Saxon - Inspirations

Saxon Inspirations

Braucht die Musikwelt Coveralben? Dürfen etablierte Bands covern? Beim Thema Cover- und Tribute-Alben scheiden sich immer die Geister. Ich denke ganz eindeutig nein und ganz eindeutig ja. Coveralben bedeuten zumindest auch immer Risiko. Ein Song ist ja nur deswegen coverwürdig, weil er schon großartig ist.

Und leider werden Coveralben oftmals nur als Lückenbüßer aufgenommen, um die Wartezeit zum nächsten Album zu verkürzen, manchmal in der Hoffnung, endlich ein massenkompatibles Werk vorzulegen oder weil chronischer Geldmangel der Ansporn ist. Beispielhaft fallen mir spontan vertretend für viele Bands die LA GUNS, die ich sehr schätze, mit dem lieblosen „Covered In Guns“ ein; ein Werk, welches nicht mal ansatzweise an die Originalversionen heranreicht und man der Scheibe nicht deshalb schon den Stempel „bandgerechte Neukreation“ aufdrücken kann, nur weil es todlangweilig, ideenlos und nichtssagend ist. Da wird die Ausrede, dem Song den eigenen Stempel aufdrücken, zur Farce. Natürlich gibt es Ausnahmen, die das Original in den Schatten stellen, ich denke da z.B. an „Sound Of Silence“ von DISTURBED oder das hervorragende Tribute-Album von GREAT WHITE: „Great White Salutes Led Zeppelin“.

Damit stellt sich jetzt natürlich die Frage: Warum sollte ich mir „Inspirations“ von SAXON zulegen und meinen Ohren antun. Ganz einfach, weil meine Anfangsthese bezüglich eines „No Go“ von Coveralben auf jeden Fall bei SAXON widerlegt wird. Biff Byford und seine Mitstreiter, die seit über 40 Jahren im Musik-Business fest verankert sind und unsterbliche Hymnen wie „Motorcycle Man“, „Wheels Of Steel“ oder „747“ geschrieben haben, dürfen und können das vor allem auch.

Und ihnen nimmt man auch die Intension der Idee ab. Einer Heavy Metal-Urband, die zur Spitzenklasse des NWOBHM gehört, Anfang der 80er Jahre die gelangweilte Hardrock-Szene aufmischte und unzählige Bands nachhaltig inspirierte, ist es erlaubt, ein Album aufzunehmen, das deren Einflüsse zeigt und offenlegt oder die Assoziation mit den Worten von Biff Byford: „den Songs und Bands zu huldigen, die uns inspiriert haben, genau die SAXON-Songs zu schreiben, die wir geschrieben haben und immer noch schreiben. Es war interessant zu erfahren, was meine Stimme noch hergibt, da ich einige dieser Songs noch niemals zuvor gesungen habe“.
Auf der vorab ausgekoppelten Video-Single „Paint It Black“ kann man sich wunderbar das besondere Ambiente des gewählten Produktionsortes ansehen; die Aufnahmen in der alt ehrwürdigen „Brockfield Hall“, ein geschichtsträchtiges Gebäude in der Nähe von York, welches im Jahr 1804 erbaut wurde.

Hört man sich die SAXON- Interpretationen bekannter Klassiker der Rockmusik an, versteht der Hörer sofort, wenn Biff Byford im Interview äußerte, dass „die Wärme und das Gefühl von „Inspirations“ viel mit diesem atemberaubenden Ort zu tun hat, an dem wir alle zusammen waren. Und auch, dass wir die Aufnahmen im Old-School Stil gemacht haben mit Marshall Cabs, Marshall Amps und einem richtigen Schlagzeug“. Der Spaßfaktor der Hard-Rock-Veteranen wird durchgängig auf der Platte spürbar und scheint wie ein Jungbrunnen zu wirken.

Direkt die erste Single „Paint It Black“ ist unerträglich gut und das obwohl ich die ROLLING STONES über alles verehre. Doch so genial die STONES den DYLAN Klassiker „Like A Rolling Stone“ wesentlich interessanter interpretierten, ist „Paint It Black“ nah am Original mit geiler Gesangsleistung von Biff Byford, der auf den völlig unterschiedlichen Klassikern des Rocks seine gesamte variable Stimmvielfalt einmal zur Schau stellen kann. Hinzu kommen das gewohnt perfekte und präzise Gitarrenspiel im leichten SAXON-Gewand von Paul Quinn und Doug Scarratt. Auch Schlagzeuger Nigel Glockler und Bassist Tim „Nibbs“ Carter bleiben souverän, fehlerlos und glänzen insgesamt als perfekt eingespielte Einheit.

Die zweite Auskoppelung kracht dann brachial aus den Boxen; das energetische, rasend schnelle und stürmische „Speed King“, der Opener vom 72er DEEP PURPLE Album „Deep Purple In Rock“. „Speed King“ glänzt mit einem Frontmann, der so laut und glasklar bis in die höchsten Töne schreit, dass man glaubt, Ian Gillen würde in der Ecke von Brockfield Hall stehen und applaudieren. Biff Byford sing wie ein junger aufstrebender Rockstar, nicht wie ein 70-jähriger Mann, der gerade Herz-OP überstanden hat.

Angefangen mit dem melodischen „Paperback Writer“ von den BEATLES bis hin zu JIMI HENDRIXs „Stone Free“ zeigen SAXON ihre Liebe und Anerkennung an ihre Heroen der Jugend. Völlig glaubhaft verbeugen sie sich vor ihren „Inspiratoren“ mit ihren Tributen, die teils rau und in gewisser Weise auch SAXON-affin aber immer loyal am Original orientiert sind.

Konstant im Blick war die Idee der Aufnahmen im klassischen, einfachen „Old School-Recording“, der allen Songs eine warme, nostalgische Note verpasst. Die Songauswahl ist ebenfalls äußerst gelungen. BLACK SABBATHs „Evil Woman“ ist ebenso herausragend gesungen wie LED ZEPPELINs „Immigrant Song“. Die übrigen Interpretationen auf dem Longplayer von AC/DC, THIN LIZZY, MOTÖRHEAD, TOTO und den KINKS werden exakt auf dem gleich hohen Niveau dargeboten.

SAXON legen mit „Inspirations“ ein Wahnsinnsalbum vor, welches eine tiefe Verbeugung vor den größten Helden der frühen Rock-Ära ist. Die Scheibe wird die Hörer definitiv stark inspirieren und macht einfach nur Spaß. Biff Byford`s Stimme scheint auf dem Höhepunkt zu sein. Er kann die völlig unterschiedlichen Meisterwerke mit allen erforderlichen Soundstrukturen und Stimmfacetten locker bedienen. Außerdem ist das Plattencover in schlichtem schwarz-weiß sehr ansprechend und hervorragend gelungen. Es zeigt die Original-Interpreten als Silhouetten, welche gemeinsam mit SAXON vor Brockfield Hall stehen. Auf diesem Werk ist alles stimmig.

Und so entstand aus der Idee des Coveralbums, um in den dunklen Zeiten etwas Spaß zu haben, ein Meisterwerk für die Fangemeinde. Danke SAXON. (Ebi)

Bewertung:

Ebi9,5 9,5 / 10

Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 34:20 min
Label: Silver Lining Music
Veröffentlichungstermin: 19.03.2021

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