Nazareth - Tattooed On My Brain

nazareth tattooedonmybrainWas machen altgediente Rocklegenden, wenn die Mitglieder altersbedingt ausscheiden müssen oder das Zeitliche segnen? Nicht wenige setzen ihre Karriere mit jüngeren Mitgliedern fort, NAZARETH haben das schon früh vorgemacht, doch so ein Aushängeschild wie Dan McCafferty lässt sich nicht so einfach ersetzen. Zuerst scheiterte Kumpel Linton Osbourne an dem Job, nun schwingt der frühere PERSIAN RISK-Mann Carl Sentance, der schon KROKUS wieder in die Spur half, das Mikro. Ob man damit allerdings die Schwächen der vergangene Jahre wettmachen kann, muss sich erstmal zeigen, zumindest live konnten die Schotten nicht ganz überzeugen. Da stehen sie weiter im Schatten ihrer Freunde von URIAH HEEP, mit denen sie seit Jahren vom Zeitplan parallel laufen. Und auch dieses Mal kommen ihre Alben fast zeitgleich, nun sogar beim gleichen Label, vier Wochen nach der Truppe um Mick Box ist das Quartett mit "Tattooed On My Brain" beim nächsten Veröffentlichungsschwung dabei. Da gilt es vor allem die Scharte "Rock´n´Roll Telephone" auszumerzen, mit der man vor vier Jahren viel Kredit verspielte.

Das schwarz-weiße Cover mit roter Schrift verheißt erstmal gar nichts Gutes, denn in der Optik präsentierte sich schon der äußerst diskutable Vorgänger. Da wissen die swingenden Rockriffs von "Never Dance WithThe Devil" schon besser zu gefallen, der Opener drückt schön nach vorne, inklusive Gangshouts im Chorus. In der Strophe wird Sentance von Jimmy Murrison mit einem Leadfill gedoppelt, das ist ganz typische Kompositionskunst der Veteranen.
Den gleichen Effekt bedient man in "Don´t Throw Your Love Away", hier allerdings im Refrain. Was bei der Nummer auffällt ist die knackige Kante, mit der die Herren austeilen, das geht teilweise schon in NWOBHM-Gefilde, ebenso in "State Of Emergency". Hier geht man sogar noch weiter zu den Wurzeln dieser Spielart, die ja auch im Punk begründet liegt und mit dem Song sind NAZARETH gar nicht so weit weg. Wobei man sich kompositorisch doch eher in den Rockabilly-Ursprüngen der Siebziger-Revolution aufhält.
Punkattitüde strahlt auch der Totenkopf auf dem Artwork aus, und wo der geneigte Musikhörer die findet, ist oft Ska nicht weit entfernt. Gerade mit den darin enthaltenen Reggea-Elementen flirtete man Anfang der Achtziger auf Alben wie "Malice In Wonderland" oder "A Fool Circle". Hier geht der Titeltrack stark in diese Richtung, wobei man mit dem sehr schmissigen Pop Rock-Chorus durchaus mit dem Hitmaterial jener Phase wie "Big Boy" mithalten kann.

Überhaupt kommt das Alles sehr viel kraftvoller und euphorischer rüber als auf den letzten Scheiben oder wie es die Liveauftritte vermuten ließen. Die Schotten rocken endlich wieder, dabei gibt man sich nicht unbedingt heavier, aber es ist eben die Art, wie die Songs performt werden. Manche Titel kommen kaum über die drei Minuten hinaus, das geht einfach direkter los und die Produktion trägt dem Umstand auch Rechnung. Auch Sentance kann mit seinem rauen Organ punkten, auch wenn er sicherlich nicht an das Charisma seines Vorgängers heran kommt, dafür verleiht er den Songs zusätzlich Power.

Über weite Strecken rockt "Tattooed On My Brain" gut nach vorne, mal lässig wie in "The Secret Is Out", dann wieder mit ihrer typischen Schwere wie bei "Crazy Molly". Auch den guten, alten Blues packen sie öfter aus, stets ein Wegbegleiter der Truppe, wobei speziell das schleppende "Push" zu überzeugen vermag. Zurückhaltender, mit einer feinen BLUE ÖYSTER CULT-Atmosphäre gibt sich "Change", welches im Refrain dann so richtig aufbraust.
Noch cooler sind die Country-Anleihen, die man so bisher noch nicht von ihr gehört hat. "Rubik´s Romance" wirkt so ungemein lässig und bietet wundervolle Melodien, die trotz "Ah Ah"-Choruntermalung nie in den Kitsch abdriftet. Und am Ende packen sie endlich mal eine ungewöhnliche Nummer, die nicht aufgesetzt klingt, was zuletzt öfter der Fall war. Der gute Carl singt in "You Call Me" sehr tief, die Begleitung ist nur marginal und recht sphärisch, das ist der Song, den Lemmy und Mark Knopfler nie zusammen gemacht haben.
NAZARETH bieten genau das, was man von ihnen erwartete, das allerdings mit mehr Esprit als zuletzt. Obendrein wissen sie nach fast fünfzig Dienstjahren immer noch zu überraschen, sie haben ja seit jeher ihren Stil ausgeweitet und fügen ein paar neue Klangfarben dazu. Sicher ist nicht alles Gold, was glänzt, doch hier haben wir es vielleicht mit der besten Scheibe der Murrison-Ära zu tun. Und mit der sehen sie zumindest wieder die Rücklichter ihrer Freunde und Konkurrenten. (Pfälzer)


Bewertung:

Pfaelzer7,0 7 / 10


Anzahl der Songs:13
Spielzeit: 52:24 min
Label: Frontiers Records
Veröffentlichungstermin: 12.10.2018

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