Unitopia - Artificial

unitopia_artificial_cover.jpgMit ihrem Zweitling „The Garden“ waren UNITOPIA 2008 eine der progressiven Überraschungen des Jahres. Die Australier transportierten auf dem knallbunten Mammutwerk gekonnt ihre Wurzeln in die Neuzeit und versahen sie mit einem gehörigen Schuss Melodien. Nach vielen positiven Kritiken machte man sich schnell wieder an die Arbeit, um direkt nachzulegen.
In der Zwischenzeit musste das kreative Gespann aus Sänger Mark Trueack und Keyboarder Sean Timms die Rhythmussektion austauschen und vergrößerte mit Saxophonist Peter Raidel das Line-Up sogar noch. In der neuen Besetzung spielte die Truppe „Artificial“ ein, der interessierte Hörer wird vor allem gespannt sein, was sich sonst noch in „Down Under“ geändert hat.

Die musikalischen Veränderungen verhalten sich ähnlich wie das Ausscheiden der Musiker zum Gesamtsound. Sie hinterlassen eine Lücke, aber da sie wenig am Entstehungsprozess beteiligt waren, fällt dies nicht so gravierend aus. Ebenso die Neuerungen im Vergleich zum Vorgänger, obgleich jene nicht von der Hand zu weisen sind.
„Artificial“ ist kein Sammelsurium an allen möglichen Spielarten mehr, sondern fällt viel kompakter und geschlossener aus. Keine deutlichen Anleihen an Weltmusik mehr, Klassik gibt es nur noch im kurzen Instrumental „The Power Of 3“ und die ansatzweise heftigen Ausbrüche fehlen ebenso. Dafür klingt die neue Scheibe um einiges homogener, die stilistische Ausrichtung wurde weiter verfeinert, die Einflüsse besser integriert.

Als Grundlage dient immer noch Neo-Prog mit seinen melodisch schwebenden Atmosphären. Dieses Schweben begleitet einen vom Intro „Suffocation“ direkt zu „Artificial World“, dessen ruhiges Anfangstempo von SAGA-Riffs zum süffigen Refrain hin gesteigert wird. Damit kommen sie dem Vorläufer recht nahe, aber wie bereits angemerkt geht es hier nicht mehr ganz so ausladend zu. Dafür agieren die Sieben psychedelischer, ein wenig hypnotischer aber auch schwermütiger und nicht mehr so luftig in den Arrangements.
Der psychedelische Ansatz beherrscht vor allem das beschwingte „Nothing Lasts Forever“, welches mit Bläsersätzen an späte BEATLES erinnert. Textzeilen wie „.. the Boys from Liverpool..“ und ein betontes „.. come together..“ rücken den Song schon in Richtung einer Hommage.  Ähnlich abgefahren gibt sich „Not Human Anymore“, bei dessen flirrenden Beginn sich Tasten und Gitarre die Effekte nur so um die Ohren hauen, bevor ein groovender Basslauf das Kommando übernimmt.

Der Anteil der Synths hat sich gegenüber den sechs Saiten eher verringert, sowohl bei den Soli als auch in den ruhigen Passagen, in denen die Akustische öfter die Keyboardflächen ablöst. Das ist ein klares Indiz dafür, dass Matt Williams, der auch im Produzentensessel sitzt mehr zum Songwriting beigetragen hat. Er hat sich neben den Bandgründern als weiterer Kreativkopf im Bandgefüge etabliert.
So richtig darf sich Sean Timms nur noch beim Herzstück des Drehers, dem dreizehnminütigen „Tesla“ austoben, seine zwischen MIKE OLDFIELD und MARILLION pendelnde Elegie ist aber sehr hörenswert. Gegen Ende des Stücks wechselt die eher getragene Stimmung und macht Platz für den einzigen Pop-Rock-Chorus, die auf „The Garden“ ebenfalls häufiger waren.
Der Dritte im Ideen gebenden Dreigestirn Mark Trueack kann seine Leistung gegenüber dieser Langrille noch weiter steigern. Begeisterte er bislang mit seiner melodischen ausdrucksstarken Stimme, so entwickelt er sich so langsam zu einem echten Fronter, einem manischen Erzähler in der Tradition von PETER GABRIEL und FISH. Zu gerne würde ich die Formation einmal live erleben, wenn er in seine Textkonzepte über Umweltproblematik und soziale Themen eintaucht.

Erhöht wurde auf der anderen Seite der Jazz-Anteil, was natürlich dem neuen Mann geschuldet ist, immerhin will der ja auch beschäftigt werden. So taucht fast in jedem Lied ein Abschnitt auf, bei dem Peter Raidel munter gegen das Piano anspielt und der so auch hätte von ihren Labelkollegen THE TANGENT stammen können. Auch die Gesangsharmonien in Stücken wie „Gone In The Blink Of An Eye“ lavieren zwischen den gleichsam jazzigen YES und IT BITES.

Doch UNITOPIA sind mehr als ein Plagiat, sondern vielmehr auf dem Weg ihren eigenen Sound zu schaffen. Natürlich schüttelt man seine Inspiration nicht von heute auf morgen ab, doch „Artificial“ ist ein klarer Schritt zu mehr Eigenständigkeit. Und da müssen sie auch hin um sich weiter auf dem Markt behaupten zu können, ein wenig Druck lastet jetzt schon auf ihren Schultern.
Dass man nicht mehr so unbeschwert drauf los komponierte wie beim zweiten Album ist sicherlich zu hören, man wirkt ernsthafter, reifer. Das geht ein wenig zu Lasten der Melodiebogen, die nicht mehr ganz so leichtfüßig daher kommen. Darunter leidet auch die Zugänglichkeit, weswegen man ein paar Durchläufe mehr benötigt bis sich derselbe Suchtfaktor wie bei „The Garden“ einstellt. Feinstes Prog-Kino ist das dritte Album allemal; diese Band wird hoffentlich ihren Weg machen. (Pfälzer)

Bewertung: 8 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 53:18 min
Label: Inside Out
Veröffentlichungstermin: 30.04.2010

 

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