Runrig - Live At Rockpalast 1996 & 2001

runrig liveatrockpalastVor zwei Jahren verabschiedete sich die schottische Folk Rock-Legende nach 45 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand. Wie es bei alten oder nicht mehr existenten Bands üblich ist, werden überall die Archive durchforstet, ob nicht noch etwas Verwertbares zu finden ist. Da bilden RUNRIG keine Ausnahme, aufgrund ihrer engen Beziehung zu Deutschland waren sie bei uns auch zweimal im Rockpalast zu Gast. Diese einst im TV ausgestrahlten Mitschnitte sind nun in einer Box erhältlich, die bei den Rockpalast-Spezialisten M.I.G. erscheint. Interessant wird "Live At Rockpalast 1996 & 2001" dadurch, dass die beiden Konzerte in verschiedenen Line-Ups eingespielt wurden, auch sonst unterscheiden sie sich stark voneinander.

Schon alleine die Tatsache, dass der Auftritt vom 03.02.1996 in Düsseldorf auf der letzten Tour mit Originalsänger Donnie Munroe aufgezeichnet wurde, während am 15.12.2001 im Kölner Palladium Bruce Guthro der Truppe vorstand, macht die Eigenheiten offenkundig. Denn die beiden Frontmänner sind in ihrer Art schon sehr unterschiedlich mit jeweils klar gezeichnetem Charakter. Der der Schotte Munroe, der für sein Land in die Politik ging und der immer etwas eine britische Distanziertheit an den Tag legte.
Das macht sich schon bei seinen Bühnengebaren deutlich, wo er nie die große Nähe aufkommen lässt, stattdessen von seinem Charisma lebt. Dabei steht er manchmal auf einem kleinen Steg vom Riser auf der Bühne etwas über den Dingen und weiter weg vom Publikum. Auch outfittechnisch wirkt er mit seiner Fön-Frisur und zugeknöpftem Hemd etwas strenger als sein Nachfolger. Nicht nur dieses Achtziger-Erscheinungsbild ist anders als die RUNRIG, die ich kennenlernte, die größere Nähe zu den Folkwurzeln manifestiert sich Kilts, die einige Musiker tragen.
Guthro ist da ein ganz anderer, manche mögen sagen hemdsärmelig, auf alle Fälle sehr kumpelhaft. Er wirkt greifbarer, nimmt die Zuschauer mehr mit, aber auch seine Band. Das äußert sich während des Gigs, indem er wesentlich mehr Singalongs fordert und diese auch bekommt. Lebendiger wurde die Formation mit ihm, ist agiler auf der Bühne unterwegs. Wenn er dann mal oben steht, dann ganz vorne auf den Monitoren, um seinen Fans möglichst nahe zu sein. Passend dazu fällt sein Timbre auch rockiger aus, was sich auf das Spiel seiner Mitstreiter auswirkt.

Klangtechnisch machen auch die beiden Tastenmänner den Unterschied, wobei ein Pete Wishart auf den beiden DVDs deutlich mehr im Fokus steht als später Brian Hurren. Das liegt auch daran, dass er mittig auf dem Podest platziert ist während die beiden Schlagwerker zu seinen Seiten sitzen. Er stieß in den Achtzigern zur Band als man die Folkwurzeln mit rockigen Elementen der auslaufenden Post Punk-Welle anreicherte. Da schließt er sich mit seinem Spiel klar an jene Ära an, bringt klassische Synthesizersounds aus der Hochzeit jener Klänge mit ein. Das verleiht den Kompositionen, auch unterstützt durch die optische Komponente einen eher poppigen Touch, er selbst kann im Gesamtkontext Akzente setzen, gerade bei sphärischen Stücken.

Damit kann ein Brian Hurren nicht dienen, zumindest eben nicht zu der Zeit, als das Konzert aufgenommen wurde. Als fast junger Knabe mit seinen damals gerade 21 Jahren war er im Verhältnis viel jünger als der Rest, deutet aber schon sein großes Talent an. Doch er wirkt noch sehr unsicher und zaghaft, so steuert er nur selten Backgroundgesang bei, später übernahm er bei einigen Songs sogar den Leadgesang. Sein Spiel ist sehr songdienlich und schon ein wenig erdiger als das seines Vorgängers. In den kommenden Jahren sollte er auch als Produzent die Geschicke von RUNRIG entscheidend mitbestimmen, den rockigen Kurs trotz seines Hangs zur Elektronik weiter prägen und so den Sound auf eine neue Stufe heben.

Was beiden Konzerten auf alle Fälle gleich ist, ist die enge Beziehung der Band zu ihrem Publikum, die Treue der Anhänger war schon einzigartig, wobei es seltsam war, dass diese wunderbare Band außerhalb ihrer Kernbastionen Deutschland, Schottland und Dänemark kaum stattfand. Trotz des Status als ewiger Geheimtipp konnten sie dort Tausende Leute auf die Konzerte ziehen, welche sich in beiden Mitschnitten lautstark bemerkbar machen. In beiden Fälle ist die Menge auch gut eingefangen worden und gibt so ein Bild der Begeisterung wieder. Auch die Band selbst agiert auf beiden Gigs ungeheuer tight und feinfühlig, jeder Ton ist mit Bedacht gesetzt.
Hinten treibt Ian Bayne am Drumkit an, dazu füllt Percussionist Callum McDonald ein paar Soundlöcher mit interessanten rhythmischen Variationen. Sein Bruder Rory, mit dem er RUNRIG zusammen gegründet hatte gibt mit seinem pumpenden Bass noch mehr Druck und liefert bei den Harmonien einen guten Gegenpart zu den jeweiligen Frontmännern. Und Malclom Jones war seit jeher die treibende Stütze in ihrem Klangkosmos, sein warmer Gitarrenton transportiert herrlich die Melancholie und Atmosphäre der Lieder. Dazu bedient der unterschätzte Gitarrist den aus schottischer Musik einfach nicht wegzudenkenden Dudelsack.

Sein Instrumental "On The Edge", das in den letzten Jahren immer die Zugabe eröffnete fehlt allerdings auf beiden Konzerten, in Köln gab es mit "Tureadh Iain Ruaidh" aber eine gute Alternative. Überhaupt konzentriert man sich bei beiden Auftritten sehr auf die damals jüngsten Alben, in Düsseldorf auf die vier letzten mit Donnie Munroe und auf der anderen Rheinseite auf die zwei damals mit Bruce Guthro eingespielten. So kommt das Durchbruchsalbum "The Cutter & The Clan" kaum zum Zuge, vor allem das unsterbliche "Hearts Of Olden Glory" wird schmerzlich vermisst. Ebenfalls unverzichtbare Hits wie "Alba", "Every River", The Pride Of Summer" oder "Protect And Survive" sind nur je einmal vertreten. In der jüngsten Vergangenheit wurde mehr in der Geschichte gegraben und meist nur das ganz aktuelle Album vor gestellt. Auf der anderen Seite gibt es bei den Rockpalastaufzeichnungen ein Wiedersehen mit lange nicht mehr gehörtem wie "City Of Lights" und "Ard" auf der einen, sowie "One Thing" und "An Sabhal Aig Neill" auf der anderen.

Interessant ist auch zu sehen, wie sehr sich das Medium der DVD in den knapp sechs Jahren zwischen beiden Gigs entwickelt hat. Auf dem ersten Silberling sieht man noch große schwere Kameras, die oftmals im Bild stören, dazu wirkt das Bild statischer, wobei man teils lange in den einzelnen Einstellungen bleibt. Beim zweiten Gig ist die Produktionstechnik schon viel weiter, die Kameras halten sich komplett im Hintergrund, die Fahrten damit sind viel besser am Geschehen dran, bringen es näher an den Zuschauer vorm Bildschirm. Klangtechnisch gibt es auf beiden Teilen nichts zu bemängeln, was ebenso für die CD-Versionen gilt.
Allerdings waren die letzten Konzertmitschnitte technisch noch besser umgesetzt, vor allem das Licht wurde besser eingefangen und die Farbstiche wurden im Gegensatz zu hier meist eliminiert. Dennoch muss man die Box jedem Fan ans Herz legen, da "Live At "Rockpalast 1996 & 2001" auch die Entwicklung der Formation gut abbildet. Sympathisch kommen auch die Weihnachtslieder rüber, welche die Band beim Konzert in Köln einstreut, mit ihnen hat die Musikwelt sicher eine große Truppe verloren, welche Traditionen gerne in die Jetztzeit weitergetragen hat. (Pfälzer)

 

Bewertung Album:

Pfaelzer8,0 8 / 10

 

Anzahl der Songs: 12(CD1) / 11(CD2) / 14(CD3) / 10(CD4) / 23(DVD1) / 24(DVD2)
Spielzeit: 63:34 min(CD1) / 55:46 min(CD2) / 63:46 min(CD3) / 60:07 min(CD4) / ca. 125 min(DVD1) / ca. 125 min(DVD2)
Label: M.I.G. Records
Veröffentlichungstermin: 30.10.2020

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