Richard Barbieri - Under A Spell

richardbarbieri underaspellIn seinen jüngsten Interviews erzählt der Tastenmann, dass er die Bandsituation vermisse, er nicht gerne alleine arbeitet. PORCUPINE TREE scheinen Geschichte, dabei könnte deren Mastermind STEVEN WILSON guten Rat in Sachen Elektronica vom Fachmann gebrauchen, wie man an seinem neuesten Werk sieht. Nachdem er schon länger nichts mehr mit Steve Hogarth von MARILLION auf die Beine gestellt hat, bleibt RICHARD BARBIERI kaum etwas anders übrig als in den sauren Apfel zu beißen und alleine loszuziehen. Vier Jahre nach "Planets + Persona" steht sein viertes Soloalbum in den Läden. Was charakterisiert "Under A Spell" entgegen seines Ansinnens noch mehr als Alleingang als bisher?

Wie schon im Review zum Vorgänger durchschien wird der Mann kein Singer/Songwriter mehr, ein Fakt, von dem er keine Probleme hat, ihn im Interview mit mir zuzugeben. Er ist eben eher der Sidekick, der die Vorgaben der Mitstreiter mit seinen immer noch innovativen Ideen und Soundspielereien veredelt. Es wäre sicher spannend zu erfahren wie "Future Bites" mit Barbieri geklungen hätte. So gibt er sich weiter seinen Klangmalereien hin, in denen man bei seinem letzten Werk versunken ist. Wobei es sich hier nicht einmal mehr um Malereien handelt, vielmehr skizziert er nur noch, löst die ohnehin nicht mehr vorhandenen Songstrukturen völlig auf und verzichtet auf jegliche melodiöse Führung. Über die gesamte Laufzeit wirkt das nur schemenhaft, wie ein Workshop, in dem er seine Ansätze vorstellt, die sich dann im Kopf des Hörers zusammen finden müssen.

Kaum ein Thema, geschweige denn ein Ton wird länger gehalten, sie schweben nur noch an einem vorbei, sagen kurz dem Stammhirn "Hallo" und entschwinden dann wieder in der Unendlichkeit. "Under A Spell" entstand unter dem Eindruck der Pandemie und des Lockdowns, dieser unfreiwilligen Distanz, wo man nur schwerlich Gäste ins Studio laden kann. Vielleicht wäre der Titel "Under A Curse" angesichts der Weltlage passender gewesen, denn verflucht kommt man sich der Tage oft vor, wenn man sich an alle Regel hält und die Zahle dennoch steigen. So war Barbieri gezwungen fast alles selbst einzuspielen, weswegen er manche Übergänge, wo es die Instrumente anderer gebraucht hätte mit noch mehr Stille füllt. Das erzeugt eine gespenstische, fast klaustrophobische Atmosphäre, welche die aktuelle Gefühlslage von vielen sehr gut ausdrückt.

Da steht der Mann nun alleine mit seinen Synthesizern, irgendwo ziehen ein paar Schleier, ein paar Wolken vorbei, alles mit entfernt klingendem Hall bedacht, manches gibt ein Echo aus der Leere des Raums. So etwas wie Gesang gibt es gar nicht, nur ein paar gesprochene Fetzen, die auch nur Soundmalerei sind, ab und an ertönen ein paar Glocken, man fühlt sich wie beim experimentellen MIKE OLDFIELD auf Opium. Wobei sich Oldfield in seiner experimentellen Phase schon wie auf Opium anhörte. Ab und an werden den Synths ein paar Beats entlockt, doch auch die fügen sich die die schwebende Atmosphäre ein, vermögen den Songs keinen Rhythmus zu geben. Ein paar exotische Motive werden lediglich als Versatzstücke eingestreut, erscheinen als Versuche. Mehr Erfolg haben die jazzigen Anleihen, die Pianonoten, die wie Regentropfen herab perlen und die Trompete, die öfter aus dem Nichts auftaucht.

RICHARD BARBIERI gelingt es aber das alles im Fluss zu halten, der Hörer in seiner Welt gefangen zu halten, vielleicht auch weil er in den Klangwelten nachfühlen kann, was nicht zu fühlen ist. Das ein wenig im Dub beheimatete "Sketch 6" ist das einzige Mal, wo ein Ausbruch aus der Tristesse möglich scheint, ein Bass ist sehr präsent, das Piano versucht aufzusteigen. Doch auch ihm gelingt es nicht sich zu befreien, es wird schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt, es dreht sich alles im Kreis, in Wellen. "Planets + Persona" wurde auf beeindruckende Weise fortgeführt, das Konzept auf die Spitze getrieben, schwer zu sagen, ob es der derzeitigen Situation geschuldet ist. Es ist derzeit alles nicht einfach, aber auch so schwer wie uns "Under A Spell" glauben lassen will, der Tastenvisionär visualisiert die Einsamkeit, gebt ihm endlich wieder eine Band. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer7,0 7 / 10


Anzahl der Songs: 9
Spielzeit: 49:46 min
Label: KScope/Edel
Veröffentlichungstermin: 26.02.2021

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