Paradise Lost - Obsidian

paradiselost obsidianLange Jahre haben es sich PARADISE LOST in ihrem konsolidierten Stil gemütlich gemacht, der alles von den tödlichen Anfängen bis hin zu den Experimenten der späten Neunziger beinhaltete. Mit den beiden letzten Scheiben "The Plague Within" und "Medusa" sind sie aber wieder stärker zu ihrer Frühphase zurück gekehrt und ließen es kerniger angehen. Mit der Marschroute waren sie zuletzt nicht alleine, Weggefährten aus der Aufbruchszeit des Gothic Metal wie AMORPHIS haben zuletzt härtetechnisch auch wieder zugelegt. Ist das der neue Trend, geht es noch weiter oder mit "Obsidian" in eine gänzlich neue Richtung?

Letzteres kann man nach fünfzehn Alben in der Vergangenheit eigentlich ausschließen, denn irgendwann hat sich eine Band doch gefunden und auch die letzten zwei Werke fügten sich nahtlos in das Ouvre ein. Veränderungen dazu gibt es definitiv und das machen schon die ersten Töne deutlich, auf jeden Fall nicht zugunsten der Alt-Fraktion. Dabei ist es nicht einmal das ruhige Intro, welches aufhorchen lässt, und so etwas gab es seit "One Second" nicht mehr. Man fragt sich eher, wann man bei den Briten überhaupt einmal eine akustische Gitarre gehört hat, das bereitet den Hörer schon einmal auf das Kommende vor.

Denn auch wenn nach geigenverhangenen knapp zwei Minuten Greg Mackintosh und Aaron Aedy die Elektrischen auspacken und Nick Holmes rau losröhrt bleibt man hinter der Heaviness der letzten Longplayer zurück. Es fehlt einfach dieses Grollen, dieses tiefe, böse Element im Sound des Fünfers, die Gitarren rocken eher, als man sie überhaupt als Metal bezeichnen könnte. Nicht nur vom Spiel, sondern auch von der Stimmung her knüpft man eher an die Jahrtausendwende an. Derbe Grunts sucht man ebenso vergeblich wie den breiig wummernden Bass von Stephen Edmonson, der für noch mehr rohe Tiefe sorgte.

Natürlich ist der Opener "Darker Thoughts" sofort als PARADISE LOST zu identifizieren, alleine die Leads sind unverkennbar, man setzt in der eigenen Historie jedoch wo ganz anders an. Jene Leads prägen das folgende "Fall From Grace" noch viel mehr, die bratende Gitarre kennt man von der Band ebenso, aber viele hatten ein Fortschreiten des zuletzt eingeschlagenen Pfades erwartet, einige auch erhofft.
Dieses doomige Stück ist fast sogar schon bei MY DYING BRIDE, die wie die Band zu den Peaceville Three gehören zu verorten. So zäh gehen sonst nur Aaron Stainthorpe und seine Mannen zu Werke. Und gerade die sind auf ihrem vor ein paar Wochen erschienenen Longplayer auch deutlich in die melodischere Richtung abgedriftet. Auch der erhöhte Anteil an Klargesang fällt bei den aktuellen Werken beider Formationen auf.

Nun könnte man durchaus einen veränderten Input von außen vermuten, doch weit gefehlt das Team blieb seit "Medusa" unverändert. Interessant wie es Jamie Arellano hinbekommen hat zwei so unterschiedliche Alben passend zu produzieren. Wenn es eine Gemeinsamkeit gibt, dann vielleicht die Erdigkeit, denn vom sterilen Klangbild eines "Host" oder "Symbol Of Life" ist man weit entfernt. So wirkt selbst die reinrassige Ballade "Ending Days" nicht wie ein glattgebügelter Versuch eines Hits, denn von denen bietet "Obsidian" eher wenig, da traf man beim Vorgänger mit "Blood & Chaos" besser ins Ziel.

PARADISE LOST suchen vielmehr wieder den Anschluss an die Gothic-Bewegung, bei dessen Verquickung mit Metal sie maßgeblichen Anteil haben. "Ghosts" wird von einem prägnanten, warmen Bass eröffnet, rockt locker vor sich hin und ist dem ewigen Einfluss SISTERS OF MERCY so nah wie nie zuvor. Die vier Saiten sorgen im Verlauf der Scheibe immer wieder für Klangtupfer, ebenso wie die eher ungewöhnlichen Piano und Orgel. Dazu garniert der Hauptkomponist die Stücke gelegentlich mit klassischen Metalsoli.

Den einzig derben Brocken "Ravenghast" hebt man sich bis zum Ende auf, doch auf der atmet doomige Schwere. Es liegt nicht an der überraschenden Kurskorrektur, dass mir die drei letzten Longplayer allesamt besser gefielen, denn der Gothic Rock steht den Briten gut zu Gesicht. Doch songwritingtechnisch war Mackintosh viele Male mit besserem Händchen unterwegs. Wer sich eine grobe Vorstellung machen will, der sucht irgendwo zwischen "Draconian Times" und "Believe In Nothing" in der Vergangenheit, auch wenn hier manches deutlicher ausgereizt wird. (Pfälzer)
 

 

Bewertung:

Pfaelzer7,0 7 / 10


Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 45:38 min
Label: Nuclear Blast
Veröffentlichungstermin: 15.05.2020

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