Moonspell - Hermitage

moonspell hermitageDie Portugiesen waren schon immer für Überraschungen gut. Eine erschien vor etwas mehr als drei Jahren und wurde komplett in ihrer Landessprache eingesungen. "1755" besingt das verheerende Erdbeben in Lissabon in eben jenem Jahr, das in sehr harschen und rauen Tönen, die am ehesten mit "Memorial" zu vergleichen sind. Im letzten Sommer trennten sich dann die Wege von Drummer Mike Gaspar nach fast dreißig Jahren, was ebenso unerwartet kam. Doch MOONSPELL wären nicht seit Jahrzehnten die unermüdlichen Einzelkämpfer von der europäischen Westküste, wenn sie nicht daraus gestärkt hervor gingen. "Hermitage" heißt die neue Scheibe, mit was können die Anhänger da rechnen?

Nach den ersten Takten wird klar, dass es sich hier um eine faustdicke Überraschung handelt. Der Bass flimmert, das Keyboard legt dezente Flächen darüber, Fernando Ribeiro flüstert fast und Ricardo Amorim steuert auf der Gitarre nur ein paar Töne bei. "The Greater Good" kommt nie zum Ausbruch, auch wenn es im Verlauf ein paar Mal Anlauf nimmt, mehr als ein paar moderne Riffs, die fast breakdownartig wirken, wird nicht zugelassen, was allerdings die Intensität noch weiter steigert. Das neue Material setzt mehr denn je auf Atmosphäre, im direkten Vergleich klingt es insgesamt noch ruhiger als "Omega White", das Schwesteralbum in der Extended Version von "Alpha Noir". Die vier Saiten habe auch immer wieder ihren Auftritt, was die Gothic-Schlagseite noch mehr untermauert.

"All Or Nothing" setzt sogar vermehrt auf akustische Klänge und auch hier wieder die sehr ruhige und warme Stimme des Frontmanns, die nicht so sehr in den klagenden Bariton der Vergangenheit fällt. Vor allem die sechs Saiten gefallen sich gut in der Rolle des lyrischen Erzählers in den langen weichen Leadpassagen, welche auch die Instrumentals säumen und tief im Art Rock waten. Die Verquickung von floydschen Stimmungen und Dark Metal ist nicht ganz neu, förderte aber von ANATHEMA und TIAMAT Mitte bis Ende der Neunziger ein paar absolute Meisterwerke hervor. Besagter Song orientiert sich eher an der Weite der Briten, während "Entitlement" eher die verschrobene Skurrilität der Schweden zelebriert, bevor ein getragener Refrain sich ins Gehör schmeichelt.

Was hier auffällt ist das sehr perkussive, fast tribalartige Schlagzeug von Neuzugang Hugo Ribeiro, das ein wenig wie das verbindende Element zwischen den wenig härteren Parts und den ruhigen Weiten fungiert. Schon immer waren die Drums bei MOONSPELL präsenter als bei den meisten anderen Gothic Metalbands und konnten Akzente setzen, man bleibt sich also treu. Auf "Hermitage" wird dazu noch viel mit Fills gearbeitet, Gitarre und Synthesizer tauchen immer wieder sporadisch auf, geleiten den Song weiter und verblasen dann wieder.
Interessant ist auch wie sich jene Fills in Liedern wie "Common Prayers" mit Riffs duellieren, als ginge es um die Vorherrschaft, teilweise werden die Angriffe im Staccato geritten. Dann bricht auch immer wieder das tiefe Grollen von Ribeiro hervor, solche ruppigen Töne bilden dann einen tollen Kontrast, übernehmen aber nie die Überhand, veredeln sogar die sphärischen Nummern. Eher wird das Ganze dann rockig akzentuiert wie in "The Hermit Saints", das nah an der der Durchbruchsphase mit "Irreligious" dran ist.
Auch der dreizehnte Longplayer ist eine wahre Wundertüte, hätte gut zwischen "The Antidote" und dem großen "Night Eternal" Platz gefunden, wo die Band aber lieber mit ihrer heftigsten Phase geflirtet hat. Eine ist sicher, man weiß nie wohin der Weg geht, dabei hatten die Fans schon eine gewisse Konsolidierung akzeptiert, aber nun liebäugeln die Portugiesen wieder mit den Gegensätzen. Gewiss ist bei ihnen nur eines, das starke Songwriting, das dichte Zusammenspiel, diese umarmende Düsternis und die satte Produktion voller Dynamik. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer8,0 8 / 10


Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 52:27 min
Label: Napalm Records
Veröffentlichungstermin: 26.02.2021

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