Sweden Rock Festival (05. - 08.06.2019, Sölvesborg (S)) - Samstag, 08.06.2019

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Samstag, 08.06.2019


JARED JAMES NICHOLS (RockKlassiker Stage)
Er hat schon mehrer Auszeichnungen für sein Gitarrentalent bekommen und ebenso die Bühne als Support für unter anderem ZZ TOP, LYNYRD SKYNYRD, GLENN HUGHES, SAXON und UFO erklommen.
Dieser Kerl ist ein perfektes Beispiel dafür, dass Musik und speziell Blues nicht erlernt werden kann. Es kommt von innen und ist etwas mit dem Du geboren bist. JARED JAMES NICHOLS hat die Bluespower.
Vom ersten Moment an als er mit seinen zwei Freunden an Bass und Schlagzeug auf die Bühne kam, erhaschte der Gitarrist und Sänger Deine Aufmerksamkeit. Nichols lieferte Blues Rock mit Schärfe und Gefühl.

Schon nach ein paar Liedern fing sogar die Crew hinter ihm an zu tanzen. “End Of Time” rauchte richtig. Zum catchy Refrain hoben wir alle unsere Hände und klatschten.
Der Gitarrengott sieht mit seiner dicken Mähne, die er hier und da schüttelte wie ein beeindruckender Löwe aus.
In “Can You Feel It?” hauten seine Hände mehrmals rhythmisch auf das Instrument und Jared James Finger bewegten sich schnell darüber.
Er fing im Alter von vierzehn an zu spielen, doch er schien mit einer Gitarre in der Hand geboren zu sein. Sie ist wie ein Teil seines Körpers, ebenso die Musik, die nur so in ihm entsprang und als ein wunderbarer Strom, der uns alle entzückte aus ihm heraus kommt.
Ein unverwechselbarer Bestandteil ist, dass Nichols kein Plektrum verwendet, wie es neunundneunzig Prozent aller Gitarristen immer tun. Wie auch immer, diese plektrenlose Gitarrenspieltechnik ist nicht zum Nachahmen geeignet, da er manchmal wirklich spielt, bis seine Finger bluten.

Ein neulich geschriebenes Werk „Nails In My Coffin“ wurde performt. Danach hätte er fast nicht zu fragen brauchen „How are you doing Sweden? Are you ready to rock?“ denn jeder jubelte ihm mit einem glücklichen Gesicht zu. Aus dem coolen und verspielten Basssolo wurde das lange Intro zu „N.I.B.“. Dieses BLACK SABBATH-Cover war rau und hatte dennoch ein paar ruhigere Parts. JARED JAMES NICHOLS brachte es sogar besser als das Original, als ob sich amerikanischer Southern Blues Rock von seiner besten Seite zeigen würde. Der Löwenkönig ging hinüber zu einem der Lautsprecher und hielt seine Gitarre eine Zeit lang dagegen. Der Rhythmus verbreitete sich überall und in jedem.

Eigentlich muss man nicht erwähnen, dass ein Gitarrensolo gezockt wurde, denn das komplette Konzert war voll davon. Wie bei JOE BONAMASSA basiert die Musik auf diesem Instrument. Es ist ein charakteristisches Merkmal, ein Teil ihrer Shows und die Fans lieben es. Nach dem längsten Solo dankte Nichols uns auf Schwedisch „Tack så mycket“, das uns dazu veranlasste dasselbe zu ihm zu sagen.
Wir fanden viele instrumentale Abschnitte, in denen wir sein exzellentes, magisches Talent erfahren durften.

„Now Or Never“ wurde sowohl groovig als auch sexy dargeboten. Gitarren-Attacken kamen in einer geschmeidigen Form und der Frontmann schüttelte jeden letzten Ton aus sich heraus.
Bei „Playin´ For Keeps“ bearbeitete er seine Gitarre hinter seinem Rücken. Als das Instrument vor ihm war hielt er ihn mehr wie ein Piano und alle zehn Finger flitzen schnell über die Saiten.
Power und Heaviness kamen ebenso vom schwedischen Schlagzeuger Dennis Holm.

Die letzten Worte nach einem hochenergetischen Auftritt waren „See you all out there!“ Jared James brannte ein weiteres Gitarrensolo, gefolgt von zügigen Schlägen von den Drums.
Ich denke jeder verspürte, dass das Konzert ewig hätte dauern können. Niemand wollte, dass sie aufhören. Zuhause spiele ich die Scheiben immer und immer wieder, aber live war es natürlich viel besser.
Das ist Musik für die Seele. (Anna)

Setlist JARED JAMES NICHOLS:
Last Chance
Don’t Be Scared
Honey Forgive Me
End Of Time
Can You Feel It?
Nails In My Coffin
N.I.B (Black Sabbath-cover)
  -Guitarsolo-
Now Or Never
Mississippi Queen (Mountain-cover)
Playin’ For Keeps
The Gun

live 20190608 0103 jaredjamesnicholslive 20190608 0101 jaredjamesnichols

ELECTRIC BOYS (Rock Stage)
Die Electric Boys sind seit ihrer Reunion gern gesehene Gäste auf dem SRF und spielen in schöner Regelmäßigkeit auf dem Festival. So auch 2019! Während vor zwei Jahren eine spezielle Setlist präsentiert wurde, bei der das komplette zweite Album gespielt wurde, gab es dieses Mal wieder eine gemischte Playlist. Schwedische Bands haben in ihrem Heimatland seit jeher einen extrem guten Stand, weshalb es nahezu redundant ist zu sagen, dass der Auftritt ein voller Erfolg war.
Mit viel Hard Rock und einer ordentlichen Prise Funk groovten sich die vier Mitglieder durch eine Stunde ihrer Bandgeschichte, auch Songs des aktuellen Outputs wurden nicht unberücksichtigt gelassen. Wie immer bildete "All Lips And Hips" den viel umjubelten Schlusspunkt und wie immer konnte das Quartett auf die loyale Unterstützung des Publikums bauen. (David)

STYX (Festival Stage)
Beim Gang zur Hauptbühne fiel sofort die riesige Produktion auf, welche die Herren aus Illinois mitgebracht haben. Ich kann mich nur wiederholen, die langen Spielzeiten beim SwedenRock ermöglichen eben lange Umbauzeiten, in denen man so einen Aufbau hinstellen kann. Vor dem riesigen silbernen Backdrop standen um das Schlagzeug herum Treppen und Rampen, rechts war ein zweiter Synthesizer ausschwenkbar angebracht. Links stand das wie der Rest in Silber gehaltene Keyboard von Lawrence Gowan auf einem drehbaren Sockel.
Und die Formation wollte dem großen Bühnenoutfit in nichts nachstehen und riss einen Gig runter, der einem die Kinnlade gen Erde drückte. Da kamen fünf Musiker heraus, die an dem Tag nur eines wollten, nämlich diesen Gig zu spielen. Dieses unfassbare Selbstverständnis spürte der Zuschauer schon beim ersten Ton des Openers vom aktuellen Album „The Mission“, dem ersten seit vierzehn Jahren. In jedem der zehn Augen war die absolute Spielfreude abzulesen, unfassbar wie hungrig diese Formation in ihrem Alter noch ist.

Die drei Saitenvirtuosen waren permanent unterwegs, auch wenn die ganz schnellen Spurts nicht mehr drin waren. Speziell Tommy Shaw schaute mit seinen 66 Lenzen sehr drahtig aus und erklomm immer wieder die Rampen, um von dort einen Ausflug auf die andere Seite zu unternehmen. Auch sein Kollege James Young sowie Bassist Ricky Phillips nutzen die Aufbauten öfter, immer wieder traf man sich, spielte miteinander und offenbarte damit ein sehr gutes Bandgefüge. Showmen mit ihrer Erfahrung wissen wie man so eine Bühne ausfüllt, obwohl sie das alleine mit ihrem Auftreten hinbekommen hätten. Da saßen auch die klassischen Rockstar-Posen, in die sie sich warfen, nur um sich im nächsten Moment den Zuschauern zu widmen.

Nur einer schaffte sie alle, und setzte da noch einen drauf. Was der gute Lawrence an dem Nachmittag bot war Entertainment von einem anderen Stern. Er drehte sein Tasteninstrument immer so wie es die Dramaturgie verlangte, fügte sich trotz seiner fixen Position optimal ins Bild ein. Kein Wunder, denn kaum waren seine Künste nicht verlangt, schnappte er sich das Mikrofon und rannte nach vorne an die Rampe, um dort weiter zu singen. Danach ging es wieder zurück, wenn sein Arbeitsgerät anders herum stand war das auch kein Problem.
Von hinten wusste er es ebenso zu bedienen, oder auch wenn er darauf saß und durch seine Beine hindurch spielte. Wie aufgezogen sprang und hüpfte er über die Bretter, verlor dabei nie die Erhabenheit der Kompositionen, sondern unterlegte sie mit seinen Gesten. Als er sich schon seinem Jäckchen entledigte hatte, holte er sich ein neues und einen Hut, um dann am vorderen Rand zu coolen Dance-Moves weiter zu performen. Wer vermisst da noch Michael Jackson, oder auch seinen Vorgänger Dennis DeYoung?

Doch STYX rockten ihre Lieder nicht nur herunter, sondern zelebrierten sie zudem noch in wunderbarsten Tönen. Unfassbar wie man bei so einer energetischen Darbietung noch so tight zusammen spielen kann. All die feinen, dezent angeproggten Nuancen wurden klar heraus gearbeitet, wozu auch der perfekte Sound beitrug. Was da an Harmonien den Raum flutete, trieb einem die Erpelpelle das Rückenmark hinunter. Todd Suchermann hatte ich bisher immer unterschätzt, klar sein Jazzbackground sah man seiner Stickhaltung an. Wie er aber seine Breaks lässig heraus haute, den komplexen Arrangements Power verlieh war eine wahre Wonne, er war das Bindeglied zwischen Anspruch und Kraft, das so nur wenige hinbekommen.

Diese Formation lebte nicht in ihrer Vergangenheit, was sie mit dem letzten Werk unterstrichen, von dem es zwei Auszüge gab. Klar kamen die schon zu Beginn angekündigten vier Nummern von „The Grand Illusion“ und auch sonst wurde die Hochphase zelebriert. Von dem Werk bis zu jener Referenzscheibe gab es nur die Hitsingle vom zweiten Album. Doch mit der Spielzeit muss man auch haushalten, da blieben ein paar Titel außen vor, für die andere töten würden. Sie sind immer noch relevant und haben sich so ihre Musikalität bewahrt.
Alleine die mehrstimmigen Chöre kamen so auf den Punkt, dass es einem Tränen in die Augen trieb. Zweimal bekamen sie auch Unterstützung von Mitbegründer Chuck Panozzo, so dass Young die Möglichkeit hatte, sich am Zusatzsynth auszutoben. Der Bassist schafft gesundheitlich keinen kompletten Gig mehr, doch ähnlich wie Glenn Tipton von JUDAS PRIEST reist er weiterhin mit seiner Band. Es war wie ein Familientreffen, das tiefe Verständnis der Legende offenbarte sich ohnehin in jeder Note.

In der QUEEN-Bearbeitung, als man den Mittelteil von „Bohemian Rhapsody“ intonierte war er ebenfalls mit von der Partie. Diese ging in die ultimative Hymne über, bei der die Band noch einmal alle Register zog. Suchermann unterstrich die steigernde Dynamik mit seinen Fills, Gowan rannte zwischen Tasten und vorderster Front hin und her, um dann beim riesigen Refrain ganz darauf zu klettern und von dort oben die Tausenden zu dirigieren, die mitsangen. Nach so einem Höhepunkt konnte eigentlich nichts mehr kommen, doch der Jubel beorderte sie noch einmal zurück.
Endlich bekam ich jenen Hit zu hören, auf den ich schon warte seit ich mich mit elf für Populärmusik zu interessieren begann. Die Synthesizer flirrten, der Rhythmus pumpte, Kilroy war da! Mit einer weiteren Zugabe endete diese Demonstration, die alles verband war Musik ausmacht. STYX waren zuvor meine Favoriten im Billing, doch mit solch einem Triumphzug war nicht zu rechnen. Diese 75 Minuten werden als eines der besten Konzerte, die ich je sah in meine Vita eingehen. (Pfälzer)

Setlist STYX:
Gone Gone Gone
Blue Collar Man (Long Nights)
The Grand Illusion
Lady
Rockin´ The Paradise
Radio Silence
Miss America
Foolin´ Yourself (Angry Young Man)
Too Much Time On My Hands
Bohemian Rhapsody/Come Sail Away
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Mr. Roboto
Renegade

live 20190608 0316 styxlive 20190608 0310 styxlive 20190608 0302 styx

UFO (Sweden Stage)
Nachdem wir eine Truppe erlebt haben, die augenscheinlich so gar nicht an die Rente denkt, folgte eine, welche die letzten Bestellungen eingeläutet hat. Als die Briten auf die Bühne kamen schien es fast überfällig, dass sie sich auf das Altenteil zurückziehen. Mit schicken aber biederen Einreihern schlappte man sich auf die Bühne, der mittlerweile völlig kahle Phil Mogg trug Hut und wirkte leicht gebückt. Auch sehr licht oben war Neil Carter, der erst seit kurzem wieder dabei ist, da Paul Raymond den Abschied leider nicht mehr miterleben konnte. Und bei den jüngeren Mitgliedern hatte Vinnie Moore seit ich ihn zuletzt sah auch beachtlich Hüftgold zugelegt.

Doch schon mit den ersten Tönen sollte mich die Kapelle Lügen strafen, denn es rockte und rauchte, die Riffs knallten, das Solo jubilierte, die Rhythmusfraktion pumpte unentwegt und der Bewegungsradius war weit größer als gedacht. Natürlich stammte der Opener aus dem Fundus von „Strangers In The Night“, für viele das wohl letzte bahnbrechende Livedokument der Rockgeschichte. Auch nach vierzig Jahren sind UFO damit auf Promo-Tour und an dem Nachmittag sollte das Set zu mehr als der Hälfte aus Titeln bestehen, die darauf verewigt sind.
Dazu kam ein weiterer von „Obsession“, einem Studiowerk von dem auf dem Liveklassiker Songs zu finden sind. Zur Überraschung waren es mit „Force It“ und „No Heavy Petting“ aber die wohl stärksten Langrillen, von denen man einige Stücke vermisste. Aus der Moore-Ära gab es ebenfalls keine Kostprobe, doch sind wir ehrlich, seit dem Schenker-Comeback „Walk On Water“ wusste nur noch das bluesige „The Visitor“ zu überzeugen. Dafür packte man einen Hammer des angesprochenen 95er-Werkes aus und gedachte sogar der Paul Chapman-Ära.

Spätestens als sich die Herren etwas Luft verschafften, Jackets und Hut ablegten ging so richtig die Post ab. Dass das alles Könner, die seit Jahren eingespielt sind verwundert niemanden nach all den Jahren auf Tour. Das Händchen für den Song, das Timing, das Feingefühl, alles saß genau. Doch angetrieben von Andy Parker und Rob De Luca, der immer die vorderen Reihen suchte um geschmackvoll zu posen, kam auch richtig Druck dahinter.
Über diese Grundlage legte Moore seine Akkordfolgen, die seit jeher simpel aber unheimlich effektiv sind und genügend raue Kanten besitzen. Er war ungemein agil und suchte immer den Kontakt zu seinen Mitmusikern. Bei seinen Soli zeigte er dann die ganze Schule, die er gelernt hat, von gefühlvoll mit warmem Ton bis zu Skalenabfahrten beherrschte er alles. Und wie er es beherrschte, er zockte in allen Lagen, riss immer wieder seinen Sechssaiter hoch und machte dann hinterm Kopf weiter.
Man sah es ihm nicht an, doch der Frontmann hat den Rock´n´Roll immer noch in den Knochen. Auf seine charismatische Stimme konnte er sich seit jeher verlassen, charakteristisch war ebenso seine leicht geneigte Haltung über dem quer gehaltenen Mikroständer. Dazu ist Phil Mogg Gentlemen der alten Schule und wusste mit launigen Ansagen das Publikum zu animieren. Urbritisch, immer mit hintergründigen Humor und sich gerne mal ein Bierchen auf der Bühne gönnend, verliert die Szene ein Original.

Die Meute, die kaum jünger war als die Fünf auf der Bühne nahmen dankbar an und bereitete UFO einen gebührenden Abschied. Bei so viel Power und Ausstrahlung fiel es nicht schwer zu den Gassenhauern mit zu hüpfen. Die nächste Classic Rock-Party war im Gange, nicht die letzte an dem Tag. Sogar nach dem obligatorischen Showstopper gab es noch einen obendrauf. Auch Carter hielt es nur ungern hinter den Tasten, er schnappte sich lieber seine Les Paul und gab Gas. Nach dem was ich in Schweden gesehen habe, wären da noch ein paar Jahre drin, aber vielleicht sollte man aufhören, solange man es in Würde tun kann. So ein halbes Jahrhundert voll zu bekommen ist dann auch vielleicht der richtige Anlass. (Pfälzer)

Setlist UFO:
Mother Mary
We Belong To The Night
Venus
Lights Out
Only You Can Rock Me
Cherry
Love To Love
Making Moves
Too Hot To Handle
Rock Bottom
Doctor Doctor
Shoot Shoot

live 20190608 0409 ufolive 20190608 0406 ufo

SAXON (Festival Stage)
Die Bühne voll Marshall-Boxen, die nur darauf warten, richtig aufgedreht zu werden, das konnte nur eines bedeuten: Die nächsten Briten, die nächste Legende! Seit dem Tod von Lemmy ist das Quintett wichtiger denn je, eine der ganz Großen der NWOBHM. Und diesen Zeiten huldigten sie direkt zum Auftakt, die jeweiligen Titelsongs der „Holy Trinity“, jenen drei Alben mit denen sie diesen Stil wie kaum jemand anders geprägt haben wurden gleich verbraten. Was für so manche Combos ein Risiko darstellt, die gewohnten Zugaben schon früh zu bringen, ist bei dem Fundus von Biff und Co. Kein Problem. Sofort war natürlich Stimmung im Haus, die Norje Bucht hüpfte zu den Klängen der Kultsongs.

Ob es jetzt dramaturgisch so gewollt war, lässt sich nicht beantworten, doch in der Folge schob man die Titelsongs der drei letzten Scheiben nach. Die sind zwar partiell noch schneller, konnten aber das Level nicht ganz halten. Doch spätestens mit dem nächsten Nachschlag aus der Heiligen Dreifaltigkeit war der Deckel auch auf jenem Gig, von nun an wurde alles abgefeiert was kam. Da konnte man aus den Vollen schöpfen und auf Klassiker wie „20.000 Feet“ verzichten. Ebenso musste Biff nicht die Spielchen bringen, die Zuschauer per Schreien Songs auswählen zu lassen, der Beitrag von „Innocence Is No Excuse“ stand von vorneherein im Programm.

Er ließ die Fans sogar im Glauben, dass es an dem Tag keine Setlist geben würde, vielleicht ist er ja müde vom vielen Zerreißen. Zu müde, um nicht zu jedem Song eine Anekdote zu erzählen war der Sänger jedenfalls nicht, denn sein Redefluss war wie gehabt enorm. Wenn er sich nicht an die Zuschauer richtete, so fand die graue Eminenz des Metal in dem ständig gelobten Schlagwerker Nigel Glockler immer einen Gesprächspartner. Dabei stand er mit Witz und Charme seinem britischen Kollegen zuvor nur wenig nach. Über die neue Spielposition im Billing scherzte Biff süffisant, dass man beim nächsten Mal den Adler und die Burg mitbringen und als Headliner auftreten werde.

Da hätten nur wenige was dagegen, auf keinen Fall die Massen, die fortwährend „SAXON, SAXON“ skandierten. Die Mucker standen öfter gerührt da oben, schön zu sehen, dass man den Zuspruch nicht als selbstverständlich hin nimmt. Sie gaben auch alles zurück, Doug Scarratt und Paul Quinn waren ständig unterwegs, bei den Soli am liebsten ganz vorne am Rand. Zu Nibbs Carter am Bass ist ohnehin alles gesagt, er bangte sich wieder den Nacken ab und war der Antrieb der Mannschaft.
SAXON funktionieren wie eine gut geölte Metalmaschine, die Hits im Fünf-Minuten-Takt ausspuckt, so ging es auch da Schlag auf Schlag und alles wurde lauthals mitgegrölt. Die Riffs flogen über die Köpfe hinweg, der Rhythmus donnerte, egal ob im Galopp oder im Stampfschritt. Es gab kein Entkommen von der Soundwand, die Sachsen sind ohnehin nicht bekannt dafür, Gefangene zu machen. Das NWOBHM-Flaggschiff bleibt eine Bank, verlässlich wie guter Stahl. (Pfälzer)

Setlist SAXON:
Wheels Of Steel
Strong Arm Of The Law
Denim And Leather
Sacrifice
Battering Ram
Thunderbolt
And The Bands Played On
Broken Heroes
They Played Rock´n´Roll
Power And The Glory
Dogs Of War
Solid Ball Of Rock
Backs To The Wall
747 (Strangers In The Night)
Dallas 1 PM
Crusader
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Motorcycle Man
Heavy Metal Thunder
Princess Of The Night

live 20190608 0502 saxonlive 20190608 0504 saxon

HAMMERFALL (Rock Stage)
Schwermetallisch ging es weiter, viele brauchten sich nur umzudrehen, schon schwangen sich die Kutten hinüber zur zweitgrößten Bühne. Da haben die schwedischen Power Metal-Erretter zwar keine großen Aufbauten stehen, die Bühne ist dennoch komplett mit Leinwänden riesigen abgehängt, auch an der Seite. Ähnlich wie die anderen Local Heroes habe ich die Jungs schon öfter in Sölvesborg gesehen, so dass sie dieses Mal erst die Absage von ANNIHILATOR für mich interessant machte.
Noch bevor das eigentliche Konzert los ging war die Show schon am Laufen, das kommende Album „Dominion“ wurde angekündigt und ein neuer Song auf den Videoleinwänden gezeigt. Dazu wurde lang und breit über einen Videodreh und ein paar geplante Überraschungen fabuliert, wovon ich leider wenig verstand. Aber man muss es den Schweden lassen, ihre Helden so zu feiern, denn die sind sich auch nicht zu schade, zu ihren Fans zu kommen. Im letzten Sommer sah ich die Truppe beim Stadtfest in Kalmar.
Litt dieser Gig vor allem unter der Setlist, bei der die frühen Alben kaum zum Zug kamen, so waren diese Nummern trotz neuem Material wieder verstärkt vorhanden. Die mittlere Phase wurde bis auf zwei Auszüge aus „No Sacrifice, No Victory“ ausgeklammert. Geschmack hin oder her, man kann einen Gig oder Zugabeblock kaum besser beginnen als mit dem Opener von „Renegade“, was an dem Tag wieder unter Beweis gestellt wurde. Endlich auch mal wieder was vom wegweisenden Debüt und einen Nachschlag von „Crimson Thunder“, das mundete doch.

Dazu war die Band in guter Verfassung, Joacim Cans schien bester Laune, was bei seinen Ansagen immer wieder aufblitzte. Dazu war die Rampe ganz vorne sein Stammplatz und wenn er da nicht nahe genug an den Fans war, stieg er einfach in den Photograben hinab. Sein langjähriger Weggefährte Oscar Dronjak war viel unterwegs und ließ keine noch so reißerische Pose aus. Sein Partner an den sechs Saiten machte seine Meter eher zwischen dem Mikrofon für die Backings auf dem Riser und dem Steg, auf dem er seine Soli zelebrierte. Pontus Norgren brachte ein etwas erwachseneres Element bei HAMMERFALL mit ein, ab und an schimmerten ein paar bluesige Ansätze durch. Am ehesten war das in der Nummer zu hören, die seit der Compilation „Steel Meets Steel“ ihren Platz im Programm behauptet.

Bei einem so engagierten und spielfreudigen Brett war es kein Wunder, dass in der Norje Bucht die letzten Kraftreserven mobilisiert wurden. Keine Spur der letzten Tage war den Jüngern anzumerken, Hörner, Fäuste und Schwerter waren permanent in der Luft und die Haare flogen hinterher. Wie viel Spaß die Fünf bei ihrem Tun haben zeigte sich in der Vergangenheit schon öfter, als sie sich für alle möglichen Aktionen vor den Karren spannen ließen. Welche Rockstars komponieren schon eine Hymne für ein Curling-Team?
Und auch beim neuen Lied hat man die Verbundenheit mit den heimischen Anhängern und dem Festival im Besonderen zum Thema. Bei dessen Uraufführung durften denn auch zahlreiche Menschen auf die Bühne kommen, um als Chor mitzuwirken. Keine Ahnung wie viele Gewinner die ausgelobbt haben, aber es wurde ziemlich voll auf der Bühne, Berührungsängste hatten die Musiker aber nicht. Dies sind einfach so Aktionen, welche das Festival so sympathisch machen, selbst mancher sonst so bierernste Trueheimer hatte ein Lächeln auf den Lippen. (Pfälzer)

Setlist HAMMERFALL:
Legion
Hammer High
Renegade
Blood Bound
Any Means Necessary
Hero´s Return
Riders Of The Storm
Hector´s Hymn
Sacred Vow
Last Man Standing
Let The Hammer Fall
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Templars Of Steel
The Dragon Lies Bleeding
(We Make) Sweden Rock
Hearts On Fire

live 20190608 0608 hammerfalllive 20190608 0612 hammerfall

RAINBOW (Festival Stage)
Bereits 2016 leibäugelten die Veranstalter mit der Verpflichtung von RAINBOW, stand schließlich das 25-jährige Jubiläum an und die Gruppe war gerade frisch reformiert. Bekanntlicherweise wurde nichts daraus, und so dauerte es drei Jahre länger, bis die Band nun doch in Sölvesborg aufschlug. Für den Rezensenten im Übrigen auch eine Premiere, denn die Kapelle gehört zu den wenigen Großen, die er noch nicht gesehen hat.

Nach gleich zwei Intros betrat der Mann mit Zylinder (dieses Mal ohne jenes Attribut) mit seiner Gefolgschaft die Bretter und erzeugt sogleich frenetischen Jubel. Dem Mittelaltertreiben scheint er zumindest vorerst entsagt zu haben, doch vom Outfit her war Blackmore dem noch nicht entwachsen. Vielleicht wird er es auch nie mehr, ebenso wie der wilde Saitenhexer, für den er einst stand.
Passend zur vorgeheizten Stimmung gab man mit "Spotlight Kid" auch eine schnellere Nummer zum Besten. Es wurde unmittelbar klar ersichtlich wie gut RAINBOW aufeinander abgestimmt sind, obwohl sie nicht gerade viele Konzerte im Jahr spielen. Dreh- und Angelpunkt des Auftritts war jedoch mitnichten der Bandleader, dieser hielt sich doch auffallend im Hintergrund, nicht nur vom Stageacting her.
So fiel diese Rolle Sänger Ronnie Romero zu, der nicht nur auf besondere Weise sympathisch wirkte, sondern über eine großartige Stimme verfügte, die tatsächlich der Ronnie (nomen est omen) James Dios sehr nahe kommt. Dies kam selbstverständlich besonders bei den Stücken aus der Dio-Ära zum Vorschein, wobei aus dieser Epoche lediglich drei Songs beachtet wurden.

Ansonsten bot die Truppe einen nahezu repräsentativen Querschnitt des gesamten Schaffens. Nahezu eben nur deshalb, da die Zeit mit Doogie White komplett ausgeblendet wurde und auch die "Bent out of Shape"-Scheibe mit keinem Lied vertreten ist. All jene Ellipsen wären durchaus verschmerzbar gewesen, wenn Blackmore entgegen gegenläufiger Aussagen weniger DEEP PURPLE-Nummern gespielt hätte.
Es steht außer Zweifel, dass der Gitarrist ein paar PURPLE-Klassiker ins Programm integrieren möchte und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Ob es bei einem Set aus dreizehn Tracks und dem Umstand wie lange RAINBOW von der Bildfläche verschwunden waren, sinnvoll war mehr als ein Drittel seiner ersten Gruppe zu präsentieren, kann durchaus angezweifelt werden.

Generell kann Blackmore froh darüber sein, eine solch tolle Kapelle um sich geschart zu haben. Schließlich konnte er zwar musikalisch definitiv voll, menschlich aber kaum überzeugen und verhält sich sporadisch doch recht seltsam. Mit seinem Spiel zeigte er den Mitmusikern seines ehemaligen Sängers deutlich, mit welchem Feeling solche Kompositionen zu zelebrieren sind.
Da wussten seine Nebenleute mehr zu Präsenz zu übernehmen, auch wenn diese sich zumeist ebenso aus BLACKMORE´S NIGHT rekrutiert waren. Einzig Keyboarder Jens Johansson hatte keinen Stallgeruch und lieferte sich mit Romero immer wieder witzige Diskussionen um den Gebrauch von spanischer und schwedischer Sprache, zudem übernahm er aus dem Grund einige Ansagen.
Doch trotz der angeführten Kritik darf keinesfalls der Eindruck entstehen, dass es bloß ein durchschnittlicher oder gar schlechter Gig gewesen sei. Ganz im Gegenteil, der Auftritt fand auf höchstem und professionellen Niveau statt und dies goutierten auch die Fans, die mit breitem Lächeln im Gesicht die Bühne verlassen, nachdem das ultimative Rockriff schlechthin verklungen war. (David)

Setlist RAINBOW:
Spotlight Kid
I Surrender
Mistreated
Since You´ve Been Gone
Man On The Silver Mountain/Woman From Tokyo
Perfect Strangers
Black Night
Difficult To Cure
  -Keyboardsolo-
All Night Long
Stargazer
Long Live Rock´n´Roll
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Smoke On The Water

live 20190608 0703 ritchieblackmoresrainbowlive 20190608 0708 ritchieblackmoresrainbow

BLUE COUPE (4 Sound Stage)
Es mutet schon wie eine Verschwörung an, dass ausgerechnet die Unfähigkeit der sonst so klagefreudigen Firma Fraport den finalen Höhepunkt wie vor drei Jahren verhinderte. Weder der Krebs noch ein Alpensturm konnten BEHEMOTH aufhalten, am Frankfurter Flughafen haben sie die Gotteslästerung hin bekommen. Bei dem Fluch, der darauf jetzt lastet, möchte ich dort in keinen Vogel mehr steigen. Also blieben als Alternativprogramm noch die Schicksalsgenossen von DEADLAND RITUAL übrig, wobei das auch weit mehr war als künstlerische Resterampe.

Da gab es ein Wiedersehen mit den beiden Bouchard-Brüdern, die einst BLUE ÖYSTER CULT mitbegründet hatten und das Unternehmen verlassen mussten, als der Erfolg nach ließ. Joe, der filigrane Drummer und der kreative Kopf Albert, der das „Imaginos“-Konzept initiierte. Sie haben sich mit Dennis Dunaway zusammen getan, dem Bassisten der originalen ALICE COOPER GROUP und gemeinsam zwei Alben eingespielt. Doch die Vergangenheit wird nicht ruhen gelassen, so gab es mit „(You Are Like) Vampires“ nur ein eigenes Stück zu hören.

Dennoch kann man das Ganze nicht als reine Coverband abtun, zumal jener Titel die Geschichte der Bouchards fortführte. Es gelang ihnen mit nur drei Leuten ein paar schöne Gesangsharmonien zu zaubern, von denen auch die Eigenkomposition profitierte. Etwas verwirrend war das schon, ein Menü serviert zu bekommen, welches von zwei Köchen angerichtet wurde, es sollte jedoch funktionieren. Mit ein paar Standards der Erfinder des Metal-Umlauts ging es los und die letzten Verwegenen feierten noch, als der große Rest hinter ihnen den Hügel hoch zum Ausgang schob.

Ebenso verwunderlich war der dritte Mikroständer auf der linken Seite der Bühne, denn so viel war das Trio nicht unterwegs, als das es noch eines zum Ausweichen gebraucht hätte. Viel eher brachte man die Songs mit viel Feeling, sehr tight und homogen dar, setzte dabei auf die viele Erfahrung. Als dann der Block aus dem Repertoire des Schock-Großmeisters begann, schlurfte Ryan Roxie auf den vakanten Posten. Der gehörte zwar nicht zur originalen Band, begleitete den guten Alice aber auch einige Jahre. Mit ihm wurde der Auftritt noch lässiger und ebenso kraftvoller.

Mit seiner viel zu großen Mütze und seinen bunten Bändern war der von da an zweite Gitarrist optisch eine andere Erscheinung. Passend zum vollen Sleaze-Outfit waren auch sein Spiel und seine Bewegungen die Coolness vor dem Herrn. Mit der tief hängenden Axt brachte der Paradiesvogel richtig Farbe ins Spiel, da saßen die Posen. Ein Überraschungsgast zu später Stunde ist immer gerne gesehen.
Gerne gesehen waren auch die guten alten Nummern, wobei hier nicht unbedingt die bekanntesten zum Besten gegeben wurden. Klar konnte man sich „(Don´t Fear) The Reaper“ oder „Godzilla“ ebenso wenig verkneifen wie „School´s Out“ und „No More Mr. Nice Guy“, doch der Griff in die Kiste förderte ebenso „Hot Rails To Hell“, das von METALLICA popularisierte „Astronomy“ oder „Black Juju“ hervor.
Das ging Zuschauern und Band so gut ab, dass man gar nicht mehr auf die Uhr schaute und doch amtlich überzog. Völlig egal, schließlich sangen sogar die Security-Mitarbeiter mit. Also musste der Haufen nach dem offiziellen Ende noch einmal brainstormen und wurde sich einig, indem das ewig junge „Born To Be Wild“ ausgepackt wurde. Ein schöner Abschluss eines großartigen Festivals, ein herrlicher gediegener Ausklang. (Pfälzer)

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