, wurde ich wütend. Das ist nicht mehr so, wenn das heute vorkommt, ist das ok für mich. Jeder hat eine Meinung und in der heutigen Zeit, in der heutigen Welt, hat jeder seine Ansichten. Ich als Schreiber denke nicht darüber nach, ich schreibe Musik und nehme sie einfach auf.

Pascal: Gut zu wissen, das erklärt auch, weshalb alles immer so frisch klingt. Natürlich hat jeder seine Meinung, da schließe ich mich auch nicht aus. Aber es geht in erster Linie um die Musik, und die nimmt natürlich jeder anders wahr.

Glenn: Weißt du, die Leute sagen zum Beispiel zu mir so Sachen wie “Glenn, wir wollen dieses Mal etwas, das etwas anders klingt” und ich gebe ihnen darauf keine Antwort. In der heutigen Welt sagt dir jeder was du tun sollst, was du anziehen sollst, was du essen sollst, wie du aussehen sollst und das juckt mich nicht. 74 Jahre und ich bin endlich an diesem Punkt angekommen. Ich bin seit 30 Jahren weg von Alkohol und Drogen, ich habe ein großartiges Leben, eine großartige Frau, eine großartige Band, großartige Freunde,... Einerseits interessiert es mich, aber andererseits interessiert es mich nicht, was die Leute sagen.

Pascal: Auch ein Punkt, den ich mir gut merken sollte (lacht).

Glenn: Ja, lass los. So mache ich das auch bei meiner Musik.

Pascal: Was ist für dich der beste Teil an einem Abend wie heute?

Glenn: Ich mag es, wenn ich auf der Bühne stehe, mit dem Publikum kommuniziere und etwas zurückkommt. Ich bin nicht für mich da, wir sind zusammen da, ich gehe auf die Bühne um das Publikum zu sehen und bin dafür weit angereist. Du wirst verstehen und fühlen, was ich meine, wenn du ein Konzert von mir erlebt hast. Es fühlt sich für mich natürlich an. Viele Künstler sagen sowas wie “Hello Cleveland”,.. “Hello Mannheim”... es ist jeden Abend das gleiche, bei mir nicht.

Pascal: Das unterscheidet meiner Meinung nach ein Konzert von einer Show.

Glenn: Ich erzähle Geschichten zu den Songs, aber der Rest kommt aus dem Bauch. Ich habe kein Skript oder einen Ablauf im Kopf, es kommt einfach natürlich aus mir heraus.


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Pascal: Wenn du auf deine gesamte Karriere zurückblickst, hast du da einen bestimmten Teil, der dir am besten gefallen hat?

Glenn: 1970-1973. Ich war ein Teenager und lebte bei meinen Eltern. Ich hatte kein Geld und dachte auch nicht über Geld nach. Alles woran ich dachte, war Musik schreiben und spielen, überall in Amerika, immer, so viel es ging. Es war so erfolgreich. Aber was ist Erfolg? Ist Erfolg Bekanntheit, Geld, Drogen? Erfolg war für mich, nie stehen zu bleiben und eine Identität als Schreiber zu haben und vor allen Dingen als junger Mann keine Angst zu haben. Das war Erfolg für mich.Das mit dem Geld und den globalen Konzerten kam später. Aber in meinen jungen Jahren vor fünf Leuten an einem Abend live zu spielen und dann mit DEEP PURPLE 1973 vor 10000 Leuten pro Abend. Das war damals extrem wichtig für mich, bevor später das ganze Geld kam usw.

Pascal: Das glaube ich und es ist sicherlich ein Unterschied, ob man vor fünf Leuten alles gibt oder vor 10000. Aber bei beidem sollte ein guter Musiker keinen Unterschied machen und ich denke mal, dass du das du nie getan hast.

Glenn: Das sagen die Leute so. Es gab Zeiten, in denen ich nicht besonders glücklich war, aber nie beim Singen. Wenn ich die Augen schließe und wieder öffne und sehe, dass noch Leute da stehen, die zuhören, ist das ein gutes Gefühl.

Pascal: Hast du je darüber nachgedacht, ein zweites Buch zu schreiben?

Glenn: Ja, diese Woche habe ich realisiert, dass ein zweites Buch geschrieben werden muss. Du bist der Erste, der davon erfährt, es wird geschrieben.

Pascal: Das sind großartige Neuigkeiten, es liegt zwar schon eine Weile zurück, dass ich dein Buch gelesen habe, aber es war sehr unterhaltsam.

Glenn: Es sind nun 15 Jahre vergangen und das nächste Buch wird für mich eine Fortsetzung, aber ich werde auch über Dinge sprechen, die ich im ersten Buch etwas ausgelassen habe. Ein paar Punkte sollten noch etwas deutlicher gemacht werden, ich werde aber nicht nochmal die gleichen Themen auf den Tisch bringen. Ich hatte seither drei Operationen, dann kam noch die Aufnahme in die Rock and Roll Hall Of Fame und es ist großartig gelaufen seither. Es ging nicht bergab für mich, das Publikum ist eher gewachsen in der Zeit.

Pascal: Auch mit BLACK COUNTRY COMMUNION ist einiges passiert.

Glenn: Oh ja, ich liebe BLACK COUNTRY COMMUNION.


"Ja, diese Woche habe ich realisiert, dass ein zweites Buch geschrieben werden muss."

Glenn arbeitet an einer weitere Biografie


Pascal: Auf dem Tourplakat steht lediglich Hughes/Iommi, aber nicht BLACK SABBATH. Und auf der Setlist ist ebenfalls kein Song von “Seventh Star”.

Glenn: Du möchtest sicher wissen warum oder?

Pascal: Ja.

Glenn: Es ist nicht mein Favorit. Tony ist großartig, aber für mich… Zu der Zeit, als ich das Album aufnahm, war ich nicht betrunken oder high, aber zu der Zeit war ich nicht der Mann, der ich heute bin. Ich habe das Album für Tony gemacht, er brauchte mich damals. Ich werde also nichts von “Seventh Star” spielen, dafür aber von “Fused”.

Pascal: Auch eine gute Wahl und “Seventh Star” ist für dich auch weiterhin ein Iommi-Solo-Album und kein BLACK SABBATH Album, richtig?

Glenn: Es erschien unter dem BLACK SABBATH-Banner, aber es ist ganz klar ein Soloalbum von Tony. Das Album war fertig und John und Warner Bros waren der Meinung, es solle unter dem BLACK SABBATH-Banner erscheinen, worüber Tony sehr verärgert war. Ich habe diese Texte auch nicht geschrieben.

Pascal: Siehst du eine Chance, dass ihr nochmal zusammen was macht?

Glenn: Die Tür ist immer offen, wir sind gute Freunde. Es würde mich nicht überraschen, wenn wir nochmal was machen. Immer wenn wir uns sehen, reden wir darüber.

Pascal: Ihr seid beide viel beschäftigt.

Glenn: Ja, aber Tony schreibt immer noch.

Pascal: Gibt es noch jemand anderes, mit dem du gerne zusammenarbeiten würdest?

Glenn: Ich denke nicht. Ich brauche nicht wirklich jemanden, um erfolgreich zu sein. Ich muss nicht mit dem Typen da etwas machen, weil er gut schreibt, oder mit einer Dame, die gerade als heiß gilt. Ich bin Glenn, wie du auf “Chosen” selbst hören kannst, ich bin derzeit an einem guten spirituellen Ort, führe ein ruhiges Leben, entspannt und zurückgelehnt. Was ich nicht will, ist etwas hinterherjagen, was nicht ich bin. Ruhm, Erfolg und Glamour sind nicht das, wonach ich suche.

Pascal: Ich denke, ich weiß was du meinst, viele Collabs heutzutage sind nur auf Erfolg ausgelegt.

Glenn: Es gibt aktuell zwei Künstler, ich werde keine Namen nennen, aber du weißt von wem ich rede, ein junger Kerl der Rocksänger ist und eine ältere Band. Dieses Ding funktioniert super, aber sie funktionieren nicht immer. Ich bekam auch angeboten, mit der Band und dem Sänger etwas zu machen, aber ich habe dankend abgelehnt. Das ist nichts für mich.

Pascal: Wie stehen die Chancen für weitere BLACK COUNTRY COMMUNION-Konzerte?

Glenn: Wir haben die Tour im Juni beendet und ich habe anschließend mit Joe darüber gesprochen. Wir haben in Tschechien ein Live-Album aufgenommen, das nächsten Mai erscheinen soll. Es gibt Gespräche über weitere Konzerte, aber du hast das in der Form schon häufiger gehört. Ich sage es gibt mehr Shows, aber dann ist es auf einmal doch nicht so. Ich werde daher nicht einfach sagen, dass es weitere Konzerte geben wird, da ich es nicht mit Gewissheit sagen kann. Sollte es keine weiteren geben, waren die Konzerte im Juni spektakulär, wir hatten auch drei in Deutschland.

Pascal: Ja, ich habe euch leider in Köln verpasst, hoffentlich bekomme ich noch eine Chance. Hast du Tipps für jüngere Bands in der heutigen Zeit?

Glenn: Auf jeden Fall. Wenn du sehr jung bist und mit einem Instrument anfängst und der Musik verfällst. Dann rate ich dir, pflege dein Instrument, schlaf mit dem Instrument wie ich es getan habe, träume vom Instrument, rieche das Instrument und lebe für dein Instrument. Wenn du das für drei Jahre hinbekommst, wird es klappen. Aber hör niemals auf einen Ratschlag von irgendwem. Hör niemals auf eine einzelne Person, wenn du jung bist, unsicher bist und vor etwas Angst hast, ist das keine gute Option.


"Aber hör niemals auf einen Ratschlag von irgendwem. Hör niemals auf eine einzelne Person, wenn du jung bist, unsicher bist und vor etwas Angst hast, ist das keine gute Option."

Ein hilfreicher Tipp für jene die musikalisch Fuß fassen wollen.


Pascal: Wie siehst du den momentan Stand der Musikindustrie, gerade mit dem ganzen Streaming-Kram?

Glenn: Ich habe kein Spotify, natürlich ist “Chosen” dort zu finden, weil es Frontiers für mich dort hochlädt und ich es erlaube. Aber lass mich da deutlich sein, der Typ, der Spotify gegründet hat, ist Billionär. Ältere Künstler wie ich, oder auch jüngere können eine Millionen Streams haben und damit gerade Mal 300$ machen. Es geht nicht um mein Geld, ich bin an dem Punkt angelangt, an dem ich rein aus finanziellen Gründen aufhören könnte. Aber ich mag Leute nicht, besonders Business-Leute nicht, die Künstler ausnehmen. Es funktioniert nicht für mich. Ich liebe PRINCE und wofür er stand, er ist alles für mich. Aber diese Art von Spotify,... eine Art Sklave zu sein, nein. Funktioniert nicht für mich.

Pascal: Ich weiß genau was du meinst und bin auch nicht sicher, ob das in irgendeiner Form besser werden wird.

Glenn: Wird es nicht. Es wird eher schlimmer.

Pascal: Danke für deine Zeit in jedem Fall! Ich freue mich auf das Konzert heute Abend und wünsche dir alles Gute.

Glenn: Gern geschehen. Viel Spaß.


GlennHUghes promo

(Fotocredit: Leo  Baron)



(Bildquellen. Live-Fotos Frank Friedrich für Neckbreaker.de, Promo-Fotos: Leo Baron für Frontiers )