Joe & The Shitboys - The Reson For Hardcore Vibes

joetheshitboys theresonforhardcorevibesJOE & THE SHITBOYS von den Färöern sind definitiv anders als anderer Leute Kinder. Das beginnt schon damit, dass sie behaupten, alle vier bisexuelle Veganer zu sein. Jetzt halte ich es ja rein statistisch für extrem unwahrscheinlich, dass eine Bevölkerung von rund 52.000 Personen gleich vier bisexuelle Veganer hervorbringt, die sich dann auch noch gut genug verstehen, um eine Band zu gründen und dann auch noch alle die passenden Instrumente spielen (allerdings treibt’s auf den Färöern ja rein musikalisch ohnehin jeder mit jedem). Andererseits muss man für Punk ja nicht unbedingt ein Instrument spielen können. Reicht ja, wenn man da irgendwie Töne rausholt. Aber lassen wir das einfach mal so stehen.

Denn die vier Shitboys sind nicht nur anders als anderer Leute Kinder, sie sind auf ihre spezielle Art und Weise auch durchaus sympathischer als anderer Leute Kinder. Es sei mal dahingestellt, ob die Ansichten der Band zu diversen Themen rein plakativ zwecks Provokation der „normalen“ Mitmenschen sind oder nicht, aber ich persönlich finde sie durchaus attraktiv. Sei es nun das Bewerben von Veganismus mit ganz eigenen Ideen, z.B. Masken, auf den „Eat Ass Not Animals“ steht oder der Song „If You Believe in Eating Meat Start With Your Dog“ (ganz, ganz großartiger Song, zu dem es auch ein noch großartigeres Video gibt) oder das vehemente Einstehen für LGBT-Angelegenheiten. Frei nach dem Motto „Ein bißchen bi schadet nie“ posieren die einzelnen Bandmitglieder meist in anzüglichen Posen und sexy Hosen (man beachte den Reim!) miteinander. Und konterkarieren damit die profitorientierte Musikindustrie, in der Frauen ja gerne möglichst sexy miteinander kuscheln sollen, während Männer immer möglichst cool wirken müssen.

Die Band ist auf den sozialen Medien sehr aktiv und postet nahezu täglich irgendwas. In der Regel provokant-erotische bis angedeutet gewalttätige Fotos leichtbekleideter sexy Bandmitglieder. Begleitet werden diese Fotos von Texten ausschließlich in Großbuchstaben. Und das Ausrufezeichen dürfte neben den Buchstaben S, H, I und T die am häufigsten benutzte Taste sein. Anders ist die Band aber auch in musikalischer Hinsicht. So kommt das Debütalbum „The Reson For Hardcore Vibes“ auf gerade einmal knapp 11 Minuten Spielzeit. Damit passen alle 10 Songs auf eine 7-Zoll-Schallplatte. Wie kurz die Songs sind, hat man jedoch auch schon beim Auftritt der Band bei den Faroese Music Awards 2019 erlebt, als die Truppe in der Zeit, in der andere ein Stück spielen, gleich drei Songs untergebracht hat. Das Cover ist das gleiche wie das der bereits 2019 erschienenen Single „The Reson For Hardcore Vibes“ – jedoch in invertierten Farben. Der Song ist in leicht veränderter Form und mit besserem Sound als „The Reson For Hardcore Vibes 2“ auch wieder auf dem Album enthalten.

Zur Eröffnung des Albums brüllt einem die Band „We are Joe & The Shitboys! 1, 2, 3, 4!“ entgegen und gibt uns damit ein kleines bißchen Live-Feeling. Die einzelnen Stücke sind punkig kurz (kommt ja nun auch nicht überraschend bei der Kombination aus Spielzeit und Songanzahl). Auf die Spitze treibt man es mit dem Song „Fuck“, der ca. eine Sekunde lang und vermutlich einem Unfall entsprungen ist. Fuck eben. Auch die einzelnen Songtitel sind, wie sich das für die Punkszene gehört, oft provokant, sei es nun „Drugs R4 Kidz“, „Ram Me“ oder „Life Is Great You Suck“ (letzterer erinnert angenehm an PENNYWISE). Doch wenn man dann mal genauer auf die Texte hört, dann merkt man, dass sie neben Spaß und Provokation eben auch durchaus ernste Angelegenheiten ansprechen und man immer wieder vor allem auf Themen wie Gleichberechtigung, Toleranz und Gesellschaftskritik zurückkommt. Wie sich das für Punk ja auch gehört. Sehr schön z.B. der Text zu „Macho Man Randy Savage“ über Männer, die gewisse Dinge kompensieren müssen (mit großartigen Zeilen wie "All women are bitches cuz you feel neglected").

Insgesamt kann man sagen, dass die A-Seite eher die chaotischen Songs enthält, während man auf der B-Seite doch etwas melodischer wird, sei es nun mit „Pretend Serious“ oder dem wirklich guten „Shitboy Theme“. Wobei der Ausdruck „melodisch“ hier vor dem Punkhintergrund zu betrachten ist. Also wirklich romantisch wird es nicht. Wie auch, bei all den Missständen in der Welt? Punk war mir ja schon immer sympathisch, das ist auch bei JOE & THE SHITBOYS nicht anders. Shit ist „The Reson For Hardcore Vibes“ nämlich höchstens im positiven Sinne. Es ist ein angenehm wütendes, gesellschaftskritisches, augenzwinkerndes, lustiges und verdammt kurzes Punkalbum, das einfach Laune macht. Denn manchmal muss es einfach Punk sein.

Eigentlich war ja für dieses Jahr eine Tour im Mutterland des Punk, in England, vorgesehen. Aber wie so viele andere Tourneen wurde auch diese dank Corona auf das nächste Jahr verschoben. Bleibt zu hoffen, dass es die Jungs auch mal nach Deutschland schaffen. Bis dahin bleibt eben nichts anderes übrig, als dieses Shitalbum auf dem Plattenteller rotieren zu lassen bis die Nadel glüht. Da auf den Färöern Alben einheimischer Künstler oft früher als im Rest der Welt erscheinen, hab‘ ich das scheiß Ding übrigens schon seit Ende August. Und ihr nicht. (Anne)

 

Bewertung:

Anne8,0 8 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 10:55 min
Label: Tutl Records
Veröffentlichungstermin: 23.10.2020

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