Spectres - Hindsight

specttres hindsightEs ist ja wohl unbestreitbar, dass für uns alte musikverrückte Narren die Achtziger als Maßjahrzehnt aller Dinge herhalten müssen. So ist's im Metal und so isses auch im New Wave/Post Punk, wobei hier die elementare Dekade eigentlich schon 1978 begonnen hat. Die Musikgeschichte wurde komplett umgekrempelt und Bands kamen zum Vorschein, die den damaligen politischen Zeitgeist, die gesellschaftliche Stimmung und eine gewisse Lebensphilosophie kongenial wiederspigelten.
Und wie schön ist es, dass auch heute noch neue und junge Bands sich dieser spannenden Musikrichtung verpflichtet sehen und versuchen, einerseits den Altvorderen zu huldigen und gleichzeitig den Sound ins 21. Jahrhundert zu transportieren.

Die SPECTRES aus Vancouver sind so ein Paradebeispiel. Die Jungs bringen am 5. November ihr neues Album via Artoffact Records (btw. ein geniales Label, welches ein feines Gespür für gute Musik besitzt) heraus. Existent seit 2005, haben sich die Kanadier um Sänger Brian Gustavson von Album zu Album weiterentwickelt und nun liegt mir hier das aktuelle Werk "Hindsight" vor.
Was mir besonders auffällt, ist die enorme Bandbreite an Stilen, die die Band hier präsentiert. Das kann positiv gesehen für unterhaltsame Abwechslung sorgen, aber auch bei manchen Hörern den Vorwurf der Zerfahrenheit erwecken. Da ich mich aber immer freue, wenn auf einer Platte mehr als nur ein Song in zehn fast gleichen Variationen zu hören ist, bin ich auch im Falle von "Hindsight" recht entzückt.

Das Album beginnt nämlich richtig ruppig! Der Opener "Cold War" ist ein harter Psycho-Rocker, der auch auf KILLING JOKE's "Revelations"-Platte hätte stehen können, "Message From Above" ist ein derbes, schleppendes merkwürdiges Stück mit kranken Arrangements und "Visions Of A New World" klingt, als ob JOY DIVISION beschlossen hätten, für einen Song ihre Jammerlappen-Attitüde abzulegen und endlich mal anständig Gas zu geben.

Apropos Gas: "Complications" und "Pattern Recognition" sind zwei lupenreine schnelle Punkrock Stücke, die den Schreiberling begeistern und ohne Kompromisse direkt ins Kleinhirn hämmern! Fantastisch!
Und dann, ab Song Nr.6 ("Provincial Wake") kommt auf einmal der große Break (der Reim war unbeabsichtigt, sorry).
Waren die ersten fünf Nummern hart, aggressiv und schräg, übernimmt nun das Schöngeistige die Regie. Die SPECTRES packen diese herrlichen halbakustischen Gitarren aus, das Songwriting wird viel differenzierter und es folgt ein Hammersong dem nächsten, eine Hymne nach der anderen! "Northern Towns", "Vertigo" oder "To The Victor" sind perfekte angeraute Post-Punk-Songs, mit wunderbaren Hooklines und ohrwurmmäßigen Refrains. Dies gipfelt im letzten Stück "Tell Me", welches auch auf einem NEW ORDER Album hätte stehen können. Grandios!

Ein Wort noch zum Sänger, Herrn Gustavson: während er bei den ersten fünf Nummern noch klingt, als ob er mächtig Wut im Bauch und zwei Dutzend Fürze quer stecken hat, verwandelt er sich ab der Albummitte zum gefühlvollen und melodiösen Frontmann, der die wunderschönen, jetzt kommenden Tracks mit seinem Gesang adelt.
Zwei Kultsänger fallen mir da zum Vergleich auf Anhieb ein:
Steven Morrissey von den herrlichen THE SMITHS und vor allem Mike Score von den 80er Helden A FLOCK OF SEAGULLS. Fast wie ein Ei dem anderen! Wer da nicht nostalgische Gefühle entwickelt, ist entweder tot oder ein Depp!

Fazit: Nachdem Artoffact Records vorigen Monat mit dem ACTORS-Zweitling "Act Of Worship" (die ja auch aus Vancouver stammen) schon ein Meisterwerk den geneigten Hörern vorgelegt hat, kommt nun mit "Hindsight" von den SPECTRES der nächste Hammer! Wer sich für diese Art von Musik interessiert, sollte dringendst zugreifen. Es tut sich anscheinend einiges im fernen Britisch Kolumbien, be a part of it! (Axel)

Bewertung:

Ral8,0 8 / 10


Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 44:18 min
Label: Artoffact/Cargo
Veröffentlichungstermin: 05.11.2021

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