Interview mit Achim Müller (Musikpark und Stadt Homburg)

interviews 20200604 musikparkhomburgWie meine Redaktionskollegin Sarah-Jane in ihrem Artikel bereits angekündigt hat, haben wir vom Neckbreaker Magazin in den vergangenen Wochen eine ganze Reihe von Interviews geführt mit Vertretern der nationalen und internationalen Kulturszene - genauer gesagt mit vielen verschiedenen Veranstaltern, Bands, Künstlern und Promotern.
Wir möchten damit den Menschen, die für uns Musikliebhaber mit ihrer Kreativität und ihrem Engagement so besonders wichtig sind, eine Plattform bieten, euch und uns mitzuteilen, wie sie mit den Einschränkungen durch die "Corona-Maßnahmen" leben und umgehen.

In der Location der ehemaligen Diskothek "Village" in Homburg/Saar hat sich seit ein paar Jahren der Musikpark als Liveclub etabliert. Dieser hat sich auf Wochenendveranstaltungen in der Herbst/Winter-Saison spezialisiert. Der Veranstalter dort ist Achim Müller vom Kulturamt der Stadt, der in so ziemlich alle größeren Events wie dem Maifest oder der Kultursommer-Reihe involviert ist. Aufgrund seiner Arbeit in der Verwaltung und als öffentlich-rechtlicher hat er ein paar andere Einblicke. Grund genug für unseren Redakteur Rainer sich mit ihm zu dem Thema in Verbindung zu setzen. Dabei zeigte er sich Mitte April etwas zu optimistisch hat aber mit einigen düsteren Vorahnungen leider Recht behalten.

Neckbreaker Magazin: Wie beeinflusst das Veranstaltungsverbot Eure tägliche Arbeit? Welche Auswirkungen hat das ganz konkret auf Euch?

Achim Müller: Wir haben zurzeit mehr Luft, um uns auf die Konzert-/Theater-Saison 20/21 vorzubereiten, wir machen Ausschreibungen für das kommende Jahr, bringen die Buchhaltung auf Vordermann, für all das, was wir so ab Mai/Juni gestartet hätten (oder was vermutlich komplett liegen geblieben wäre), haben wir nun etwas mehr Zeit. Ich selbst entwerfe den Kulturkalender 20/21, dessen grafische Gestaltung bis dato für teures Geld immer extern vergeben wurde. Einige von uns sind an verschiedenen Tagen im Homeoffice, so was wie Kurzarbeit gibt’s bei uns nicht.

Neckbreaker Magazin: Haltet Ihr persönlich das Veranstaltungsverbot für eher angemessen oder eher übertrieben?

Achim Müller: Die Entscheidung der Stadt, alle städtischen Veranstaltungen bis Ende Mai auszusetzen, erachte ich als vertretbar. Ich bin nur der Auffassung, dass zunächst Bund und Land die Rahmenbedingungen schaffen müssen, erst dann sollten die Kommunen für sich selbst auf Basis dieser Festsetzungen ihre Entscheidungen treffen. Voreilige Beschlüsse auf regionaler Ebene können schnell nach hinten losgehen, z. B. wenn vorschnell eine längerfristige Veranstaltungssperre verhängt wird, ohne die allgemeine mittelfristige Entwicklung abschätzen zu können.
Dass nun viele Veranstaltungen auf kommunaler Ebene sogar bis Ende August gecancelt werden, obwohl die Definition von Großveranstaltung noch gar nicht genau geregelt ist, ist wieder so ein Schnellschuss. Sollten nämlich kleinere Konzerte z.B. bis zu 500 Besuchern bereits ab Mitte Mai oder Juni erlaubt werden, ist eine Kehrtwende bei diesen bereits abgesagten Events nicht mehr möglich.
Wir haben in Homburg viele kleinere Veranstaltungen, die auf keinen Fall einer Falschauslegung der Regelung zum Opfer fallen dürfen. Das Jägersburger Strandfest mit seinen beiden Open Air-Bühnen ist sicherlich nicht zu halten, der Musiksommer am Freitagabend und Samstagmorgen müsste mit Einlasskontrollen über die Bühne gehen, was logistisch kein Problem wäre.
Alles in allem muss es zeitnah eine Lockerung geben, damit sowohl Künstler als auch private Veranstalter und Bühnentechniker überleben können. Ein guter Vorschlag wäre zum Beispiel, die Aufhebung des Gaststättenbesuchsverbotes zeitgleich mit der Erlaubnis von Kleinveranstaltungen Mitte Mai zu realisieren, damit die Szene wieder allmählich lebendig wird.

Neckbreaker Magazin: Erwartet Ihr, dass Euch später mal Bands ganz konkret unterstützen werden, z.B. durch den Verzicht auf Gage?

Achim Müller: Nein, warum sollten sie das tun? Die sind doch selbst am meisten von dem Veranstaltungsverbot betroffen. Da sind wir als öffentlich-rechtliche Veranstalter gefragt, nach Aufhebung der Restriktionen wieder möglichst aktiv zu sein und den Künstlern wieder Aufträge zu sichern.

Neckbreaker Magazin: Welche Maßnahmen, ggf. auch freiwillige, werdet Ihr ergreifen, damit Besucher zukünftig sicher Eure Konzerte besuchen können? Rechnet Ihr in Zukunft mit konkreten Auflagen des Gesetzgebers bei der Durchführung von Events und was würde Euch vor besonders große Herausforderungen stellen? Wann glaubt Ihr, geht es endlich mit Konzerten und Festivals wieder weiter?

Achim Müller: Wir müssen uns streng an die behördlichen Vorgaben halten, auch wenn wir diese manchmal nicht zu 100 % teilen. Aber der Besucher soll an der ordnungsgemäßen Einrichtung der örtlichen Gegebenheiten nicht zweifeln müssen. Ein Abstandsgebot bei Konzerten halte ich für schwierig, Maskenpflicht wäre m. E. ebenfalls ein No-Go. Wenn es machbar ist, sollte auf eine möglichst weiträumige Bestuhlung mit Tischen geachtet werden. Der Ticketverkauf in Säälen mit Reihenbestuhlung könnte so geregelt sein, dass nur jeder zweite Platz belegbar ist.
All das darf aber keine Dauerregelung werden, irgendwann muss damit auch Schluss sein, spätestens dann, wenn die Infizierungsquote weiter abfällt und die Genesungsrate auf zwei Drittel der Gesamtinfizierten ansteigt. Dann lassen sich die gegenwärtigen Vorsichtsmaßnahmen nicht mehr verkaufen. In diesem Zusammenhang muss eh darauf geachtet werden, dass die Stimmung innerhalb der Bevölkerung nicht kippt. Aufständige Bürger, die sich zu stark in ihren Rechten eingeschränkt fühlen, sind eine größere Gefahr als eine großzügige Lockerung der Sanktionen.

Neckbreaker Magazin: Befürchtet Ihr, dass das aktuell weit verbreitete Livestreaming von Konzerten zukünftig negative Auswirkungen auf Euer Business haben wird?

Achim Müller: Nein, damit wird schnell wieder Schluss sein, sobald sich die Lage normalisiert hat. Die Mehrheit der Musikfreaks und Konzertgänger ist Ü 40, die wollen ein Konzert live vor Ort erleben und nicht am Bildschirm.

Neckbreaker Magazin: Habt Ihr bereits eine staatliche Unterstützung erhalten oder habt Ihr Hoffnung darauf, dass der Staat Euch unterstützt?

Achim Müller: Wir sind quasi der Staat, trifft für uns nicht zu.

Neckbreaker Magazin: Was hättet Ihr als Teil der Kulturszene anders gemacht, wenn Ihr auf Entscheidungen hättet Einfluss nehmen können?

Achim Müller: Hab ich zum Teil bereits erörtert. Immer abwarten, bis die Fakten auf dem Tisch liegen und die Prognosen wasserdicht sind, keine Schnellschüsse.

Neckbreaker Magazin: Wie können Fans und Interessierte Euch ganz konkret unterstützen? Plant Ihr oder habt Ihr schon ein Crowdfunding?

Achim Müller: Siehe oben, trifft für uns nicht zu.

Neckbreaker Magazin: Nach welchen Kriterien plant Ihr eigentlich zukünftige Veranstaltungen, wenn man diese momentan eigentlich gar nicht richtig planen kann? Befürchtet Ihr einen Overkill an Konzerte im Herbst/Winter?

Achim Müller: Man kann m. E. alle Veranstaltungen Herbst/Winter 2020 ff. planen, bis dahin hat sich die Lage entspannt. Die Zahl der Konzerte wird gegenüber 2019 zu Jahresende ansteigen, um auch die Ausfälle zu kompensieren. Das ist ok, zumal auch die Nachfrage größer ist und somit ein größerer Bedarf besteht.

Neckbreaker Magazin: Vor was habt Ihr momentan am meisten Angst?

Achim Müller: Vor Panikmache und unkontrolliertem Handeln. Gerade im Ausland ist das ein Thema, bei uns hält sich die Gefahr in Grenzen.

Neckbreaker Magazin: Könnt Ihr der Situation eigentlich auch etwas Positives abgewinnen?

Eigentlich nur die Tatsache, dass die meisten Menschen verantwortungsbewusster handeln werden und ihre Prioritätenliste überdenken werden. Wichtig ist auch, dass Deutschland endlich kapiert hat, dass nicht alles, was kein High Tech ist, aus Kostengründen im Ausland produziert werden sollte.

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