Wardruna - Kvitravn

wardruna kvitravnWARDRUNA sind eine der Bands, die mir eigentlich gefallen sollten, aber irgendwie ist der Funke bisher noch nicht so richtig übergesprungen. Auf die Dauer ist mir die Musik von Einar Selvik dann doch einfach zu ruhig. Zumindest bisher. Dabei ist „Kvitravn“ auf den ersten Blick gar nicht so weit von der „Runaljod“-Trilogie entfernt. Das macht schon das Artwork deutlich, das die gleichen Runen zeigt, die man auch schon auf den Covern der Trilogie fand. Als Hintergrund dient nun jedoch das Gefieder eines Raben. Allerdings in schwarz und nicht in weiß („Kvitravn“ bedeutet „weißer Rabe“).

Und auch „Kvitravn“ beginnt zunächst mit leisen Tönen, wird aber schon nach wenigen Takten sehr intensiv, sobald Einar Selviks Stimme einsetzt. Wie üblich kommen viele sehr alte, traditionelle Instrumente zum Einsatz, allerdings ist dieses Album deutlich rhythmischer als seine Vorgänger geraten, das macht schon der Opener „Synkverv“ deutlich. Der Titelsong „Kvitravn“ kann man sich schon seit geraumer Zeit anhören, er wurde vorab als Single veröffentlicht und steht durchaus symbolisch für das Album. Naturgeräusche, in diesem Fall natürlich Rabenkrächzen, werden perfekt in die Musik integriert und die Gesänge von Einar und Lindy-Fay Hella wirken geradezu hypnotisch und ziehen den Hörer in ihren Bann.

Auch „Skugge“ ist zunächst eher ruhig, wird dann aber sehr rhythmisch und erinnert oft an FAUN, bevor es zum Ende hin beschwörend flüsternd ausklingt. Bei „Grá“, in dem es um Wölfe geht, steht vor allem der Gesang, meist von einer Handtrommel begleitet, im Vordergrund. Gemeinsam steigern Einar und Lindy-Fay sich immer weiter, bis der Song sehr plötzlich endet. Auch dieser wurde vorab als Single veröffentlicht und ist definitiv ein Highlight des Albums.

Auch bei „Fylgjutal“ kommt mir immer wieder eines in den Sinn: FAUN. „Kvitravn“ klingt verdammt oft nach den Deutschen, was aber wohl am ehesten darin liegt, dass man die gleichen historischen Instrumente verwendet und sich der gleichen Thematik bedient sowie sich an traditioneller skandinavischer Musik orientiert. Und ich muss sagen, dass mir persönlich das gut gefällt. Waren mir die früheren Alben zu ruhig, so macht mir das doch rhythmusbasiertere „Kvitravn“ deutlich mehr Spaß.

„Hvit Hjort“ beginnt mystisch mit Bläsern und seltsamen Klängen und klingt schon nach einem weißen Hirsch, der langsam aus dem Nebel hervortritt. Hier ist es richtig gut gelungen, den Text auch musikalisch umzusetzen und damit „Hvit Hjort“ zu einem der stärksten Songs des Albums zu machen. „Viseveiding“ beginnt mit den typisch nordischen Viehlockrufen und geht dann in einen schönen Wechsel zwischen männlichem und weiblichem Gesang über, die sich gegenseitig perfekt ergänzen.

„Ni“ ist extrem leise, bereitet mit seinen sphärischen Klängen aber schon allmählich auf den Höhepunkt des Albums vor. Das führt dann „Vindavlarljod“ fort. Hier hat man ein Déjà-Vu, denn diesen Song hat man in ähnlicher Form und mit fast gleichem Text schon unter dem Namen „Vindavlar“ auf dem letzten Album „Skald“ gefunden. Allerdings gefällt mir die neue Version mit dem treibenderen Rhythmus eindeutig besser. Dadurch geht der Song einfach sofort ins Ohr und ebnet den Weg für den Höhepunkt des Albums, das über 10 Minuten lange „Andevarljod“. Der Song nimmt sich die Zeit, die er braucht und entwickelt sich langsam, Gesang wird zunächst nur als weiteres Instrument eingesetzt, bevor das Stück immer mächtiger, eindringlicher und intensiver wird. In seiner Erhabenheit erinnert der Song fast schon an Kirchengesänge, die weiblichen Chöre sind betörend wie die Sirenen. Und man ist regelrecht enttäuscht, wenn der Song, und damit auch das Album, zu Ende ist.

Zwar hat mir auch „Runaljod – Ragnarök“ gut gefallen („Skald“ ist irgendwie an mir vorbeigegangen, das muss ich mal noch nachholen), war mir aber insgesamt zu ruhig und nichts zum nebenbei hören. Insgesamt konnte mich das Album damals nicht überzeugen. Aber bei „Kvitravn“ hat es schon beim ersten Hören gezündet und ich könnte das Album einfach in Dauerschleife hören. Das mag daran liegen, dass ich immer wieder an FAUN erinnert werde, viel wahrscheinlicher liegt es aber an den wunderschönen, oft hypnotischen Melodien, den treibenden Rhythmen und den Texten, die ich überraschend gut verstehe und die in ihrer ursprünglichen Sprache nochmal eine ganz andere Wirkung entfalten als in der englischen Übersetzung. „Kvitravn“ ist ganz große Klasse, und es gibt an diesem Album nicht wirklich etwas auszusetzen. „Kvitravn“ berührt den Hörer auf eine Art und Weise, die man kaum beschreiben kann. Und genau das kennzeichnet gute Musik. (Anne)

Bewertung:

Anne9,0 9 / 10

Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 65:45 min
Label: Sony Music / Columbia
Veröffentlichungstermin: 22.01.2021

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