Thundermother (06.08.2021, Zweibrücken)

thundermother tourplakatEigentlich mag ich Corona-Gewinner nicht. Es sei denn, wenn sich ihr Erfolg darauf beruft, dass sie den widrigen Bedingungen getrotzt haben. Und das haben die Schwedinnen wie keine anderen, sie haben alle Chancen, alle Möglichkeiten genutzt, um ihr Leben trotz aller Beschränkungen möglichst normal durchzuziehen. Sie waren einige der wenigen, die im letzten Spätsommer und Herbst getourt, dabei kannte ihre Fantasie keine Grenzen. Wenn es sein musste wurde auf dem Truck, mit dem THUNDERMOTHER unterwegs waren gezockt. Nach Abbruch der Tour wurden die weiteren Termine immer weiter verschoben, Absage war keine Option. Kaum war wieder etwas möglich lief das Geschäft ab Ende Juni weiter. An dem Abend durfte unter Auflagen gespielt werden, vom lange geplanten Saarbrücken ging es nach Zweibrücken, wo 150 mit 3G-Nachweis rein durften, wobei der im März begonnene Herbst das Geschehen ins Innere verlagerte.

Etwas unsicher war man sich dann doch, was einen erwarten würde, Stehtische zerrten das Publikum etwas auseinander, aber klar definierte Regeln gab es nicht, aber ich denke irgendwann muss man auch mal wieder Normalität zulassen. Da man keine Vorband auftreiben konnte, fiel der Startschuss erst um 21 Uhr. Eine gewisse Spannung lag in der Luft, die Mitglieder kamen nacheinander auf die Bühne, Emlee Johansson schlug den Takt ein, dann stiegen die Kolleginnen ein. Die waren alle sofort auf Betriebstemperatur, das Adrenalin ihrer Mucke pumpte sofort durch die Adern.

Auf den Brettern war mächtig Bewegung, wer in der aktuellen Lage nicht still stehen will, tut das erst recht nicht, wenn man von der Kette gelassen wird. Bandchefin Filippa Nässil hätte die Hütte im Alleingang rocken können, das Haupthaar flog, die Gibson Expander SG wurde in alle Posen geworfen, und wenn das nicht reichte stieg sie auf einen der Riser am Bühnenrand, wo sie über dem Publikum thronte.
Aushilfsbassistin Demona stand dem in Nichts nach und bangte synchron mit ihrer Sechssaiterin. Man sah nicht, dass sie erst seit kurzem dabei ist, die junge Frau legte sich mächtig ins Zeug. Ganz in schwarz mit pechschwarzem Haar, sogar ihr Mund war schwarz geschminkt. Doch eine düstere Erscheinung ist sie sicher nicht, das Lächeln hatte sie ständig auf den Lippen, während sie ihren Fender Bass traktierte.

Da hatte es Frontfrau Guenica Mancini schwer sich zu behaupten, der Platz an der Rampe war teilweise versperrt, aber sie wusste sich auch anderswo in Szene zu setzen. Ihren gesanglichen Beitrag unterlegte sie mit vielen Gesten, suchte den Kontakt zum Publikum und pushte dieses immer wieder. Ihre Stimmbänder hatten so richtig den Dreck der Straße aufgesogen, herrlich rau schrie sie die Vocals heraus. Dahinter drohte die Taktgeberin die beiden Pfosten, die ihr Kit umschlossen, fast zu zerbersten, mit so viel Druck drosch sie darauf ein. Keine große Konfiguration, sehr niedrig gehalten, aber mit viel Groove gespielt, und wehe sie brach dann aus.

Mit der Power ging es die ganze Zeit durch, immer direkt und ohne Schnörkel, simpel und effektiv. Klanglich war das nicht optimal aufbereitet, unmittelbar vor der PA war das relativ unausgewogen, aber der Druck kam durch, das war das Wichtigste. Das Braten der Gitarre, das Wummern des Bass und die kraftvollen Schläge auf Toms und Becken, der Rest war rotziger Rock´n´Roll. Und wenn die Stimme drin unterging, wie schön wenn die Bande zusammen hielt und mit Gangshouts für noch mehr Power sorgten.

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Mit dem Drive ging es die gesamten eineinhalb Stunden vorwärts, Verschnaufpausen gönnten THUNDERMOTHER weder sich noch dem Publikum. Da war keine Zeit für Balladen wie “Sleep“, es wurde konsequent krachen gelassen. Den ruhigsten Moment brachte noch „Mexico“ mit seinem schönen Bluesgefühl. Passend dazu setzte sich Nässil ein Blueskäppi auf, welches sich allerdings auch spätestens beim Solo wieder verabschiedete.
Bei einem anderen Solo wagte sie einen Spaziergang durch das Publikum, bei welchem die Bandchefin auch mal vor der jüngsten Zuschauerin im Knien spielte. Zweimal baute sie Versatzstücke aus Rockklassikern in ihren Solobeitrag ein, die natürlich alle bejubelt wurden. So sehr das für zusätzliche Stimmung sorgt, mittlerweile sollte die Truppe selbstbewusst genug sein, um komplett auf eigenes Material zu vertrauen. Schließlich scheint man ja darauf zu vertrauen, wenn die Hälfte vom aktuellen Album kommt.

Das Publikum tat sich doch lautstarken Bekundungen anfangs ein wenig schwer, viele schienen noch im Lockdown eingerostet, auch wenn es zwischen den Stehtischen enger wurde. Dazu kam dass zu Beginn viele Fotografen die vordere Reihe belagerten, das länger als nur drei Lieder, sogar der Mitarbeiter der Rheinpfalz. Offenbar schien das erste Konzert eines Originalkünstlers in Zweibrücken seit langer Zeit eine Sensation zu sein, die es festzuhalten galt.
Nachdem diese sich verzogen hatten konnten die langen Matten endlich den Schulterschluss üben und Arm in Arm ihre Heldinnen abfeiern. Immer näher rückte das Geschehen zusammen, die Reaktionen wurden euphorischer. Filippa und Demonica posten immer wieder gemeinsam ganz vorne an der Rampe, so dass die Frontreihe aufpassen musste, bei Headbangen nicht mit den Instrumenten zu kollidieren.
Da war es endlich wieder, dieses Clubfeeling, wenn Musiker und Band auf Tuchfühlung gehen, wenn sich die Distanz in der Intimität auflöst, wenn das ganze Geschehen eins miteinander wird. Sowohl auf als vor der Bühne stachelte man sich gegenseitig zu noch mehr Energie an, die Freude daran war in jeder Mimik abzulesen. Das ist es, worum es geht, was allen Beteiligten so viel Kraft verleiht, das gemeinsame Erleben der Musik und der Emotionen dahinter.

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Nicht verwunderlich, dass die Zugaberufe massiv ausfielen, die Entzugserscheinungen machten sich bemerkbar. Auch bei den vier Protagonistinnen, die schon hinter der Bühne wieder loslegten, bevor sie zurückkamen. Noch einmal alles mobilisieren, den Frust der letzten Monate abschütteln und die Damen abfeiern. Am Ende spürte man wieder diese glückliche Erschöpftheit, schön wenn man so einen ausgefüllten Tourkalender hat und das allabendlich erleben kann. Möge es bitte so weitergehen, es ist möglich. (Pfälzer)

Setlist THUNDERMOTHER:
Whatever
Dog Of Hell
Into The Mud
It´s Just A Tease
Back In ´76
Hellevator
The Road Is Ours
Loud And Alive
Mexico
Heat Wave
Deal With The Devil
Rock´n´Roll Heaven
Shoot To Kill
--------------------------
Revival
Driving In Style
Give Me Some Lights
Fight For Rock´n´Roll

 

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