Greta Van Fleet - The Battle At Garden´s Gate

gretavanfleet thebattleatgardensgatenb mehrfachwertungUm keine andere Band wurde in den letzten Jahren so ein Hype veranstaltet, kaum eine andere sorgte für so viel Kontroversen. Ihr kommender zweiter Longplayer dürfte das am sehnlichsten erwartete Album des Jahres sein, der Vierer sicher der Hoffnungsträger des Rock schlechthin, eigentlich der ganzen wahrhaftigen Musik. GRETA VAN FLEET haben mehr als alle anderen der letzten Jahrzehnte das Zeug dazu, sämtliche Szenen, Generation und Lager zu vereinen, dem Rock seine Würde zurück zu geben. Gegen die Messias-Aufgabe, die auf die Jungs zukommt nimmt sich die Leistung von HAMMERFALL vor gut einem Vierteljahrhundert als morgendlicher Gang zum Bäcker heraus. Ist „The Battle Of Garden´s Gate“ tatsächlich der leuchtende Stern aus der derzeitigen Dunkelheit heraus?.

Bereits der Titel des Albums ist recht kryptisch, nicht die schlechteste Intention, wenn man den Hörer dazu bewegen will, sich mit Hilfe von Musik in andere Welten zu denken. Es könnte eine Anspielung auf die aktuelle Situation im Medienbusiness sein. Wenn man den Garten als Synonym für die schönen Künste, für die Muse und die Liebe nimmt, dann ist da wirklich eine Schlacht entbrannt. Eine Schlacht, bei der die Bedrohung in Gestalt von Ausverkauf, Missbrauch durch Ideologie und Belanglosigkeit die Bastion der Leidenschaft und Freiheit belagert.

Natürlich sind da nach wie vor die Plagiatsvorwürfe, welche sie auf ihrem neuesten Werk immer mehr zerstreuen können. Vielmehr schält sich heraus, dass es sich dabei um ihre eigene Handschrift handelte, die sich aber erst aus dem Schatten des übermächtigen Vorbildes befreien musste. Im Prinzip haben sie nur deren Weg von dort an weitergeführt, wo einst der Kompass über Bord ging und die Nadel in alle Richtungen ausschlug.
Es war die Symbiose aus urwüchsigem Folk und lautem revolutionärem Rock, den LED ZEPPELIN einst in Angriff nahmen, den sie in „Over The Hills And Far Away“ nahezu perfektioniert haben und den jetzt die Burschen aus Michigan vollenden. Sie verschmelzen die archaische Wucht und die heimeligen Melodien zu einem großen Ganzen, tänzeln traumwandlerisch auf den Reibungspunkten herum.

Das kommt natürlich ihrem unglaublichen Talent entgegen, ihr jugendlich naives Ungestüm mit diesem unglaublich erwachsenen Songverständnis zu paaren. Damit stellen sie dem allgemeinen Schielen auf Streaming-Airplay jene feinfühligen Arrangements und massive Dynamik entgegen, welche den Rock in seiner Hochzeit auszeichneten. Als weiteres Indiz ihrer Vorschusslorbeeren kann man die Formalie des Familienunternehmens der Kiszka-Brüder werten, welche die Hoffnung gibt, dass alle an einem Strang ziehen. Obwohl das mit dem Kommunendasein bei den BLUES PILLS auch nicht die erwarteten Früchte trug.

Wobei hier die Parallelen auf der Hand liegen, erfolgreiche EP, starkes Debüt und dann der schwierige Nachfolger, den die international besetzte Truppe gut meisterte. Analog dazu setzen auch GRETA VAN FLEET bei ihrem Zweitwerk auf ruhigere Klangfarben, ohne dass sie sich auch nur im Entferntesten anbiedern würden. Atmosphäre heißt das Zauberwort und die geistert durch die ganze Stunde dieser Langrille. Was ihnen hier mit ihrer Kompositionsgabe gelingt an Bildern in die Köpfe des Zuhörers zu projizieren ist schlicht großartig und belegt einfach ihr tiefes Verständnis.

Exemplarisch sei nur das schwermütig voran mahlende „Age Of Machine“ genannt, bei dem die Bedrohung durch eine zu hohe Technisierung geradezu greifbar wird. Das hypnotische Feeling kennt der Fan schon von den vorherigen Veröffentlichungen, hier wird es noch weiter ausgebaut. Es zieht einen hinein, nimmt komplett mit. Immer wieder wird man durch Aufbau von großem Pathos oder knalligen Momenten aus der Versunkenheit heraus gerissen, nur um dann noch mehr in den Strudel der Ereignisse mit hinein gezogen zu werden. Man schaue nur wie das Schlagzeug die Harmonie aus Orgel und Gitarre in „The Barbarians“ umspielt, hier sitzt jedes Detail bis zur Perfektion.

Gerade Danny Wagner malt förmlich mit seinen Sticks, setzt diese so punktgenau ein, dass die Arrangements aufflammen und die Kompositionen in alles vereinnahmende Flächenbrände verwandeln. So spontan das Duell mit den sechs Saiten bei „Built By Nations“ wirkt, so vollkommen ausgereift klingt es dennoch. Genauso wie selbst aus den ausgefeiltesten Nuancen immer noch eine ungemeine Frische sprudelt. So hat schon lange keine Band mehr das komplette Vokabular des Rock beherrscht. Das liegt auch an Wagner, der eben die clevere Songanlage mit seiner Direktheit näher an den Hörer heran führt.

Jene direkte Richtung ist im Klangbild verankert, welches trotz bombastischen Anflügen immer noch ursprünglich und luftig erscheint. Schon die Orgel von Samuel Kiszka beim Opener „Heat Above“ ist eine Offenbarung, die Authentizität lässt die Herzen der Musikliebhaber höher schlagen, alles tönt so echt und klar. Vielleicht könnte man Joshua Kiszka nicht nur beim Auftakt vorwerfen, etwas einfallslos zu agieren, wenn er sich immer wieder in seinen „Whoa“ – und „Lalala“-Intonationen verliert.
Doch das wäre zu kurz gedacht, denn bei vielen Livejams nutzt er seine engelsgleiche Stimme ebenfalls als zusätzliches Instrument. Schon alleine seine bedeutungsschwangeren Lyrics, die extraordinäre, intelligente Melodieführung und seine schillernde Emotionalität sind auf derart hohem Niveau anzusiedeln, dass sich jeglicher Vorwurf verbietet. Wenn sie vielmehr eines von Page und Plant gelernt haben, dann wie man mittels Symbolik seinen eigenen Mythos befeuert.

Jene Symbolik findet sich auch zuhauf auf dem Coverdesign, das „The Battle At Garden´s Gate“ zu einem Gesamtkunstwerk macht. Hier muss man sich einfach die Vinylversion mit dem Reliefdruck auf der Innenseite des Gatefolds und seinem riesigen Booklet zulegen. Die rauschhaften Bilder der Musik werden perfekt visualisiert, lassen noch leidenschaftlicher eintauchen. Wenn dann mal ein sattes Riff herein kracht, dann wirkt es noch gewaltiger, wie etwa in der Aussteigerhymne „My Way Soon“. Die erste Single, ein treibender, späthippiesker Rocker, darf in dessen Kraftfeld wunderbar swingen.

Gitarrist Jacob Kiszka trägt den Sound auf eine neue Stufe, die mit dem Wechsel des Artworkkünstlers und Produzenten einher ging. Seine Magie kommt durch die Arbeit von Greg Kurstin am besten zur Geltung. Wenn er in der ungemein eindringlichen, gänzlich kitschbefreiten Ballade „Broken Bells“ zum Solo ansetzt, hört man jede Saiten einzeln schwingen, man glaubt auf ihnen zu balancieren, während er sie anschlägt.
Bei jedem Lebewesen, dass zu Empfindung fähig ist, muss da der Wasserpegel in den Augen dramatisch ansteigen, so nah war die Welt in den letzten fünfzig Jahren nicht mehr an „Stairway To Heaven“. Am Ende setzt er im grandiosen Epos „The Weight Of Dreams“, wo er ebenso auf zwölf Saiten brilliert, sogar noch einen drauf. Von den Flügeln der Streicher getragen schwebt er unaufhaltsam empor, soliert sich endgültig Richtung Nirvana, Unendlichkeit und Transzendenz.

Was kaum einer für möglich gehalten hat ist eingetreten, die Fackel der Hoffnung ist nicht unter dem Druck erloschen, sondern weiß sich in herausragender Manier zu behaupten, das ist wahre Größe. Wenn jetzt nur der Ruf danach die Stücke auf der Bühne zu hören so laut werden würde, dass sich die Pforten dazu öffnen. Diese Musik kann die Menschen wieder nach draußen holen, aber nicht, um sie lediglich im SUV oder TEDI zu enden zu lassen.
Nein, um sich zu diesen meisterhaften Klängen zu treffen und sie gemeinsam abzufeiern, Angesicht zu Angesicht, Arm in Arm. Dort in den großen Hallen, wo die wahre Kunst zu Hause ist, wo sich dieses grandiose Erlebnis noch besser entfalten kann, genauso wie es gedacht ist. Dort wo Freiheit mehr als nur ein Wort ist! Dort wo wir aus der Stille singen, wo die friedvollen Armeen der aus den Fugen geratenen Welt entgegen schreien: „We need some healing!“ (Pfälzer)



Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 64:03 min
Label: Republic/Lava/Universal
Veröffentlichungstermin: 16.04.2021

Bewertung:

Pfaelzer10,0 10 / 10


Maik9,0 9 / 10

Pascal7,0 7 / 10

Alex28,0 8 / 10

Anna 10,010 / 10

sarahjane 9,09 / 10

Ebi 5,05 / 10


GretaVanFleet The Battle at Gardens Tale

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