Testament + Sacred Reich + Iron Reagan (12.08.2019, Saarbrücken)

testament tourflyerInmitten der Festivalsaison machen viele Bands unter der Woche ein paar Abstecher in die Clubs, wo sie ohnehin schon gerade auf Tour sind. An dem Abend hatte die Garage ein allerfeinstes Thrash-Paket geschnürt, welches sich Kenner der Szene nicht entgehen lassen durften. Die Bay Area-Legende TESTAMENT gab den würdigen Headliner, doch mit SACRED REICH war eine Truppe dabei, mit der wieder zu rechnen ist. Nach 23 Jahren erscheint nächste Woche das lang erwartete Comeback "Awakening", das den Namen mit neuem Blut füllt. Ergänzt wurde das Package von den Virgina-Hardcore-Thrasher IRON REAGAN und die deutsche Nachwuchshoffnung DUST BOLT. NECKBREAKER war für Euch vor Ort, um direkt aus dem Pit zu berichten.

DUST BOLT
Fast unter Ausschluss er Öffentlichkeit musste der Vierer schon früh um sechs Uhr auf die Bühne. Angesichts der langen Umbaupausen und des frühen Endes weit vor Curfew hätte man wenigstens eine halbe Stunde später beginnen können. So blickten die Jungs gerade auf die obligatorische erste Reihe, welche sich ohnehin direkt bei Toröffnung aufbaut. Zum Glück füllte es sich schon mit den ersten Klängen und es kamen wenigstens drei Reihen plus einige im Hintergrund zusammen.

Für diejenigen, die da schon vor Ort waren hat sich die 25-minütige Abreibung auf alle Fälle gelohnt, denn DUST BOLT lieferten feines Old School-Geholze das zwischen SLAYER-Riffing und ANTHRAX-Melodik pendelte. Ob da jemand auf den letzten Touren zu oft Gast war, an der Eigenständigkeit müssen sie noch arbeiten. Dafür mörtelte ihr Sound sehr ordentlich und brachte erste Nackenmuskeln in Wallung, die Truppe ballerte schön tight zusammen, ihr dicker Groove profitierte auch vom über den ganzen Abend guten Klangbild.

Doch es waren weniger Lieder wie "Dead Inside" vom brandaktuellen "Trapped In Chaos" oder älterem Material wie "Mind The Gap" mit denen das Quartett zu gefallen wusste. Der Elan mit dem die Jungspunde über die Bühne turnten war klasse, sie gebärdeten sich als gälte es die größte Bühne zu bespielen. Frontmann Lenny Breuss bellte breitbeinig hinterm Mikro oder sprang wie entfesselt umher und warf sich in alle erdenklichen Posen. Auf den Flanken bangten der zweite Sechssaiter Flo Dehn und Bassist Bene Münzel um die Wette.

Immer wieder traf man sich um gemeinsam loszuthrashen, wenn es sein musste auch mal auf dem Riser von Schlagzeuger Nico Remann. Der hatte nur zwei Becken aufgebaut, das eine hing alleine ganz weit oben, für den typischen Effekt mit dem nach dem Schlag gehaltenen Becken war das ideal, weswegen er das pausenlos zelebrierte. Leider griff die rohe Energie nicht auf das Publikum über, etwas mehr als den Höflichkeitsapplaus hätte die fulminante Darbietung verdient gehabt. (Pfälzer)

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IRON REAGAN
Die Formation aus Richmond dürften mittlerweile zumindest mal von ihrem Namen her den meisten bekannt sein, denn Liveauftritte und Touren supporten ist ihre Leidenschaft, und das zeigen sie auch bei ihrem vierzigminütigen Set eindeutig. Während DUST BOLT schon nahezu alle Thrash-Granaten gezündet hatten, brauchte IRON REAGAN nur noch die Reste zusammenzukehren.

Stilistisch an ihre Vorgängern erinnernd kam einem hierbei doch immer wieder ein Name ins Gedächtnis: NUCLEAR ASSAULT. Die Bay Area der Achtziger zeigte sich an diesem Abend ganz besonders bei diesem quirligen Quintett, allem voran bei dem trollig wirkenden Sänger Tony Foresta, der durch seine anstachelnden Ansagen die letzten Reserven aus der hungrigen Meute quetschen wollte. Diese war jedoch noch lange nicht am Ende und feierte die eisernen Präsidenten gebührend ab.

Nach dem CANNIBAL CORPSE Cover „Skull Full Of Maggots“ war es eh rum und die Ekstase im Publikum wurde immer stärker spürbar. Auch die Stirnbandbrüder auf der Bühne steigerten sich weiter ins Bühnengemoshe und freuten sich über die überschwänglichen Reaktionen.
Wenn es für den ein oder anderen auch mit IRON REAGAN auf Platte nicht passt, ihr Old-School-Punkthrash auf der Bühne macht einfach Laune. (Jochen)

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SACRED REICH
Nun war es soweit, wie lange hat der Verfasser dieser Zeilen auf diese Band warten müssen, oder doch nur auf ein Lied? Klar gab es den großen Klassiker schon in der Mitte des Sets, und schon nach den ersten düsteren Introtönen sang die komplette Garage mit und fragte ob Jonny sie hören könne. Doch die Kultscheibe von 1990 hatte noch mehr zu bieten, schon mit dem Titeltrack flog zum Auftakt die Kuh, oder besser die Haare vom Rind.
Da war er, dieser unwiderstehliche Groove, der alles platt walzte, bei dem man einfach mit musste oder zumindest Kopf, Nacken und Haupthaar. Nun war richtig Stimmung in der Bude, zumal es gleich im Anschluss einen Brecher vom Debüt setzte. Da rotierten die Haare noch kräftiger und die Fäuste wurden in den ersten Reihen gereckt, während weiter hinten der Pit kreiselte. Sogar der eigene Kameramann ging voll mit während er filmte.

Dabei taten die Texaner gar nicht so viel, um die Menge anzuheizen, aber mit so einem Satz Hits im Gepäck geht es auch ohne. Phil Rind ist nicht mehr derjenige, der wie der Eröffnungsact auf den Drumriser steigen und herunter springen muss, sein Charisma reicht aus, um die Bühne alleine zu füllen. Das Grinsebärchen des Thrash Metal verbreitete im Gegensatz zu seinen Lyrics gute Laune, der Spaß an der Sache war ihm stets anzusehen.
Wie sehr der Mann die Musik und die Szene liebt, zeigte sich als er bei anderen Acts brav am Seitenrand der Bühne zuschaute. Immer wieder kamen launige Ansagen, dann schlurfte er lässig über die Bühne während er seinen Viersaiter traktierte. Den großen Zampano musste er nicht  raus hängen lassen, es ging fast familiär zu, oft war er rechts bei seinem jungen Gitarristen Joey Radziwill zu finden, den er dann väterlich umarmte.

Für den ist in seinem Alter noch alles neu, der Hunger darauf und die Freude waren ihm anzusehen. Zumindest wenn er mal nach oben blickte, denn meist hing das geschüttelte Haar vor seinem Gesicht, der Junge gab mal Vollgas, wenn er schon solche Möglichkeiten hat. Wenigstens konnte er so viel von den Zuschauern erhaschen, dass er wusste, wohin er sein Plektrum zu werfen hatte. Sein Axtpartner Wiley Arnett indes stand auf der anderen Seite so hager wie eh und je, das Haupthaar mit einer umgedrehten Bassballmütze gebändigt. Er trat immer dann in Erscheinung, wenn es etwas zu solieren gab, dann öffnete ihm der Obersympath Phil auch den Platz ganz vorne.

Am agilsten agierte Dave McClain, dem seine Schießbude viel zu klein geraten schien. Zwar hatte er mehr auf den Riser gepackt als die beiden vor ihm zusammen, doch der Aufbau unter dem Tuch dahinter war schon rein vom Gefühl viel größer. So bearbeitete er sein Kit mit einer Vehemenz, dass man befürchten musste, dass er plötzlich rechts oder links davon weiter trommelt. Vor allem bei den schnellen Stücken rasselte die Hi-Hat in den Blastbeats, welche die Menge schon antrieb. Doch seine Stärke ist viel mehr die dicken Grooves zu untermauern, wobei er kaum einmal den Takt durchzog, sondern ein fieses Break nach dem anderen raus haute.

Dieser Groove öffnete auch Platz für ein paar Melodien, wobei die rasanten Vocals mit den endlosen Refrains immer noch ein Markenzeichen sind. Das neue Material bot dagegen ein schönes Wechselspiel zwischen Rasanz und Wucht und wurde mit offenen Armen empfangen. Im Zeitalter des Internets sind die neuen Songs auch schon vor Release den Anhängern bekannt. Dabei reihte sich das Material fein in die Klassiker ein und gab neue Impulse.
Bei den alten Sachen überzeugte die Songauswahl, die besser kaum sein konnte und alle Alben bis auf "Heal" beinhaltete. Mit dem Titeltrack von "Independent" kam sogar noch eine punkige Note mit herein, die alles mit riss. Klar hätte man sich mehr Spielzeit und noch "Crimes Against Humanity" oder die Bandhymne gewünscht, doch die fünfzig Minuten waren ein einziges Fest und am Ende wurde auch noch amtlich gesurft. (Pfälzer)

Setlist SACRED REICH:
The American Way
Death Squad
Awakening
Free   
Who´s To Blame
Independent
Ignorance
Divide & Conquer
Love ... Hate
Manifest Reality
Surf Nicaragua

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TESTAMENT
Wie konnten die Bay Area Helden nach SACRED REICH die Stimmung noch weiter toppen? Egal wie, sie schafften es auf jeden Fall. Die Klassiker aus über 35 Jahren Musikgeschichte ließen keine Zeit zum Verschnaufen, sondern luden nur noch zum finalen Wardance ein.
Eine sichtlich gut gelaunte Band feuerte einen Klassiker nach dem anderen in den Löwenkäfig, der dort auch mit Bedacht zerfetzt und zerfleddert wurde.
Frontröhre und Obersympath Chuck Billy stachelte ohne große Anstrengung das schweißtriefende Publikum zu weiteren Höchstleistungen an, während das Quintett auf der Bühne selbiges vollzog.
Gene Hoglan am Schlagzeug zuzuschauen ist schon ein Genuss, ganz zu schweigen vom Zuhören. Das Gitarrenduo Peterson / Skolnick war ebenso bestens aufgestellt gleichsam mit Steve Di Giorgio am Bass, der an diesem Abend mit als einziger die PA auf seiner Seite hatte.
Dieses Line-Up kann nur Metalgeschichte schreiben.
In der Mitte des Sets merkte Billy an, dass er zwar auf Stagediving und Crowdsurfing steht, aber der Anblick dieses einen Kerls in roten Shorts (gemeint war FUSION BOMB Drummer Scottie, d. Verf.) beim Surfen zur Bühne hin mit den Füßen voran nicht ertragen kann, weil er dann vom Anblick seiner Nüsse beglückt wird („...all I can see there is just BALLS!“). Mit diesen Worten läutete Chuck auch gleich den nächsten Song an mit „Over The BALLS“.

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Fast 80 Minuten später war dann auch wirklich ohne weitere Zugaben Schluss. Bands und Publikum hatten ihr Bestes gegeben und konnten den Rest der noch jungen Woche in wohligen Erinnerungen schwelgen. Nun war Zeit, die Heimreise anzutreten.
Zuvor aber musste ich mir noch mein Eigentum von der Security zurückverlangen – meinen Nagelknipser (keine Fragen, warum ich den dabei hatte!). Dieser wurde mir am Eingang tatsächlich von meinem beachtlichen Schlüsselbund abgenommen, wohl wegen seiner riskanten Bauweise. Vielleicht bekam die Security auch Wind von meinem Anschlagversuch wegen der Umstellung seitens Saarevent von Karlsberg auf Warsteiner. Ich bekam meine Nahkampfwaffe aber problemlos zurück und wurde indes von den Sicherheitsleuten aus dem Gebäude eskortiert. I‘m A Killer On The Loose!
Dabei soll aber dennoch ein Lob auf die Security ausgesprochen werden, dem sich auch Chuck Billy anschloss. Während der Show wurden alle Stagediver sicher und behutsam rausgefischt und zurückgeschickt. Leider ist das kein Standard, zumindest nicht in den Staaten. (Jochen)

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