Marillion - With Friends At St. David´s

marillion livewithfriendsatstpatricksDie Progwelt wartet nun schon etwas länger auf eine neue Studioscheibe der Neo Preog-Helden. Doch aktuell steht es in den Sternen, ob es im Herbst nach fünf Jahren gelingen könnte. Dafür waren MARILLION seitdem sehr aktiv und haben eine neue Form gefunden ihre Musik zu präsentieren. Eigentlich nur beim als DVD  mit dem Titel "All One Tonight" veröffentlichten Konzert in der Royal Albert Hall angedacht, entwickelte sich aus der Zusammenarbeit mit dem Streichquartett IN PRAISE OF FOLLY eine fruchtbare Eigendynamik. Ende 2019 spielte die Band mit zusätzlichen Orchestermusikern weitere Stücke aus der eigenen Geschichte neu ein, die als "With Friends From The Orchestra" erschienen. Damit ging es auf Tour, von der es jetzt mit "With Friends At St. David´s" einen Mitschnitt gibt.

Dabei wurde der Abend vom 16. November gefilmt, als die Fünf mit Verstärkung in der St. David´s Hall von Cardiff, der Hauptstadt von Wales auftraten. Bei dieser Konzertreise stand zwar das Orchesterstudiowerk im Vordergrund, doch es gab auch Titel, die in der Royal Albert Hall schon aufgeführt wurden wie etwa das sich hervorragend eignende "The Space", das hier aber nich zum Zuge kommt. Zudem machte man sich an weitere Nummern, die man bisher noch nicht ins Orchestergewand steckte wie "The New Kings" vom letzten Longplayer "F.E.A.R.". Der funktioniert in der Fassung sehr gut, weil die getragene Grundstimmung und die vielen Dynamiksprünge zusätzlich heraus gearbeitet werden.
Eine noch bessere Figur macht "Gaza" der eröffnende Longtrack des vorletzten Albums "Sounds That Can´t Be Made", der noch dramatischer und bedrückender klingt als im Original. Doch die Streicher bringen nicht nur mehr Schwere, sondern auch viel mehr orientalisches Flair hinein, was hier viel echter wirkt. Richtig klasse wird es bei "Zeperated Out", das natürlich "Seperated Out" darstellt und hier noch viel mehr rockt. Das liegt auch an den Damen von IN PRAISE OF FOLLY, denen hier der Spaß so richtig anzusehen ist, hier geben alle Beteiligten richtig Gas, Mark Kelly holt ungewohnte Hammondklänge hervor. Der Kniff der Nummer ist allerdings das kurze Intermezzo von "Kashmir", das sich perfekt einfügt und die Spielfreude krönt.

Die zieht sich ohnehin durch die beiden Silberlinge, die mit einem schönen Booklet verziert werden. Interessant zu sehen, das die Geigen und das Cello nicht immer mit dem Bogen bedient werden, sondern auch mal gezupft werden, wie man es von APOCALYPTICA kennt. Das gibt zusätzliche Klangfarben und von denen hat die mit Orchester aufgewertete Musik einige zu bieten, das Ganze rückt noch stärker in den Art Rockbereich, wo es um Klangwelten geht. Die stehen auch auf dem Mitschnitt im Vordergrund, während die letzte DVD vor allem auf die optischen Aspekte Wert legte. Mit denen kann die Halle aber nicht so dienen wie der altehrwürdige Bau in London, weswegen die Lichteffekte nicht ganz so zur Geltung kommen wie noch bei diesem Konzertdokument. Dafür entschädigt der umwerfende Ausklang mit Konfetti-Regen im grandiosen "This Strange Engine", der eine völlig wegschweben lässt.

Der Zuschauer ist so nah dran an der Band, an der Bearbeitung der Musik, man sieht förmlich wie sie entsteht, wie sie allabendlich neu erschaffen wird, so wie auch an jenem in Cardiff. Wie das Geschehen eingefangen wurde ist brillant, immer steht der Musiker optisch im Vordergrund, der gerade die Akzente setzt, wie etwa Hornist Sam Morris beim traumhaften Refrain von "Season´s End" oder eben Kelly an der Orgel bei besagtem Auszug von "Anoraknophobia". Von den Streicherflächen getragen erzeugen Steve Rothery´s Soli noch mehr Atmosphäre, dringen noch mehr in Herz und Hirn des Hörers ein, teilweise magisch was der Gitarrist veranstaltet.
Doch es sind auch die Details, die den Sound so voll und formvollendet machen, MARILLION klangen nie runder, fast als wären die Songs nur dafür komponiert worden. Pete Trewavas wiegt mit seinem Bass hin und her, es ist fantastisch mit anzusehen, wie er seine Töne punktgenau in die Lieder einbringt, ihnen in den entscheidenden Momenten Tiefe verleiht. Und mit Steve Hogarth liefert sogar der Sänger noch Pianotöne und psychedelische Gitarren dazu, wobei sein Gesang natürlich wie immer erhaben und hochemotional ist. Als großartiger Frontmann bringt er auch schwierige Thematik in seinen eindringlichen Ansagen mit viel Respekt und Gefühl rüber, er lebt die Songs mit jeder Faser.

Als Bonus gibt es dann noch "Man Of 1000 Faces" aus dem Konzert vom 9. Dezember des selben Jahres, also einem Beitrag, der schon in der Royal Albert Hall zum Besten gegeben wurde. Wie damals klatschten die Orchestermusikerinnen stehend im Takt bei der akustischen ersten Strophe und das Publikum ging mit. Dazu hat man auch noch einen Chor engagiert, der vor allem bei der Coda des Stückes auf sich aufmerksam machte. Vom filmischen Standpunkt her knüpft die Qualität aber nicht an den Hauptteil an, zu eindimensional fällt die Kameraführung aus. Dennoch ein netter Bonus, ebenso wie die Studioversion von "Estonia", in der man das ganze Ensemble noch einmal beim Erarbeiten der Tonkunst beobachten kann. Zwar gefiel mir die letzte DVD ein wenig besser, dennoch zeugt der Zauber von "With Friends At St.David´s" davon, dass die Neo Proglegende immer noch zu den wichtigsten Bands der Geschichte gehört. (Pfälzer)

 

Pfaelzer8,5 8,5 / 10


Anzahl der Songs: 13
Spielzeit: ca. 160 min
Label: EarMUSIC
Veröffentlichungstermin: 28.05.2021

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