Molly Hatchet + King Savage (14.12.2019, Bensheim)

mollyhatchet tourplakatKaum eine Band hat so viele Rückschläge hinnehmen müssen, kaum eine so viele Mitglieder zu Grabe tragen müssen wie die Herren aus Jacksonsville, Florida. Erst im April erlag der langjährige Sänger Phil McCormack einem Herzinfarkt. Doch es wären keine Männer des Südens, wenn sie nicht aus jeder Krise mit stolz erhobenem Haupt zurückkommen würden. So steht aktuell mit "Battleground" eine neue Livescheibe in den Läden, das erste Studioalbum seit zehn Jahren soll in der Mache sein und getourt sind MOLLY HATCHET schon immer gerne. Auch wenn die Form zuletzt etwas nachließ machte sich NECKBREAKER gerne auf den Weg ins südhessische Bensheim, wo die Southern-Legende im Musiktheater Rex Station machte. Begleitet wurden sie von den Karlsruhern KING SAVAGE, mit denen sie schon öfter unterwegs waren.

Die lange Schlange bis unterhalb der Treppe hoch zu der denkmalgeschützten Stückguthalle ließ schon Gutes erahnen, die großen Mengen zog die Truppe bei den jüngsten Auftritten nicht mehr. Drinnen im jüngst ausgezeichneten Rex war dann auch kaum noch Platz für unsere Delegation, für Kaminabende haben die Altrocker der Rhein-Main-Region womöglich demnächst genug Zeit. Natürlich war der Altersschnitt ebenso wie der Männeranteil ziemlich hoch, aber der kernige Rock ist eben eher was für die harten Kerle, die feiern wollen.

KING SAVAGE
Von einer Vorband wusste eigentlich bis zuletzt niemand etwas, doch als noch vor dem offiziellen Beginn die Lichter ausgingen war klar, dass es eine Aufwärmübung gab. Und tatsächlich enterten fünf vergleichsweise junge Typen die Bühne und ebenso weniger betagte Damen machten sich in den vorderen Reihen breit. Dann gab es Vollgas, so schnell konnten die Zuschauer, die noch in die Bierbestellung involviert waren gar nicht schalten.
Der raue Rock der Jungs verpasste allen Anwesenden einen Tritt in den Allerwertesten, da war aber jemand im Angriffsmodus. Die Riffs wurden einem mit viel Elan um die Ohren gehauen, der Rhythmus kannte nur eine Richtung, die Spielfreude ließ die Funken sprühen, und das vom ersten Moment an. So sieht es aus, wenn jemand sein Publikum erobern will und zudem einen zusätzlichen Schub durch den Heimspielcharakter bekommt.

Klar war das alles nichts Neues was einem da von einem Haufen in Jeansklamotten serviert wurde, aber angenehm jung, frisch und ungestüm. Sänger Arthur King gab die coole Rampensau, der immer ganz vorne zu finden war, sich teilweise über die Köpfe der Zuschauer beugte. Dazwischen tänzelte er mit seinem Mikroständer herum oder versuchte die Zuschauer zu animieren. Da er auch eine Reihe lockere Sprüche in seinen Ansagen hatte, klappte das auch vorzüglich und stellte die räudige Straßenköter-Attitüde noch mehr heraus. Seine Vocals bellte er indes mit ebenjener hinaus.

Seine Mitstreiter legten ihm auch das passende Fundament darunter und trieben die knackigen Stücke voran, die Gitarren knallten, auch wenn die Soli vielleicht im druckvollen Klangbild etwas untergingen. Klar hat man schon tightere Formationen auf den Brettern gesehen, doch hier zählte vielmehr die Einstellung, die gemäß dem Opener "Full Speed Ahead" absolut stimmte. Da muss es eben mit Stageacting heraus gerissen werden und so standen rechts des Frontmanns zwei Gesellen mit Backenbärten und Partyhüten und standen dann doch nicht, denn sie waren ständig unterwegs.

Luke "The Duke" zockte lässig auf seiner Les Paul in Swirl-Lackierung und steuerte ein paar knarzige Vocals bei. Johnny Savage, sein Partner am Expander-Bass sah sich vor allem in der Rolle des Vorturners, der immer wieder das Publikum forderte. Auf der anderen Seite gab der zweite Axtmann Schmex den Zakk Wylde, bei dem man zwischen langer Mähne und Vollbart kaum etwas vom Gesicht sehen konnte Wenn er dann mal den Kopf aus seiner Posinghaltung heraus nahm, brüllte er ein paar Gangshouts ins Mikro, wobei dann das Mikro im Weg war.

Mit einem lässigen JOHNNY CASH-Cover nahm man nach dem kraftvollen Start erst einmal das Tempo raus, um auch die Nummer wieder rockig anziehen zu lassen. Wobei es sicherlich hilfreicher gewesen wäre, sich auf das eigene Material wie "Shot In The Back" oder "Walk On" zu konzentrieren. Auch die Anmoderation des AC/DC-Klassikers "Whole Lotta Rosie" hatte etwas von Coverband. Natürlich sorgte so ein Gassenhauer für noch mehr Stimmung als ohnehin herrschte, doch mit dem abschließenden Up-Tempo-Klopper "Down The Drain" zeigten sie am Ende, dass sie es auch alleine können.

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MOLLY HATCHET
Dass sie musikalisch eine andere Klasse sind war vorher klar, die Frage war eher, ob der Headliner das Energielevel halten konnte. Überraschenderweise gelang das vorzüglich, womit ich nicht unbedingt gerechnet hätte, als ich sie das letzte Mal auf dem SwedenRock sah wirkten sie recht müde. Dabei machte sich natürlich das Fehlen einer zweiten oder dritten Gitarre bemerkbar, doch die alten Haudegen konnten dies mit einer ungeheuren Leidenschaft überspielen. Zudem stopfte Keyboarder John Galvin, meist mit seinem elektrischen Kurzweil-Piano die Soundlöcher. Ganz gekonnt arrangierte er bei ihrem ganz großen hymnischen Epos, welches schon in der Mitte des Sets kam.

Das gut angeheizte Rex stand von Beginn an wie eine Wand hinter der Truppe, ehrlich gesagt stand es auch dicht wie die Steine einer Wand. Aber so muss das sein, da rinnt der Schweiß so richtig. Natürlich wurden die Fans Zeuge des altbewährten Eröffnungstriples, das scheinbar unumstößlich seinen Platz im Programm hat. Doch es ist genau das, was die Anhänger von der Formation erwarten, nie käme wer auf die Idee sich zu beschweren, abfeiern hieß es stattdessen. Vor allem das zweite Album stand klar im Fokus und bei der Womack-Komposition im Anschluss gab es den ersten großen Hüpfalarm unter den Altrockern.

Es sind die liebgewonnenen Traditionen, welche Band und Fans so sehr vereinen, ein Spirit, dem auch die vielen Besetzungswechsel nichts anhaben konnten. das familiäre Feeling kam auch dadurch auf, weil der Backliner und Merchandiser extra vorgestellt wurden, so sind die Söhne des Südens. Klar suhlen sich MOLLY HATCHET komplett in den Siebzigern, was sollen sie auch sonst machen, dieses ursprüngliche Blues Rock-Gebräu ist einfach ihre Welt. Obwohl sie optisch so langsam in den Neunzigern angekommen sind, die Cowboystiefel blieben unter den Jeans. Und selbstverständlich wurde immer wieder der Schlachtruf "Hell Yeah!" ausgegeben - und nicht nur "Yeah!", darauf ist Wert zu legen.

Ein paar Ausflüge gab es zu jüngeren Platten, doch auch die beinhalten viele raue Hymnen mit gerne langem Solo am Ende. Galvin durfte bei den Stücken vom letzten Langspieler auch mal seinen Korg Triton bemühen, was ein paar interessante Aspekte lieferte. Von mir aus hätte man gerne da ansetzen und etwas vom kommerzielleren 84er Werk "The Deed Is Done" auspacken können. Doch es war nicht nur was sie spielten, sondern wie sie es performten oder vielmehr fühlten. Da wurde das Herzblut in jede Note gelegt, vor allem Bobby Ingram präsentierte sich mit mitreißenden Spiel und seinem Feeling.

Er hält nun schon lange die Geschicke der Band in der Hand und er lebt diese auch, lässt sich durch nichts aufhalten. So stand er oft vorne und lässt die Finger über die Saiten laufen, so dass ihm seine Anhänger schön drauf schauen konnten. Manchmal legte er sich mit seinem Sechssaiter ganz weit zurück und hielt sein Instrument fast über dem Kopf. Den ziert immer noch die selbe blonde Tuff-Mähne wie damals als er zu der Truppe stieß. Darunter grinste er dauerhaft wie das sprichwörtliche Honigkuchenpferd aus seinem Bärtchen, seine fast kindliche Freude, sein Strahlen in den Augen verleihen ihm hohe Sympathiepunkte.

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Die erntete auch Kollege Tim Lindsey an den vier Saiten, entweder suchte er hinten seinen Rhythmuspartner Shawn Beamer oder poste vorne mit Ingram, um dann rechtzeitig zurück am Mikro zu sein. Auch in Sachen mehrstimmigen Refrains und Harmoniegesang konnte MOLLY HATCHET an dem Abend keiner was vormachen. Bei aller musikalischen Raffinesse machten die Herren mächtig Alarm auf der Bühne, die mittlerweile vollständigen ergrauten Locken des Bassisten war am Ende durchnässt.
Die Probleme hatte der erwähnte Schlagzeuger nicht, seine Matte strahlt immer noch in heldenhaftem blond. Dazu wurde sie die ganze Zeit von einem Ventilator hoch gewirbelt, was einen coolen Effekt erzeugte. Damit zog er einige Blicke auf sich, die er zusätzlich mit dem Kreisen seiner Stöcke verwöhnte. Zwischendurch gönnte er seinen Kameraden eine kurze Verschnaufpause, als er sich ein starkes Solo heraus haute, welches auch seine Dynamik unter Beweis stellte.

Mit so viel Energie verwandelte man das Rex irgendwann komplett in eine Partyzone, wer noch Haare hatte ließ diese fliegen. Stimme hatte jeder noch, einige auch gut geölt, weswegen John Elkins, der neue Mann am Mikro gar nicht lange um Singalongs bitten musste, sich in den Armen liegend stimmten die Anhänger lautstark mit ein. Jener schlurfte mit unglaublicher Coolness auf der Bühne herum, den Cowboyhut weit ins Gesicht gezogen, so dass auch er Fotografen vor einen Herausforderung stellte.
Gerne gab das Rampenlicht an seine Kollegen weiter, doch wenn seine raue Röhre gefragt war, war er da, um die Fackel seiner drei verstorbenen Vorgänger würdevoll weiter zu tragen. Wenn man die Augen schloss, wusste man nicht, wer denn nur vor einem stand. Nach einhundert Minuten war dann Schluss, Ingram ließ seine sechs Saiten noch einmal, vom guten Sound beflügelt, in der Zugabe glühen. Das proppenvolle Rex und die Fünf auf der Bühne waren schon lange eins, bei der anschließenden Autogrammstunde wurde das noch besiegelt. (Pfälzer)

Setlist MOLLY HATCHET:
Whiskey Man
Bounty Hunter
Gator Country
All Over Now
One Man´s Pleasure
Devil´s Canyon
 -Drumsolo-
Beatin´ The Odds
Gonna Live ´Til I Die
In The Darkness Of The Night
Fall Of The Peacemaker
Son Of The South
Jukin´ City
Dreams I´ll Never See
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Flirtin´ With Disaster

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(Fotos: Ralf)

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