Kiko Loureiro - No Gravity

KIKO LOUREIRO - No Gravity Bei der WM hat sich Brasilien ja unerwartet früh aus dem Turnier verabschiedet – aber es gibt neben den fußballerischen Talenten vom Zuckerhut noch andere Personen, die (im wahrsten Wortsinne) von sich hören lassen können. Im konkreten Fall ist von ANGRA-Gitarrist Kiko Loureiro die Rede, der sich mal eben Drum-Legende Mike Terrana (RAGE) geschnappt hat und nun ein Solo-Album vorlegt. Nicht genug damit – „No Gravity“ ist zudem auch noch ein reines Instrumental-Album, bei dem (eben außer den Drums) Kiko alles weitere höchstselbst eingespielt hat. Wenn dann auch noch PINK CREAM69-Mastermind Dennis Ward den Produzenten gibt, darf man in dieser Konstellation sicher ein qualitativ herausragendes Werk erwarten. Ohne Frage ist Kiko technisch einer der versiertesten Saitenhexer, die sich derzeit auf diesem Planeten herumtreiben – und genau das versucht der Gute, in fast jedem der 13 Tracks überdeutlich zu demonstrieren – und das geht leider zu oft auf Kosten des Songs an sich. Als Beispiel sei hier direkt der Opener „Enfermo“ genannt – regelrecht aberwitzige Licks und Rhythmen haut Kiko einem hier um die Ohren – YNGWIE MALMSTEEN hätte seine wahre Freude – und auch THE GREAT KAT würde sicher ob der wahnsinnigen Geschwindigkeit feuchte Augen bekommen.
Hinzu kommt, dass der für seine Vielseitigkeit bekannte Drum-Gott Terrana hier durchgängig sehr synthetisch klingt – vielleicht spricht das hyperpräzise Timing zwar für sein Können, aber - um bei der Primärkritik zu bleiben – „dem Song“ tut es nicht gut, wenn die Drums wie aus dem Computer klingen…

Dabei schafft es Kiko Loureiro es durchaus, auf dem Album ein paar ansprechende Melodien und eingängige Songs unterzubringen – „Escaping“ beispielsweise geht angenehm locker ins Ohr – vor allem, weil sich der Gitarrenmeister hier mit Extravaganzen weitestgehend zurückhält und das Songgerüst überraschend schnörkellos hält. Zum Titeltrack „No Gravity“ tritt man dann mit allen vorhandenen Füßen auf die Bremse – und liefert den wohl besten Track des Albums in Form einer überragenden Ballade ab, bei der es Kiko gelingt, das extrem anspruchsvolle Spiel in einer vermeintlich einfachen Melodie zu verstecken.

Den krassen Gegensatz zu den zitierten rasanten E-Gitarren lässt Kiko dann zwischenzeitlich mit seichten Klängen der Akustik-Klampfe einfließen – oder wie in „La Force De L´ame“ in Form entsprechend ruhiger Klavierklänge – hier droht man während der ersten zwei Minuten fast einzunicken, so gemächlich geht es hier zu, nachdem Kiko sich dann zur Mitte des Songs dann aber wieder die Gitarre umgeschnallt hat, wird wieder ordentlich Gas gegeben.

Zwischenzeitlich steigt Kiko gar auf klassische Konzertgitarre um und liefert mit „Beautiful Language“ zwar ein weiteres filigranes Meisterstück seines Könnens ab – nur ist es auf diesem Album ebenso unerwartet, wie die musikalisch äußerst gelungene Mixtur aus Jazz- und Funk-Elementen bei „Tapping Into My Dark Tranquility“ – ebenfalls ruhig, aber auf eine schwer zu beschreibende Art doch lebhaft und spritzig – und damit eine hervorragende Einleitung zu „Moment Of Truth“ – dem ersten und einzigen Track, der hier wirklich als „heavy“ bezeichnet werden kann. Auch „Dilemma“ schlägt in diese Richtung und lässt anfangs gar eine wahre Monumentalnummer erwarten, die dann aber alsbald einer kleinen Speedgranate weichen darf.
Zum Ende hin lässt es Herr Loureiro dann wieder ruhig ausklingen – „Feliz Desilusao“ gehört fast in die Kategorie „Meditationsmusik“ und das einminütige Plätschern der Konzertgitarre bei „Choro De Crianca“ als 13. und letzter Titel sowieso.

Verständlich, dass Meister ihres Instruments, wie Kiko Loureiro einer ist, (mindestens) ein Album veröffentlichen wollen, auf dem sie ihre spielerischen Grenzen ausloten, um zeigen zu können, wie gut sie spielen können. Die Frage die sich dem Publikum dabei dann stellt, ist nur „brauche ich ein solches Album“? Ein klares „ja“ für diejenigen, die genauso gitarrenverliebt sind, wie der Künstler – ein klares „nein“ für alle, denen es nicht um das spielerisch Machbare geht, sondern um gute Songs. Die sind leider auf „No Gravity“ Mangelware und beschränken sich im Prinzip auf die drei Anspieltipps.
Der Rest lässt eben nur kurz aufhorchen – „da hat aber einer flinke Finger“…


Note: 6,0 / 10

Anspieltipps: „No Gravity”, „Moment Of Truth”, „Dilemma“

VÖ: 14.07.2006

Spielzeit: 54:01 min
Titel: 13
Label: Locomotive Music

(Naglagor)
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