Yes - Heaven & Earth

yes heavenearthWie schon letztens beim Konzert in Luxemburg zu sehen, scheinen sich die Progveteranen momentan wieder in einem weiteren Frühling zu befinden. Trotz ständiger Probleme auf der Sängerposition ist die Truppe derzeit sehr umtriebig, neben diversen Konzertreisen haben sie drei Jahre nach "Fly From Here" wieder neues Material am Start. Anscheinend fruchtet es, dass sich Gitarrist Steve Howe nur noch auf YES konzentrieren will und deswegen ASIA verließ. Etwas überrascht bin ich doch vom schnellen Erscheinen, denn laut einem Interview wollte man nach den Konzerten Anfang Juni ins Studio gehen. Doch anscheinend hatte man alles vor der Tour im Kasten und bringt es bereits im Sommer auf den Markt. Bleibt zu hoffen, dass das kein Schnellschuss wird.

Das barocke Intro weckt schon einmal Begehrlichkeiten, hier kann sich Geoff Downes in bester Rick Wakeman-Manier in Szene setzen. Klar, dass ihn einige Fans lieber an den Tasten sehen würden, doch die Konstellation funktioniert nun schon ein paar Jahre hervorragend. Steve Howes allzu biederes Gitarrenspiel lässt dann schon eher böses erahnen, vor allem, weil auch Davisons Melodien ziemlich seicht daher kommen. Zwar duellieren sich die sechs Saiten und die Synthesizer recht ordentlich im Mittelteil, doch es beschleicht einen schnell das Gefühl, das hier etwas fehlt, und nicht nur etwas.
Den warmen Leads und akustischen Strophen beim folgenden "The Game" gehen die Widerhaken ebenso völlig ab wie der sehr süßlichen Ballade "To Ascend". Ab und an lässt Howe ein paar kurze Licks vom Stapel, aber die haben bei weitem nicht die Brillanz vergangener Tage. Auch die Moog-Spielereien in "Step Beyond" verpuffen völlig und klingen darüber hinaus noch allzu fröhlich. Nur wenn der Saitenmagier ein paar rockige Akzente setzt, kommt die swingende Nummer ein Stück weit voran. Sphärische Pianoklänge und ebensolche Drumpatterns lassen in "Light Of The Ages" ein wenig an zeitgemäßen Art Rock denken, doch in den acht Minuten passiert einfach zu wenig.

Nun muss ja ein YES-Album nicht zwingend aus endlosen Instrumentalabfahrten der "Close To The Edge"-Klasse bestehen, doch ein paar Ideen mehr hätte "Heaven & Earth" gut getan. In den Achtzigern agierte man ja ebenfalls zugänglich und kaum komplex, doch da haute Trevor Rabin ein paar geniale, knackige Hard Rockriffs raus. Auch in Sachen Satzgesang konnte man seinerzeit glänzen und der treibenderen Ausrichtung ein paar interessante Facetten hinzu fügen. Doch auch diese Trademark der Proginstitution kommt hier kaum zum Einsatz, Jon Davison ist meist alleine auf weiter Flur.
Mit weltmusikalischen Einflüssen kann man natürlich seit Andersons Abgang ohnehin nicht mehr rechnen.Lediglich das angejazzte "In A World Of Our Own" mit seinen tollen Pianoläufen und der abschließende Longtrack "Subway Walls" können überzeugen. Hier pendelt man zwischen schönen Harmonien und instrumentalen Duellen und auch Chris Squires Bass darf endlich eine Führungsrolle übernehmen.

Nun ist das nunmehr zwanzigste Album ist beileibe nicht schlecht, aber es steht einfach nicht für das, wofür YES bekannt sind. Es fehlt hier jeglicher Mut oder Pioniergeist, selbst das alles andere als starke letzte ASIA-Album ist aufregender. Die Melodien sind zwar alle gut zu hören, aber viel zu gefällig. Dazu hätte einfach alles ausgefeilter sein müssen, wo ist der Biss, wo die Spannung, wo ist die Konzentriertheit? Hätte man alles noch top in Szene gesetzt, wäre das Ergebnis noch souverän gewesen, nur reiht sich die Produktion von Roy Thomas Baker ebenfalls in die Halbherzigkeiten mit ein.
Das bringt uns zu dem völlig zurecht geäußerten Schnellschussverdacht, denn eigentlich war Trevor Horn, der schon "Fly From Here" betreute, für die Aufnahmen vorgesehen, der hatte aber keine Zeit. Da muss man einfach fragen, ob es nicht besser gewesen wäre, bis nach der Tour zu warten, wenn er verfügbar ist, da er sich besser im Kosmos der Briten auskennt?

Trotz der vorhandenen Qualität, die ab und an durchscheint, muss man "Heaven & Earth" einfach als die Enttäuschung des Jahres abtun, noch mehr als die aktuelle NAZARETH. Zwar hatten die Schotten phasenweise richtig miese Sachen drauf gepackt, doch da hatte ich bei den Leistungen der jüngeren Vergangenheit auch nicht mehr viel erwartet. Hier war ich nach dem kürzlichen Konzerterlebnis voller Vorfreude, die sich nun fast schon in Ärger auflöst. Ich war eigentlich der festen Überzeugung, dass es ihnen gelingt die gute Bandchemie und Howes neuen Enthusiasmus auf die Scheibe einfließen zu lassen, so kann man sich täuschen. Als ordentliche Melodic Rockscheibe geht das grad noch so durch, aber das kann nie und nimmer der Anspruch sein. Jammerschade! (Pfälzer)

Bewertung: 6 / 10

Anzahl der Songs: 8
Spielzeit: 51:43 min
Label: Frontiers Records
Veröffentlichungstermin: 18.07.2014

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