Unitopia (17.10.2010, Verviers, Belgien)

 

live_20101017_0101Das "Spirit of 66" im belgischen Verviers dürfte den meisten Prog - und Classicrockfans ein Begriff sein, in letzter Zeit steht auch verstärkt Metal auf dem Programm. Ich habe es zwar etwas weiter als die vornehmlich aus dem Kölner und Aachener Raum rüber kommenden Zuschauer, doch den Club wollte ich mir schon länger ansehen. Da traf es sich gut, da ich das fest eingeplante UNITOPIA-Konzert in Rüsselsheim sausen lassen musste dass die australische Progressive-Formation an einem Sonntag dort gastierte.
Die Truppe brauchte einen ziemlich langen Anlauf, alleine neun Jahre für das Debüt, doch als InsideOut auf sie aufmerksam wurde kam die Sache ins Rollen. Innerhalb von knapp zwei Jahren brachten sie auf dem deutschen Label zwei sehr starke Scheiben an der Schnittstelle von Neo- und Retro-Prog heraus. Nun konnten die Jungs endlich ihre ersten Auftritte außerhalb ihrer Heimat absolvieren, die sie sogar bis nach Nordamerika brachten. Grund genug also für NECKBREAKER sich das nicht entgehen zu lassen, mehrfache Premierenstimmung war also garantiert.

 

Nachdem wir nach unserer Ankunft die Formalitäten mit der leider nicht englisch sprechenden Dame an der Kasse mit Hilfe von Managerin Patsy Delledonne gelöst hatten zeigte sich der Club im Stil einer klassischen Rockkneipe in einem altehrwürdigen Ambiente. Doch Zeit uns umzuschauen blieb nicht, denn das Konzert hatte gerade zu einer unchristlichen Zeit von 19 Uhr begonnen und es ging direkt ohne Support los mit Titeln vom neuen Album "Artificial". Diese konnten sofort die Zuschauer begeistern und spätestens beim Finale des epischen Zentralstücks dieser Langrille übernahmen diese den Gesang.
live_20101017_0104Dabei war es schon schade, wenn man Sänger Mark Trueack mal nicht zuhören konnte, der Mann verfügt über eine außerordentliche Stimme, die viel früher hätte entdeckt werden müssen. Mit einer Leichtigkeit schmeichelte er sich mit seinem warmen Organ in die Gehörgänge der Anhänger, die allerdings (noch) nicht allzu viele sind. Doch diejenigen die da waren kamen voll auf ihre Kosten, denn das Songmaterial dürften zumindest die Zahlenden alle kennen.
Oder auch nicht, denn vom Erstling "More Than A Dream" wurden auch drei Lieder präsentiert und die ist recht rar. Zum Glück fanden sich noch einige Kopien bei der Band, die jedoch am Ende der Tournee wohl vergriffen sein werden. So konnte man auch sogar ein paar Überraschungen bieten, wie auch die eigenständigen Coverversionen in der Zugabe.

Und Trueack führte gekonnt durch das Programm lebte seine Songs und zelebrierte jede Note. Dabei ist eine gewisse Ähnlichkeit mit Peter Gabriel nicht von der Hand zu weisen, ein wenig gepaart mit Joe Cocker, allerdings nicht stimmlich. Nur an seinem Outfit muss der Mann noch arbeiten, die Schlabberhose mit dem Shirt aus der eigenen Merch-Kollektion ist nicht gerade Gentlemen-like was seine Ansagen und Publikumskommunikation umso mehr waren.
Aber die optische Präsenz war an dem Abend nebensächlich, denn UNITOPIA ließen die Musik für sich sprechen und die kam fast intensiver als auf Konserve. Das lag vor allem daran, dass der gut ausgewogene Sound mehr Details offen legte, die auf den InsideOut-Drehern ein wenig im Wohlklang und auf dem Debüt in der leichten Unausgegorenheit untergingen. Die Mucker spielten sich die einzelnen Parts und Harmonien gegenseitig zu und woben dadurch einen dichten, feinen Soundteppich, in dem man sich treiben lassen konnte.
Den meisten Spaß hatten die Herren wenn sie richtig drauf los jazzten und zeigen konnten was sie drauf haben. Doch immer ohne dabei den Song aus den Augen zu verlieren, eher in einer rockigen Art wie man es von DEEP PURPLE her kennt. Vor allem wenn die sich knackigen Riffs von Matt Williams mit den Hammond-Schwaden von Sean Timms duellierten. Darunter legte Schlagzeuger David Hopgood noch feine akzentuierte Breaks mit einem ordentlichen Drive. Da war allen Beteiligten die Spielfreude anzusehen, man kommunizierte viel auf der Bühne und stachelte sich zu weiteren Ausbrüchen an.
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Gut, die Mimik des anderen zu erkennen war keine große Kunst bei der Bühne, denn die sieben Leute hatten da ihre liebe Not Platz zu finden, der intime Rahmen, den der Club liefert überträgt sich auch auf die Bühne, auf der schon große Namen standen. Ungewohnt war auch die Pause in der Mitte des Sets, die uns ein wenig auf Entdeckungsreise gehen ließ. Die Wände sind voll mit Memorabilia aus den Zeiten als die Vereinigten Staaten noch ein schönes Land ohne Paranoia waren, die Route 66 über der Bühne an die Wand gepinselt. Holz beherrscht das Szenario, Boden und Decke sowie die Treppe auf den Balkon. Muss wohl ein altes Theater gewesen sein, denn oben sind noch ein paar bestuhlte Reihen und der Cateringraum des Backstagebereiches, der später Zeuge eines ebenfalls nicht alltäglichen Interviews (demnächst hier) wurde.

Im zweiten Teil ging es mit derselben Klasse weiter, die Band spielte wunderbar zusammen, man konnte zusehen mit welcher Finesse sie ihre Klänge erschufen. Vor allem beim Titelepos des letzten Albums spielt man mit allerlei Einflüssen, die auch in ihrer Herkunft behaftet sind. Selbst die Vogelstimmen wurden von Ian Ritchie auf der Flöte gespielt. Der Mann fügte sich sehr gut in die Band ein, obwohl er eigentlich nur Peter Raidel, den etatmäßigen Herr der Blasinstrumente vertrat. Da merkt man all die Routine der Musiker an, die sie nun endlich auch mal anderem Publikum beweisen konnten.
Und was da alles für Instrumente aufgefahren wurden, Klarinette, Saxophon oder diverse Flöten wurden perfekt integriert. Dazu kommen noch die Percussions von Tim Irrgang, die dem Ganzen eine exotische Note geben. Wenn man hört wie die Truppe aus einem von Motiven der Südsee inspirierten Part in einen Jazz-Piano-Lauf fällt, ist das schon aufregend. Matt Williams meistert dabei ständig den Spagat zwischen seiner elektrischen und der neben ihn stehenden Akustikgitarre.

live_20101017_0102Am Ende wollten die Fans die Band nach knapp zwei Stunden gar nicht von der Bühne lassen und so kamen Mark Trueack und Sean Timms für eine traumhafte Pianoballade noch einmal zurück. Doch die Freude auf Seiten der Band war mindestens ebenso groß wie beim Publikum, man hätte am Geräuschpegel meinen können es wäre dreimal so viel gewesen, da stimmte die Hingabe auf beiden Seiten. Als Dank mischte sich die Band noch lange unter die Leute und fabulierte über Musik, die Ideen dahinter, die klassischen Einflüsse, welche die meist Betagteren nur zu gut kennen. Dabei vergaßen sie fast den anwesenden Medienvertreter, der konnte es aber gut verschmerzen. (Pfälzer)



Setlist UNITOPIA:
Artificial
Nothing Lasts Forever
Tesla
Angeliqua
Slow Down
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More Than A Dream
Justify
Here I am
The Garden
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Everybody Got To Learn Sometimes
Carpet Crawl
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One Day

 

 

Alle Photos von Pfälzer

Danke an Peter Klapproth von InsideOut und Managerin Patsy Delledonne

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