Pink Floyd - Delicate Sound Of Thunder

pinkfloyd delicatesoundofthunderWieder ein Ruf aus den Untiefen der Archive, dieses Mal von einem der ganz Großen im Rock. Dabei waren die Aufnahmen ja schon lange auf dem Markt, die Aufzeichnung der "Momentary Lapse Of Reason" datiert aus dem Jahr 1988. Allerdings war das Ganze bislang nur als Audio-Version erhältlich, dazu wurde nicht das komplette Konzert auf CD gebannt. Dem wollen PINK FLOYD jetzt Abhilfe schaffen und veröffentlichen "Delicate Sound Of Thunder" jetzt als DVD und Blu-Ray, das in verschiedenen Formaten und Konfigurationen erscheint. Lohnt sich die Anschaffung der ewigen Lücke im Plattenschrank?

Es waren sicher nicht die Hochzeiten der ruhmreichen Band, aber der Auftakt zu einem neuen Weg, der leider ein Studioalbum später versandete. Roger Waters nahm seinen Hut und mit ihm die zuletzt treibende kreative Kraft. Doch sein Ausscheiden machte die Bahn wieder frei für Keyboarder Richard Wright, der im Streit mit dem Bassisten ausgeschieden war. Die damals etwas geringere Popularität, welche sich aber sechs Jahre später mit "The Division Bell" wieder einstellen sollte, manifestierte sich auch in der Bühne, die durchaus in jede größere Halle gepasst hätte, ein Stadion hätte es nicht gebraucht. Dementsprechend beengt geht es auch auf den Brettern zu, wobei die Anordnung durchaus interessant ist. Die drei originalen Mitglieder sind in der Mitte zentriert, neben dem Frontmann David Gilmour befinden sich die Tastenburg und das Schlagzeug von Nick Mason auch am vorderen Rand der Bühne.

Das soll jetzt nicht heißen, dass die Mitmusiker in den Hintergrund gedrängt wurden, sie haben alle bis auf den Saxophonisten Scott Page auch später bei "The Division Bell" und "Pulse" mitgewirkt. Damals war mit Dick Parry neben Gitarrist Tim Renwick ein weiterer gleichaltriger Mitstreiter dabei, ansonsten setzten PINK FLOYD auf erstaunlich reif aufspielende Mittzwanziger. Sie machen den Sound unglaublich voll und vielschichtig und setzen alle Töne punktgenau. Jon Carin ist ja heute noch mit Gilmour unterwegs, hier unterstützt er Wright, welcher überraschend häufig seine Orgel benutzt, um die wundervollen Flächen zu zaubern.
Ultra-Steeler-Frisur-Träger Page nimmt schon mal zwei Blasinstrumente mit auf seine Ausflüge über die Rampe im Hintergrund und gebärdet sich dabei nicht selten wie ein Rockstar. Ein wenig jugendlich überdreht wirkt auch Gary Wallis, der ständig hinter seinen riesigen Percussionkit auf und ab springt. Guy Pratt pumpt die tiefen Töne zwischen Gilmour und Wright agierend in das Klangbild und mit Rachel Fury Margret Taylor und Durga McBroom finden sich drei exzellente Backgroundstimmen, welche sich "The Great Gig In The Sky" teilen. Der Sänger und Gitarrist überlässt Renwick sogar ein paar Soli, doch bei allem Respekt, über den genialen Ton des Meisters verfügt er nicht.

Klanglich wurde das Ganze gut eingefangen, da ist jeder Ton wohldosiert. Der Remix von Gilmour mit Andy Jackson und Damon Iddins bewahrt erfreulicherweise viel von der ursprünglichen Dynamik, kann aber nicht ganz die Wärme entfachen wie die ursprünglichen Aufnahmen, glänzt aber mit einer ungeheuren Detailfülle. Überhaupt spielt die Band weit mehr als nur die Songs nach, im Gegensatz zu "Pulse" wird mehr improvisiert, vor allem in "Money", in welchem zwischendurch komplett das Tempo heraus genommen wird. Alles wird ungeheuer konzentriert rüber gebracht, die große Show liefern die Akteure nicht, jedoch ist es eine Freude ihnen zuzusehen, wie sie diese wunderbaren Töne zaubern. Wenn dann am Ende das Jahrhundertsolo von "Comfortably Numb" empor steigt, hebt die ganze Szenerie ab, Gilmour selbst schwebt völlig der Unendlichkeit entgegen.

Dabei setzen PINK FLOYD längst nicht nur auf ihre Klassiker, "Dark Side Of The Moon" wird bei weitem nicht vollständig aufgeführt. Die Ehre kommt dem damals aktuellen Werk zu, welches nach dem ewigen Opener "Shine On You Crazy Diamond" runtergebetet wird. Lediglich das eher poppige "One Slip" schafft es gar in den Zugabeteil, während das traumhaft schöne "On The Turning Away" den Block und damit die erste CD beendet. Auf der Doppel-CD gibt es viele Titel, welche bislang nicht erhältlich waren, die mehrheitlich von eben "Momentary Lapse Of Reason" stammen. Leider fällt die DVD nicht so opulent aus und verzichtet auf sieben Lieder, darunter sogar "Another Brick In The Wall, Part 2". Als Bonustrack gibt es noch die Abfolge von "Yet Another Movie" bis hin zu "A New Machine", die auf einem weiteren Konzert der Reihe im August 1988 im Nassau Coliseum gefilmt wurde.

Aufgrund des Alters muss man beim Bild ein paar Abstriche machen, was aber der Magie wenig schadet. Schwer zu sagen, ob die Lightshow so zurückhaltend war oder nur unzureichend eingefangen wurde. Gerade bei den Totalen wirkt die Bühne schwach beleuchtet, das man wenig erkennt, auch das beim Mix gut eingefangene Publikum steht öfter im Dunklen. Die legendäre kreisförmige Leinwand strahlt nur selten, und wenn werden eher Dinge überblendet. Als interessanter Kunstgriff erweist es sich, das während ein paar Intros auf der Leinwand abgespielte Video komplett auf die Mattscheibe zu bringen.
Auch in den Nahaufnahmen ist das Bild arg farbstichig, um überhaupt etwas erkennbar zu machen. Dafür erhascht man dadurch immer wieder die vielen kleinen Blicke, welche sich die Protagonisten auf der Bühne zuwerfen. Das zeigt die enge Zusammenarbeit der Formation, wie sich die zwei Generationen von Musikern ergänzen und gegenseitig inspirieren, was sich im tighten und beseelten Spiel auszahlt. Dazu lässt einem der Schnitt auch die nötige Zeit, um solchen Dingen überhaupt folgen zu können und verharrt recht lange in einer Einstellung.
Am Ende fahren die Lichttechniker dann doch alles auf und erhellen das Szenario, wobei man sich fragen muss, warum da bis zur Zugabe gewartet wurde. Beim bereits angesprochenen Signature-Solo erhebt sich analog zum Klangmeer die riesige Discokugel, um sich dann wie eine Blume strahlend zu öffnen. Da werden auch die Laser ausgepackt, die auf Teleskopen ausgefahren werden, und werfen schöne Formen oder flickern wie bei obligatorischen Finale "Run Like Hell" durch die Gegend.

Mit der DVD-Veröffentlichung von "Delicate Sound Of Thunder" haben PINK FLOYD eine Lücke in ihrer Diskografie schließen können, und so die Bilder allen Fans zugänglich gemacht. Selbiges würde man sich jetzt noch für das Venedig-Konzert von der selben Tour wünschen, denn die Vernetflixung unserer Fernsehlandschaft wird den Kulturliebhaber irgendwann noch 3Sat und Arte kosten. Natürlich gibt es Kritikpunkte, wie eben die Vollständigkeit, doch auch das Gebotene kann den Zauber der Band vermitteln, die sich in der Zeit wieder einmal neu erschaffen musste. Im direkten Vergleich wird "Pulse" natürlich immer die Nase vorne haben, schon alleine wegen der besseren technischen Möglichkeiten, doch das soll den Genuss nicht schmälern. Es bleibt ein wichtiges Zeitzeugnis aus einer Zeit, in der solche Klänge ein Nischendasein führten. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer8,0 8 / 10


Anzahl der Songs: 11 (CD1) / 12 (CD2) / 21 (DVD)
Spielzeit: 63:35 min (CD1) / 77:18 min (CD2) / 131:14 min (DVD)
Label: Warner Music
Veröffentlichungstermin: 20.11.2020

Wir benutzen Cookies
Für optimalen Benutzerservice auf dieser Webseite verwenden wir Cookies. Durch die Verwendung unserer Webseite erklären Sie sich mit der Verwendung von Cookies einverstanden