Warrel Dane - Shadow Work

warreldane shadowworkDas zweite Soloalbum von WARREL DANE. Seit Jahren angekündigt, seit Jahren warte ich darauf. Im letzten Jahr ging es dann endlich ins Studio – und dann ist das Schicksal ein Arsch und WARREL DANE stirbt während der Aufnahmen. Damit war auch lange unsicher, ob das Album überhaupt jemals erscheinen wird. Und wenn, wie es dann klingen wird. Wie viel konnte fertig gestellt werden? Vor einigen Monaten wurde dann bekanntgegeben, dass „Shadow Work“ erscheinen wird. Aber wollte man das überhaupt hören? Ist das ein Sell Out, bei dem die Plattenfirma versucht, noch aus dem letzten Rest Geld rauszupressen? Wie würde ein halbfertiges Album klingen?

Oft musste ich an QUEENS „Made In Heaven“ denken, das ja auch nicht wirklich fertig wurde und nach Freddie Mercurys Tod von den übrigen Bandmitgliedern fertiggestellt wurde. Ich war hin- und hergerissen. Als dann mit „Disconnection System“ der erste Song aus dem Album veröffentlicht wurde, konnte ich mich ja doch nicht zurückhalten, und habe ihn mir mal angehört. Und nochmal. Und nochmal. Denn das da klang gar nicht schlecht. Auch der zweite vorab veröffentlichte Song, „As Fast As The Others“ sagte mir nach einigem Hören zu. Aber noch immer war da die Unsicherheit, ob das vielleicht einfach nur die besten Songs sind, die man auf dem Album findet und der Rest ist halt irgendwie halbfertig?

Als ich das komplette Album, WARREL DANEs Schwanengesang, dann endlich vorliegen hatte, war der erste Hördurchgang noch etwas seltsam. Aber gut. Letztendlich kommt das Album, das ursprünglich auf rund 80 Minuten Spielzeit ausgelegt war, nur knapp über 40 Minuten Spielzeit hinaus. Wobei die Instrumente bereits komplett eingespielt waren – und mitten während der Gesangsaufnahmen starb Warrel dann. Verwendet wurden nun für die Endversion verschiedene Aufnahmen verschiedener Studios sowie teilweise Aufnahmen aus der Vorproduktion. Das hört man an einigen Stellen auch. Aber ganz ehrlich? So ziemlich jeder, der dieses Album hören wird, kennt auch die Vorgeschichte dazu. Da störe ich mich jetzt wirklich nicht an nicht ganz perfektem Gesang. Zumal das ohnehin Jammern auf hohem Niveau wäre.

Aber – schon das Intro „Ethereal Blessing“ überzeugt. Es klingt zwar im ersten Moment überhaupt nicht nach dem, was man üblicherweise von WARREL DANE gewohnt ist, hat sogar fast einen Ethno-Anstrich und klingt insgesamt fast so, als hätte man aus einem unvollständigen Song ein Intro gebastelt – ist aber trotzdem gut. Der erste Song, „Madame Satan“, der auch das Coverartwork beeinflusst hat, bestätigt das, was WARREL DANE im Vorfeld schon angekündigt hatte: Dass „Shadow Work“ deutlich härter wird als sein letztes Soloalbum. Sowohl musikalisch als auch lyrisch geht es schon Richtung NEVERMORE und sogar Growls gibt es an der ein oder anderen Stelle zu hören, wenn auch gerade diese so klingen, als sei das noch nicht die finale Version gewesen. Aber so oder so ist dies der härteste Song des Albums. Und ein guter noch dazu.

Auch der nachfolgende Song, „Disconnection System“, den man ja nun schon kennt, steht in der Tradition von NEVERMORE und besticht unter anderem durch das Drumming, das immer mal wieder sehr interessante Momente hat. Aber auch sonst ist das einfach mal ein verdammt geiler, fetter Song, den man wieder und wieder hören kann, ohne dass er langweilig wird.

„As Fast As The Others“ – ebenfalls vorab veröffentlicht – wirkt dagegen schon fast poppig. Oder besser: eingängig. Dieser Song geht am ehesten in Richtung „Praises To The War Machine“ und hätte auch auf dem Vorgängeralbum stehen können. Insbesondere der Refrain geht hier direkt ins Ohr und auch an diesem Stück gibt es schlicht nichts auszusetzen. Schnell, heftig und wieder deutlich Richtung NEVERMORE geht es beim Titelsong zu Werke. „Shadow Work“ ist ein sehr düsteres Stück, hart und brutal, hat aber trotzdem einige schöne Melodien aufzuweisen.

Das THE CURE-Cover „The Hanging Garden“ markiert das obere Ende des progressiven Spektrums auf dem Album. Ziemlich sperrig ist das Stück, die Hi-Hats dengeln öfter mal unangenehm (ich nehme aber mal an, das soll so sein und daher ist das mein persönliches Problem, dass ich diesen speziellen Sound eben nicht mag). Trotz vieler progressiver, ja geradezu komplizierter Parts ist „The Hanging Garden“ insgesamt ein eher ruhiger Song geworden, der aber auch wieder in der guten alten NEVERMORE-Tradition steht.

Man sagt ja oft, das Beste kommt zum Schluss. So auch hier. Ja, alles, was man bisher auf diesem Album gehört hat, war schon gut, sehr gut sogar. Aber mit „Rain“ erreicht WARREL DANE nochmal ein ganz anderes Level. Auch wenn das Intro doch verdächtig an BARREN EARTHs „On Lonely Towers“ erinnert – verbuchen wir das mal unter Zufall. Zu Beginn ist der Gesang hier etwas schräg, was aber selbstverständlich verziehen wird. Dann jedoch entwickelt sich „Rain“ zu einem fantastischen Song. Nicht nur Warrel brilliert hier, auch das Gitarrensolo fügt sich wunderbar in das Stück ein und die Drums sind ebenfalls, wie schon bei „Disconnection System“ in Teilen ungewöhnlich, aber sehr genial. Der Refrain geht sofort ins Ohr, das Stück ist eindringlich und intensiv und ist im Laufe der Zeit zu meinem Favoriten auf dem Album mutiert – obwohl eigentlich alle Songs gut sind. „Rain“ ist einfach einer dieser Songs, bei denen einem beim Hören ein wohliger Schauer über den Rücken läuft. Ganz, ganz großartig.

„Mother Is The Word For God“ steigt schon gleich mit dem Ohrwurmrefrain ein, zudem gibt es hier auch zum ersten Mal Streicher zu hören. Der Text ist sehr, sehr persönlich ausgefallen und bekommt vor dem Hintergrund des Todes von Warrel Dane noch einmal eine ganz neue Bedeutung. Auch hier kann man beim Gesang an manchen Stellen hören, dass dies wohl nicht die finalen Aufnahmen waren, ja ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass bei diesem Song die schlechteste Gesangsleistung vorliegt – aber das interessiert jetzt wirklich niemanden und tut der Qualität des Songs an sich kaum Abbruch. Der mit Abstand längste Song des Albums steigert sich allmählich und geht auch wieder stark in Richtung NEVERMORE - und darüber hinaus. Damit endet „Shadow Work“ mit einem verdammt starken Song.

Und lässt uns mit der Frage zurück, wie genial dieses Album hätte werden können, wenn WARREL DANE es hätte beenden können. Und vielen weiteren Fragen, die so simpel sein können wie: Sind die Songs in der Reihenfolge angeordnet, die Warrel Dane vorgesehen hatte? Klingen sie so, wie sie klingen sollten? Wie auch immer die Antworten auf diese Fragen lauten, eines ist sicher: Es wäre eine Schande gewesen, das, was an Songs vorhanden war, nicht zu veröffentlichen. Century Media hat hier genau richtig gehandelt. Ich habe schon WARREL DANEs erstes Soloalbum geliebt, aber bei „Shadow Work“ hat er nochmal eine ordentliche Schippe draufgepackt. „Shadow Work“ läuft bei mir seit Tagen in Dauerschleife. Und auch wegen seiner kleinen Imperfektionen, die einem die Entstehungsgeschichte dieses Albums bei jedem Hören wieder bewußt machen, ist dieses Album so gut.

Der Vorgänger war ein Album mit zutiefst persönlichen Texten, die teilweise schon schmerzhaft explizit waren. Davon ist „Shadow Work“ ein wenig abgerückt, die Texte sind etwas abstrakter, ähnlich wie zu NEVERMORE-Zeiten, aber nicht weniger eindringlich. Auch musikalisch bewegt man sich hier Richtung NEVERMORE, eher noch als Richtung SANCTUARY. Ging „Praises To The War Machine“ stellenweise schon eher Richtung Rock, so ist „Shadow Work“ ein herrlich brutales Album, bei dem man die NEVERMORE-Einflüsse mehr als deutlich hört. Brutal und dunkel und einfach großartig. Was hätte da noch alles kommen können? Was werden wir alles niemals hören? (Anne)

Bewertung:

Anne9,0 9 / 10

Anzahl der Songs: 8
Spielzeit: 41:43 min
Label: Century Media
Veröffentlichungstermin: 26.10.2018

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