Blues Pills - Holy Moly!

bluespills holymolySie waren die Shooting Stars der Retro Rockbewegung der letzten Dekade. Ein internationales Phänomen aus jungen Musikern, die zusammen in einem Haus in Schweden residieren und damit auch vom Lebensstil her an eben jene Ära erinnern, welche sie musikalisch wieder aufleben lassen. Schon vor dem Debüt wurde sie überall gepriesen, ein Versprechen, welches die BLUES PILLS mit ihren Liveshows und den ersten beiden Alben hielten. Doch mit der Zeit bekam das Gefüge Risse und spätestens mit dem Abgang des französischen Gitarristen Dorian Sorriaux stand die große Zensur an. Nach längerem Überlegen übernahm Bassist und Hauptsongschreiber Zack Anderson die vakante Position an den sechs Saiten und mit Kristoffer Schander ein guter Freund sein Langholz. Nach aus bekannten Gründen verschobenem Termin steht nun endlich „Holy Moly!“ in den Läden, wie wirkt sich das alles darauf aus?

Viele Fans monieren ja oft den Weggang des Vokalisten einer Truppe, seltener den eines Instrumentalisten. Natürlich ist die Stimme immer das Aushängeschild, doch gerade im Rockbereich ist das Grundgerüst mindestens ebenso wichtig. Elin Larsson wäre vielleicht die einschneidendere Veränderung gewesen, doch auch das Fehlen des Virtuosen macht sich deutlich bemerkbar. Genau jene Virtuosität geht einem Anderson ab, da hilft es nicht viel, dass er die Lieder, die Riffs verfasst. Doch wer hätte ihn ersetzen wollen, fähige Blueser gibt es genug, aber so ein unverbrauchtes Talent entdeckst Du nicht hinter jeder Straßenecke.

Natürlich kann man die Kompositionen eindeutig den BLUES PILLS zuordnen, doch sie werden anders interpretiert. Wenn das Tempo anzieht, dann wirkt das zwar schön rau, aber dennoch zu konventionell, um wirklich Akzente zu setzen. „Low Road“ kommt so holprig wie der Retro Rock vieler Standardvertreter wie SCORPION CHILD, die sie schon lange hinter sich gelassen haben. Die feinen Schlenker, die Nuancen fehlen, das ist alles etwas geradlinig herunter gespult. Man könnte sagen mehr GRAND FUNK RAILROAD statt LED ZEPPELIN. Das gleiche Bild ergibt sich bei den ruhigen Titeln, die dann wiederum zu bieder wirken.

Ein Sorriaux hätte sich da einiges einfallen lassen, um eben mehr heraus zu holen, er hätte Luft zum Atmen in die Arrangements gepumpt. Auf dieser schwang sich eine Dynamik empor, die völlig neue Räume eröffnete, in dem die Lieder ihr Charisma verstrahlen konnten. Jenes Charisma fehlt auf „Holy Moly!“, wenngleich die Scheibe sicherlich grundsolide ist. Der Abschluss der ersten Vinyl-Seite macht es ganz deutlich, der französische Saitenhexer wäre hier zu Hochform aufgelaufen. „Rhythm In The Blood“ hat jene Leadfills, die er zelebrierte, dazu interessante rhythmische Variationen, die jedoch ihre Wirkung nicht entfalten können. Und gar nicht auszudenken, wie die reine Bluesnummer „Dust“ mit ihm geklungen hätte.

Man muss sich auch fragen, ob es angesichts eines solchen Verlustes nicht besser gewesen wäre, mit Produzent Don Alsterberg wenigstens einen weiteren Teil des Erfolgspuzzles zu behalten. Vielleicht waren sich Larsson und Anderson ihrer Sache zu sicher, vielleicht dachten sie, sie können ihren Sound alleine kreieren. Es war sicher auch die Handschrift ihres Toningenieurs, der die Ausbrüche nach ruhigen Passagen so orgiastisch klingen ließ, was hier lediglich bei „Song From A Morning Dove“ gelingt. Hier findet das Wechselspiel nur von Song zu Song statt, zwar sogar harscher als zuvor, aber eben nicht im Fluss.

Bliebt zu hoffen, dass wir 2020 nicht noch mehr Platten mit seltsamen Namen zu hören bekommen, denn ebenso wie DEEP PURPLE mit „Whoosh!“ ist „Holy Moly!“ durchaus enttäuschend. Immer vor dem Hintergrund über welche Möglichkeiten beide Formationen verfügen, aber ungenutzt lassen. Vielleicht ist auch der Hype zu Ende, die Erwartungshaltung zu groß? Ein Blick auf das Bandfoto spricht Bände, die Aufbruchsstimmung ist Ungewissheit in den Augen gewichen.
Man könnte fast analog dazu konstatieren, dass hier ebenso der Glanz früherer Tage fehle. Selbst in der Stimme der guten Elin wird der Glanz streckenweise vermisst, manchmal schreit sie, wo sie dies mit ihrer Stimmgewalt nicht nötig hätte. Bleibt zu hoffen, dass die einstigen Hoffnungsträger nicht vollständig ausbrennen, die Gefahr laufen sie verdächtig. Denn Hoffnungsträger kann die Rockmusik dieser Tage wirklich gebrauchen. (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer6,5 6,5 / 10


Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 41:32 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 21.08.2020

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