Atrocity - Okkult

atrocity_okkultDrei Jahre nach „After The Storm“ veröffentlichen ATROCITY mit „Okkult“ nun ihr mittlerweile 12. Studioalbum. Wobei ich zugeben muß, daß „After The Storm“ komplett an mir vorbei gegangen ist. ATROCITY fand ich eigentlich schon immer interessant, aber doch nicht interessant genug. Live ja, gerne, auf Platte eher nicht. „Atlantis“ fand' ich aber ganz nett und habe mir daher (und weil die 80er entgegen anderslautender Meinungen doch coole Songs hatten) „Werk 80 II“ zugelegt und war dann doch eher enttäuscht. ATROCITY waren damit erst mal ad acta gelegt.

Da kommt mir jetzt „Okkult“ auf den Tisch geflattert. Mal sehen, was das Album kann. Daß ich „After The Storm“ nicht kenne, sollte kein Problem sein, ist „Okkult“ doch das erste Album einer Trilogie. Also schauen wir mal, was die Scheibe so zu bieten hat.  Nun ja. Ich habe lange gebraucht, bis ich wußte, was ich von der Scheibe halten soll. Das heißt, so richtig weiß ich es immer noch nicht.

Zum einen hat die Band wahnsinnig viel Arbeit und Mühe in das Album gesteckt. So kommen die Chöre nicht aus der Dose, sondern wurden vom Lingua Mortis Orchestra unter Leitung von Victor Smolski (RAGE) eingespielt. Auch der Sound ist sehr fein. Zudem singt Alex Krull nicht so gruselig wie phasenweise auf „Werk 80 II“. Und als besonderes Schmankerl gibt es einen geheimen Bonustrack, der irgendwo in Europa versteckt ist. Hinweise auf den Fundort gibt es im Booklet der Digipakversion. Und so ist das auch bei den beiden noch fehlenden Alben der Trilogie geplant. Metal goes Geocaching.

Klingt soweit also schonmal ganz gut. Aber auf der anderen Seite verwirrt mich „Okkult“ dann doch. Wäre da nicht der tolle, glasklare Sound, das echte Orchester und das Wissen, daß es ATROCITY schon seit fast 30 Jahren gibt – dann würde ich behaupten, dieses Album stammt von einer Band, die ihren Stil noch nicht gefunden hat, die noch nicht weiß, was sie will, die aber viel kann und das unbedingt jedem auf die Nase binden muß. Da werden in den Titeln diverse Sprachen (Englisch, Deutsch, Spanisch, Französisch (und hey, wenn wir bei Pandemonium das E durch ein Æ ersetzen, dann sieht das Norwegisch und damit richtig evil aus und wir haben mal gezeigt, wie viele Sprachen wir so können!)) verwurstet, die Texte sind dann aber doch nur Englisch und Deutsch. Da kann es auch schon mal vorkommen, daß man sich nicht entscheiden kann, in welcher Sprache man jetzt „Paris“ aussprechen soll.

Auch musikalisch scheint man nicht so recht zu wissen, wo man eigentlich hin will und bedient sich bei diversen Vorbildern, wie THE VISION BLEAK („Pandæmonium“, „Necromancy Divine“), ICED EARTH („Murder Blood Assassination“), DARK TRANQUILLITY („When Empires Fall To Dust“, „Beyond Perpetual Ice“), MOONSPELL („Haunted By Demons“), SUBWAY TO SALLY („Satans Braut“) oder HOLLENTHON („March Of The Undying“, „Todesstimmen“). Und so krude, wie diese Bandzusammenstellung klingt auch die Songzusammenstellung auf diesem Album. Daß die hier genannten Bands zum Teil wesentlich jünger als ATROCITY sind, läßt dann auch den Vorbildstatus wegfallen und es bleibt – ja, was? Die Kopie?

Nun ja, nicht ganz. ATROCITY haben immer noch ihren eigenen Sound, aber so richtig rund ist „Okkult“ nicht. Dazu werden diverse Stile zu sehr gemixt, mal glaubt man, ein Hardcore-Album zu hören, dann ist es eher Thrash, dann eher Death, dann fast schon Poprock. Die Wechsel verlaufen oft sehr sprunghaft von Song zu Song, teilweise auch innerhalb der Songs, was dem Album etwas den Fluß nimmt. Sehr störend empfinde ich auch, daß manche Songs keinen richtigen Schluß haben, ja, wie abgeschnitten wirken, so als hätte irgendwer keine Lust gehabt, sich das Outro der Songs ganz zu Ende anzuhören. Besonders störend fällt das bei „Satans Braut“ und „When Empires Fall To Dust“ auf. Auch hier geht der Fluß des Albums verloren.

Ansonsten sind auf diesem Album für meinen Geschmack zu viele Soundsamples verbraten, obwohl es ja schon ein echtes Orchester und echte Chöre gibt, die auch wirklich was hermachen. Da hat wohl jemand eine Soundsample-CD zum Geburtstag bekommen und muß jetzt sein neues Spielzeug ausprobieren. Zum Glück verlegt sich Alex Krull wieder mehr aufs Growlen. Singt er doch einmal clean, wie bei „Satans Braut“, dann erinnert man sich wieder daran, daß irgendjemand dem Herrn Krull mal stecken sollte, daß er nicht clean singen kann. Dafür kann er aber ganz gut shouten, wie er in dem thrashigen „Death By Metal“ schön beweist.

Neben dem ganzen Klimbim hat man aber doch noch ein paar wirklich schöne Gitarrensoli auf „Okkult“ versteckt, z.B. in „Haunted By Demons“ und „Satans Braut“. Und trotz der vielen Kleinigkeiten, die einem negativ auffallen, ist „Okkult“ kein schlechtes Album geworden. Es ist episch und pompös, erinnert teilweise schon an Filmmusik (z.B. das Intro von „March Of The Undying“), wirkt aber nie übertrieben. Vielleicht stellenweise etwas überambitioniert, aber das kann man relativ leicht ausblenden. Es ist hart und steckt voller Nackenbrecher, hat aber gleichzeitig auch eine weiche Seite, der es aber nie erlaubt wird, Überhand zu nehmen.

Das Material ist jedoch eher sperrig. Aber irgendwo haben sich auch ein paar richtig coole, eingängige Songs versteckt, die nicht nur live sicher gut kommen, sondern auch das Zeug zum echten Ohrwum haben. Dazu gehören z.B. das sehr pompöse, gleichzeitig auch extrem verspielte, zu Beginn an Filme mit Johnny Depp erinnernde „March Of The Undying“ oder auch „Haunted By Demons“ mit seinem coolen Groove. Auch „Satans Braut“ kann man sich nur schwer entziehen, obwohl ich den Song musikalisch sogar eher langweilig finde. Als Fan der Band wird man sich aber sicher über Okkult freuen. Auch ich muß sagen: „Okkult“ ist kein schlechtes Album, aber zum ATROCITY-Fan werde ich auch hiermit nicht. (Anne)


Bewertung: 7 / 10

Anzahl der Songs: 12
Spielzeit: 55:37 min
Label: Napalm Records
Veröffentlichungstermin: 26.04.2013
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