Per Gessle - Small Town Talk

pergessle smalltowntalkBereits auf der ROXETTE-Tour 2015 zeigte sich Marie Fredriksson sichtlich angeschlagen, konnte viele Auftritte nur im Sitzen absolvieren. 2016 gab sie auf Anraten ihrer Ärzte das Livegeschäft ganz auf – und Per Gessle stand auf einmal ohne seine langjährige Partnerin da. Doch ein Musiker wie Per Gessle kann nicht lange still sitzen, schon immer hat er nicht nur unter dem Namen ROXETTE Songs veröffentlicht, sondern auch unter diversen Solo- und Sideprojekten (z.B. THE LONELY BOYS, SON OF A PLUMBER) und ist auch immer mal wieder mit seiner ersten erfolgreichen Band GYLLENE TIDER aktiv. Da verwundert es nun wirklich nicht, dass er gut zwei Jahre nach dem Liveende von ROXETTE mit einem neuen Solo-Album um die Ecke kommt.

Und das überrascht etwas. Denn eigentlich ist Per Gessle ja der Garant für richtig guten Bubblegum Pop (wie er es selbst gerne nennt). Und hier haben wir nun – poppig angehauchten Countryrock. Meistens akustisch. Das hört sich jetzt erst mal seltsam an, klingt am Ende aber richtig gut. Waren mir die letzten Alben von ROXETTE zu überproduziert, mit zu vielen Effekten überladen, zu gewollt, so ist „Small Town Talk“ bewusst minimalistisch gehalten, auch sehr viel ernsthafter und ernstzunehmender und erdiger als die letzten Alben seiner Stammband. Dass Per Gessles Stimme am besten im Duett funktioniert ist auch keine Neuigkeit und so hat er sich für dieses Album gleich mehrere Duettpartner besorgt.

Den Hauptteil übernimmt Helena Josefsson, die bisher Backgroundsängerin bei ROXETTE war. Ihre Stimme erinnert oft an die von Marie Fredriksson, besonders in „Hold On My Heart“ oder auch in „Being With You“, allerdings beherrscht sie nur die zarten Töne gut, das raue und rockige, was Maries Stimme so besonders gemacht hat, fehlt ihr. Was auf diesem Album aber auch nicht schlimm ist, denn es ist ohnehin meist ruhig geraten und die Stücke schmeicheln ihrer Stimme. Da das Album in Nashville aufgenommen wurde, haben es auch einige amerikanische Sänger und Sängerinnen auf das Album geschafft, unter anderem Savannah Church und auch Nick Lowe, Schwiegersohn von Johnny Cash und mit einer recht ähnlichen Stimme gesegnet.

Nick Lowe hört man im Titeltrack „Small Town Talk“ dem er einen schönen Anstrich verleiht. Nichtsdestotrotz fehlt dem Stück das gewisse Etwas, das viele der anderen Stücke auf dem Album haben. So ist es einfach nur ein sehr netter Song. Dennoch - hier zeigt Per Gessle auch wieder eines seiner eher missachteten Talente: Den perfekten Einsatz von Soundsamples, die einfach perfekt zum Stück passen.

Der Höhepunkt des Albums befindet sich jedoch noch davor: „The Finest Prize“ beginnt schon mit einem verdammt starken Intro und erinnert an Pers beste Zeiten. Dazu kommen tolle Melodien mit einer leicht melancholischen Note. Der Song klingt modern und erinnert dennoch an alte ROXETTE. „The Finest Prize“ ist einfach ein richtig guter, handgemachter Popsong. Definitiv mein Favorit auf dem Album.

Auch wenn dieser Song, wie so viele andere auf dem Album auch, nicht neu ist. Denn viele Stücke hat der geneigte Per Gessle-Fan in ähnlicher Versionen schon einmal gehört. So findet sich z.B. der Opener „There’s A Place“ in schwedischer Form („Min plats“) auf dem im letzten Jahr erschienenen Album „En Vacker Natt“, auch das von mir so gelobte „The Finest Prize“ kann man hier unter dem Namen „Första Pris“ finden, den Titeltrack („Småstadsprat“) und „It Came Too Fast“ („Allt gick så fort“) gibt es schon auf „En Vacker Natt“. „Far Too Close“ gab es sogar schon in der englischen Version. Auch „No One Makes It On Her Own“ und „Being With You“ gab es früher schon einmal.

Vor diesem Hintergrund kann man sich natürlich überlegen, ob man dieses Album überhaupt braucht. Andererseits ist es aber oft so, dass Fans sich englische Versionen von Songs in einer Sprache, die nur wenige Leute sprechen, wünschen. Und Per Gessle hat nicht einfach nur die Gesangsspuren neu eingesungen, sondern alle Songs neu arrangiert. Und meiner Meinung nach klingen die neuen Versionen deutlich besser und runder. Und ab und an wagt er auch mal kleine Experimente. Da wäre einmal „Rudy & Me“, das locker vor sich hin swingt und durch Jessica S. leicht kindlich naive Stimme ein ganz besonderes Flair erhält. Und nicht zu vergessen, die Mundharmonika! Auch „Name You Beautiful“ passt nicht so ganz in das Albumkonzept, ist aber – vielleicht gerade deshalb – einer meiner Favoriten. Ein poppig angehauchter Folk/Country-Song, der fast schon etwas an NIGHTWISH erinnert und ziemlich Richtung ROXETTE geht.

Auch „For The First Time“ ist etwas anders, erinnert ein wenig an die Klassiker der 60er und 70er Jahre und zeigt damit die Art Songs zu schreiben, die ich an Per Gessle so liebe. Wie auch immer: Mir gefällt dieses Album richtig gut. Ja, man kann sich darüber streiten, ob man neue Versionen von Songs, die erst vor einem Jahr erschienen sind, wirklich braucht. Ich finde, beide haben ihren Reiz. Während mir „Small Town Talk“ musikalisch mehr zusagt, mag ich den schwedischen Gesang lieber. Grundsätzlich jedoch ist „Small Town Talk“ ein wirklich feines Popalbum mit deutlicher Countryausprägung geworden. Als Fan von ROXETTE oder Per Gessle im Speziellen sollte man hier auf jeden Fall mal reinhören. Bei mir wird diese Scheibe sicher noch öfter laufen. (Anne)

Bewertung:

Anne8,0 8 / 10

Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: 51:48 min
Label: BMG Rights Management
Veröffentlichungstermin: 07.09.2018

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden