The Night Flight Orchestra + Black Mirrors (17.12.2018, Saarbrücken)

nightflightorchestra tourflyerKaum ein anderer Rockact hat in den letzten beiden Jahren so einen Aufstieg hingelegt wie das schwedische Musikerkonglomerat. Ursprünglich wurde THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA als Spaßprojekt gegründet, doch spätestens mit dem Plattenvertrag bei Nuclear Blast nahm die Sache eine gewisse Eigendynamik an. Nach dem Erfolg von "Amber Glactic" wurde "Sometimes The World Ain´t Enough" nachgeschoben, das alles andere als ein Schnellschuss war. Zudem ist die Truppe vermehrt auf Tour unterwegs, was die Popularität weiter steigert. In dem Herbst ging es auf große Europatournee, welche sie auch nach Saarbrücken brachte. NECKBREAKER war für Euch vor Ort, als die Belgier BLACK MIRRORS den Support gaben. Aufgrund der geringen Nachfrage wurde das Konzert aber in den "Kleinen Klub" verlegt, was sowohl Vor - als auch Nachteile mit sich brachte, irgendwie geht im Saarland nur extremes Zeug.

BLACK MIRRORS
Schon als Pierre Lateur mit seiner abgewetzten Strat die Bretter betrat, war klar, dass das Vorprogramm doch einen deutlichen Kontrast zum Headliner darstellte. Sphärische, dennoch trockene Töne entlockte er seinem edlen Spielgerät, die ein wenig Stonerrockig klangen. Doch als seine drei Mitstreiter ebenfalls auf die Bühne kamen zog die Dynamik des Riffs urplötzlich an und das Quartett rockte so richtig drauf los. Da war sofort Stimmung in der Bude, die Vier machten dermaßen Alarm, dass man Angst haben musste, sie würden sich gegenseitig über den Haufen rennen. Unfassbar, wie man mit so wenig Platz so aus sich heraus gehen kann, da war jemand mit Leidenschaft am Werk.
Vor allem Gitarrist Pierre Lateur sprang wie wild herum, riss immer wieder seine Strat hoch, während er deren Saiten malträtierte. Seltsamerweise suchte er dabei aber nicht den Kontakt zum Publikum, sondern schien mit leicht gesenktem Kopf in seiner eigenen Welt, Shoegaze auch mal anders. Seinem Spiel war anzuhören, dass ihm der Name Hendrix nicht gänzlich fremd ist, wobei er viele Sachen wie das Gitarrenfiepen in "Shoes For Booze" zeitgemäß anlegte. Doch gerade wenn er straigt rockte, schien der Meister aller Klassen durch, ebenso wenn er sich ein wenig zu den Blueswurzeln orientierte wie im ruhigen "Moonstone".
Sein Kollege an den dicken Saiten musste sich da etwas hinten anstellen, schüttelte da aber ebenfalls unablässig seine Mähne. Mit seinem offenen Jeanshemd unter der Lederjacke gab Gino Capon eher den Rockstar-Beau, wirkte aber aufgrund seiner Lässigkeit wie auch Lateur sehr authentisch. Für den richtigen Groove sorgte Rhythmuspartner Edouard Cabuy, der mit seinen Becken die Songs mächtig antrieb und diese damit trotz der subtilen Versiertheit ein wenig in Richtung Garage verortete. Das Spiel mit der Dynamik beherrschte er ebenso, die Art wie sich ihre Lieder hypnotisch steigern haben BLACK MIRRORS etwas bei BLUES PILLS abgeschaut.

Wie diese verfügen auch die Belgier über eine starke Frontfrau, die dazu deutlich exzentrischer agiert und alleine deswegen sehr auffällig ist. Optisch stach zuerst einmal die Bemalung unter den Augen auf, in welche die Haare weit hingen. Die dezente indianische Linie wurde von dem vielen Federschmuck an der Weste über ihrem kurzen Kleid und dem Mikroständer zusätzlich unterstrichen. Schwarze Bekleidung mit viel Accesoires amerikanischer Ureinwohner hatte früher auch ein gewisser Jim Morrison, und auch aufgrund ihrer ekstatischen Performance pflegt Marcella Di Troia den selben Habitus wie die Legende.
Spuren des Sounds von dessen Formation fand man auch an dem Abend wieder, die späten Sechziger waren allgegenwärtig. Dennoch gelang es dem Vierer seine eigene Handschrift darunter zu setzen, die sich an heutigen Hörgewohnheiten orientiert, vielleicht mehr als den meisten Genrekollegen. Je nach Tempo des Songs wog Di Troia in dem Klangmeer ihrer Mitstreiter oder sprang wie die Schamanin herum, welche ihr Outfit verkörperte. Stimmlich wusste sie die selbe Bandbreite abzurufen, konnte vor allem im psychedelischen "The Mess" überzeugen, oder setzte ihre Stimme mit elegischen Tönen als weiteres Instrument ein wie bei "Inner Reality".
Bei ihren wilden Bühnengebaren funktionierte das gemeinsame Posen mit dem Sechssaiter nicht immer so harmonisch, doch das war Indiz der Spontaneität der Truppe. Jene Räudigkeit offenbarte sich am ehesten im einzigen Cover des Abends, "Kick Out The Jams", die klassische Ansage der Protopunks MC5. In dem röhrte die gute Marcella wie einst die Grand Dame des Punk, Patti Smith, was eine weitere Facette aufzeigte. Mit ihrer gesunden Verbeugung vor der Aufbruchszeit des Rock, ihrer ungezügelten Spielfreude, sowie ihrem Verständnis für schlüssiges Songwriting sind die BLACK MIRRORS eine Band, die man sich unbedingt merken sollte.

 

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THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA
Nach einer längeren Umbaupause, die der beengten Platzsituation geschuldet war, diverse Stolperfallen mussten entschärft werden, versuchten sich acht Musiker auf dem kleinen Carré irgendwie zurecht zu finden. Doch schon das Erscheinen der Musiker sorgte für Aufsehen, denn die Garderobe war - wie soll ich das ausdrücken - ziemlich verschärft. Als Erster stieg Drummer Jonas Källsbäck ganz in weiß nach oben, gefolgt von Tastenmann Richard Larsson, der mit rotem Hut und Hawaihemd gleich den Vogel abschoss.
Wo er sich am Achtziger-Fernsehdetektiv Magnum orientierte, gab Viersaiter Sharlee D´Angelo im weißen Sakko eher den Miami Vice-Mimen. Und dann natürlich die Uniformen von "Pilot" Björn "Speed" Strid sowie den beiden Stewardessen im Background. Knalliges Lila paarte sich mit goldenen Knöpfen und Streifen und war etwas simpel geschnitten, die hatte Frank Ababgnale Jr. einst besser gefälscht. Das muss man gesehen haben, wobei der Blick auf die Anna-Mia Bonde und Anna Brygard leider ein bisschen erschwert war.

Und es ging vom ersten Ton an in die Vollen, der Titeltrack vom aktuellen Dreher gehört noch zu den rockigsten Stücken und puschte die Menge umgehend. So kamen schon die ersten Reaktionen, bei denen sich der intime Rahmen als fördernd heraus stellte, denn Band und Publikum konnten so gemeinsam abheben. Der einzige Beitrag von "Skyline Whispers" fiel tanzbarer auf und "Speed" forderte die Menge öfter auf, genau das zu tun. Die ließ sich das nicht zweimal sagen und ging komplett im discokompatiblen Groove mit.
Wo sich der "Kleine Klub" positiv auf die Stimmung auswirkte, erschwerte er den Musikern den Job, der zweite Gitarrist und Percussionist Sebastian Forslund musste ganz hinten neben den Backgrounddamen Platz nehmen. Dafür durfte sich Richard Larsson hinter seinen Tasten über einen Platz an der Sonne freuen und stand fast im Publikum. Für die beiden Frontfiguren blieb auch wenig Raum, so zog sich Strid immer ans Schlagzeug zurück, während er David Andersson das Rampenlicht für seine flüssigen Soli überließ.

Dabei ließ er des öfteren einen Regen von Glitzerpulver aus einem Küchenstreuer über seinen Kollegen niedergehen, was dem ganzen Ambiente noch zusätzlich Nahrung verlieh, selten waren die Achtziger so lebendig. Dabei mangelte es an skurrilen Erscheinungen auf der Bühne neben der Garderobe keineswegs, alleine wie Bonde und Brygard immer wieder mit den Zuschauer flirteten, ihnen mit Prosecco zuprosteten oder dem Grinsen einer Sechziger-Waschpulverwerbung winkten, ließ kein Auge trocken. Und als der Pilot dann aufgrund seines Sangesjobs ins Schwitzen kam, waren die beiden Damen parat, um ihm die Perlen vom Gesicht zu tupfen, fast schon surreal kitschig.

Da musste man erst einmal durchschnaufen und sich auf die Musik konzentrieren, doch die lief wie auf Platte so gut rein, dass man sofort mitgerissen wurde. Wer bei den Klängen keinen Spaß hatte, der darf zum Lachen in den Keller gehen, der Schmiss der Songs des NIGHT FLIGHT ORCHESTRA sucht seinesgleichen. Zum Glück erwischte der Mischer einen sehr guten Tag und zauberte ein durchaus sauberes Soundgewand in den winzigen Schuppen. Die Keyboards kamen gut zur Geltung, machen sie doch einen großen Teil der Arrangements aus, dabei verwendete Larsson mal keine Nord-Ware, sondern setzte auf klassische Synthesizer, meist aus dem Hause Yamaha, wie auch viele AOR-Bands zur Hochphase.

Natürlich stand das Set ganz im Zeichen der zwei neuesten Veröffentlichungen, die in kurzer Folge erschienen. Doch auch die beiden kürzlich neu aufgelegten Erstwerke waren im siebzigminütigen Programm vertreten. Leider fielen dem seltsam frühen Zapfenstreich zwei Songs zum Opfer, auch wenn der Support früher begann, wobei "Stiletto" schon schmerzlich vermisst wurde. Doch letzten Endes war es egal, was gezockt wurde, das Material lud gleichzeitig zum abtanzen, rumhüpfen und headbangen ein, einfach irre, was die Jungs da komponiert haben.
Der Achter auf der Bühne war ebenso bestens gelaunt wie ihre Passagiere getaufte Anhängerschaft, D ´Angelo bekam das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht und der gute Björn poste als müsste er alleine ein Stadion füllen. Hinten haute Källsbäck noch reihenweise knallige Breaks heraus, welche die Stücke zusätzlich befeuerten. Das ließ den ein oder anderen Chorus förmlich explodieren und die Menge sang lauthals mit, als würde es sich um Evergreens aus dem daran nicht armen Genre handeln.
So eine Party habe ich in dem Laden noch nie erlebt, da konnte auch kein Heimspiel lokaler Acts mithalten, Band und Fans steigerten sich mit jedem Song. Ich hatte ja viel erwartet aufgrund der famosen Scheiben, doch THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA bringt genau jenes Lebensgefühl zurück, das in den weniger gedankenschwangeren Zeiten herrschte. Eine tight rockende Combo, die es mühelos verschmerzen ließ, dass das ein oder andere bekannt vorkam, man fühlte sich eher noch wohliger in die Zeit zurück versetzt, oder besser geflogen. (Pfälzer)

Setlist THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA:
Sometimes The World Ain´t Enough
Living For The Nighttime
Speedwagon
Midnight Flyer
Turn To Miami
Star Of Rio
Gemini
Something Mysterious
Josephine
Paralyzed
Can´t Be That Bad
1998
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Lovers In The Rain
West Ruth Ave

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