SwedenRock-Festival (06.-09.06.2018, Sölvesborg (S)) - Fazit

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Fazit:
Es ist etwas unfair bei solch einer gelungenen Veranstaltung mit dem Negativen zu beginnen, doch eine wichtige Änderung muss ich einfach monieren. Der neue Sicherheitszaun der Hauptbühne ist eigentlich sehr publikumsfeindlich, einfach ein zu großes, unförmiges Monstrum. Da war man froh, dass der das Publikum spaltende Steg endlich weg war, nun führt eine Gasse durch die Menge bis zum Mischerturm, der einfach nur Platz weg nimmt, Platz für zahlende Besucher, die gerne näher am Geschehen wären.
Zudem ist die Distanz zwischen Absperrung und Bühne ebenfalls größer geworden. Dabei weiß ich nicht, ob das überhaupt etwas gebracht hat, denn in den voran gegangenen Jahren war das Gedränge ganz vorne stets im Rahmen. Ich habe eher das Gegenteil beobachtet, dass sich bei den Headlinern die Menge eher in die Bereiche innerhalb der neuen Absperrung quetschte, während man früher stets einen Höflichkeitsabstand halten konnte, dort wo heute dieses Konstrukt steht.

Natürlich wurde das alles im Vorfeld als wichtig für unsere Sicherheit deklariert, doch es war wohl auch so, dass die Idee dazu von außen herein getragen wurde- Da bleibt die Frage, um wessen Sicherheit es sich handelt nicht aus, heutzutage ist das mehr eine Absicherung der Versicherungen nicht bezahlen zu müssen.
Doch dazu sind sie meiner Ansicht nach eben verpflichtet, wenn etwas passieren sollte, dafür erheben sie auch horrende Beiträge. Ich beobachte es immer mehr, dass Veranstalter sich die Sicherheitsauflagen nicht mehr leisten können, Auflagen, die vor allem dazu dienen, bei Nichteinhaltung die Haftung zu verweigern.
Wer nun weiß wie eng die Versicherungen mit den Erfindern von Sicherheitssystemen zusammen arbeiten, merkt schnell, dass aus der wichtigen Sicherheit längst ein Geschäft wurde, dass die Reichen weiter füttert und den Bedürftigen Hilfe verweigert. Deswegen will ich hier einfach mal einen Denkanstoß liefern, denn irgendwann könnte der wichtige Livesektor deswegen zusammen brechen, das sollte jeder Musikbegeisterte bedenken.

Das war aber wirklich der einzige ernsthafte Kritikpunkt, der mir aufgefallen wäre, denn ansonsten war beim SwedenRock wie gewohnt alles auf höchstem Niveau. Alleine die immer besser werdende Infrastruktur, welche die höhere Zuschauerzahl in diesem Jahr locker auffing. Sowohl im Gelände als auch auf den Campingplätzen waren die Wege immer sehr kurz, die Aufteilung ist sehr gut gewählt, so dass sich auch der Sound nie überschnitt. Zudem hält sich seit dem Ausbau der E 22 am Gelände vorbei auch der Verkehr in Grenzen, man merkt, dass ständig viel am eigenen Gelände verbessert wird.
Die Campingareale sind seit jeher in Wohnwagen oder Bikerplätze unterteilt, so dass alles noch kompakter wird. Viele waren, wie auch die Redaktion, in den Häusern und Wochenenddomizilen am Strand untergebracht. Darüber hinaus stehen dort ausreichend Duschen und Toiletten zur Verfügung, wobei mittlerweile sämtliche Anlagen Spültoiletten sind. Im Gelände selbst kommt es kaum zu Wartezeiten, auch wenn man wieder ein paar Toilettenbatterien auf der gegenüberliegenden Seite der Sweden - und Rockstage einrichten könnte, um die Lauferei zu den zentralen Toiletten zu entzerren.

Eine alte Weisheit besagt, dass das was raus muss auch erst wieder rein muss und dafür gab es reichlich Gelegenheit auf und rund ums Gelände. Der neue Biersponsor lieferte gleich eine ganze Palette internationaler Biere, wobei die Pilstrinker mit dem tschechischen Staropramen ebenfalls auf ihre Kosten kamen. Ansonsten reichte die Palette von obskuren Mixgetränken über eine enorme Auswahl antialkoholischer Getränke. Und wer einfach nur Wasser gegen das warme Klima trinken wollte, der bediente sich gratis an einem der Spender.
Noch reichhaltiger sah es beim kulinarischen Angebot aus, das sich rund um den Globus erstreckte. Klar waren die in Schweden sehr populären Burger in der Überzahl, aber es gab mehr Fleischsorten auf dem Burger als auf manchen Festivals Essensstände. Ob Döner, Langos, diverse asiatische Nationalküchen, Tortillas, Pizza & Pasta, nichts was es nicht geben würde. Ganz besonders ist noch der deutsche Markus zu erwähnen, der den Schweden unsere Leibspeise Currywurst schmackhaft machte. Er könnte ihnen auch mal erklären, dass Fruchtsaftschorle echt gesund ist und tatsächlich schmeckt.
Die klassischen schwedischen Speisen wie Kroppkakor, Raggmunk med fläsk oder Älgwok med lingondressing durften natürlich nicht fehlen und zeigten eine weitere Facette dieses Landes. Was die Schweden allerdings auf Donuts, Berliner oder einfaches Eis an Verzierungen draufzauberten ist schon beachtenswert, da lachte das Herz aller Schleckermäuler. Lediglich die belgischen Waffen wurden halbwegs in Basisausführung serviert. Vielleicht könnte man noch das Angebot an frischem Obst erweitern, nur sporadisch gab es ein paar Erdbeeren zu kaufen.

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Das ganz große Plus des Festivals ist aber immer noch die Art, wie die Konzerte dargeboten wurden. Ganz großartig war natürlich erneut die Bandauswahl, welche ihresgleichen sucht und alle Spielarten von ruhigem Bluesrock bis hin zum derbsten Extrem Metal, vom Drei-Akkorde-Punk bis zum abgefahrensten Prog gleichberechtigt abdeckte. Mit Ausnahme der Tagesopener auf der 4 Sounds Stage durfte sich jeder über mindestens eine Stunde Spielzeit freuen, was den Fans auch die Möglichkeit gab ihre Lieblinge über eine einen gebührenden Zeitraum abzufeiern.
Dies habe ich in der Art bisher nur hier erlebt, so dass die Acts ein ganz anderes Programm fahren können, teilweise spielen sie ein komplettes Konzertset. Durch die sich dadurch ergebenden langen Umbauphasen auf den wechselnden Bühnen können auch viele ihre gesamte Produktion auffahren, was da teilweise bei den Nachtspecials geboten wurde, war ganz großes Kino. Zudem war der Sound fast überall sehr gut, die Leute hinterm Mischpult machten einen tollen Job, so dass der Musikgenuss auf bestem Niveau erlebt werden konnte.

Dies ist ebenfalls ein Grund dafür, dass sich die Leute auf dem SwedenRock so wohl fühlen und die Stimmung stets super entspannt ist. Die Schweden verstehen es sicher zu feiern, ohne dabei zu aufdringlich zu werden, der Respekt ist sehr groß, die gemeinsame Freude am Bühnengeschehen steht im Vordergrund. Selbst die schrägen Verkleidungen sind eher subtil, wie beispielsweise die Typen in Anzügen im Fernsehtestbildmuster. Im Gegensatz zu anderen Open Airs ist auch die Zahl der aufgetakelten Glamrocker mit Kajal und bunten Bändern erfreulich hoch.
Da spielt es keine Rolle, ob man es sich irgendwo hinten gemütlich macht und beim Bühnenwechsel seinen Stuhl herum dreht oder von einer Frontreihe zur nächsten pendelt. Zwar halten sich die Publikumsbewegungen auch dort in Grenzen, dafür erweisen sich die Zuschauer dort als begeisterte Sänger. Wie bei kaum einem anderen Event lag der typische friedliche Festivalcharakter in der Luft. Der schwappte sogar herüber an den Strand, an dem viele Fans zusammen kamen und das erste Bierchen des Tages öffneten. Da die Temperaturen so hoch waren, trieb es viele ins Wasser, wo der Spaß sicher nicht zu kurz kam.

Ein Garant hierfür sind wie immer meine Freunde, die stets zuletzt genannt werden, da man sich das Beste zum Schluss aufhebt. Gemeint ist die Security, die nicht wie so oft dazu da ist, die Leute zu belehren, sondern den zahlenden Zuschauern stets hilfreich zu Seite tritt. Sie gehören mit zu dem ganzen Festival dazu, anstatt hier nur ihren Dienst zu schieben und sie verstehen sich als Teil des Ganzen. Das bezieht sich nicht nur auf das Anreichen von Trinkwasser für die vorderen Reihen, was gerade bei der Witterung notwendig war, aber diese nette Geste zeugt von dem Verständnis ihrer Arbeit.
Natürlich müssen auch Leute zurecht gewiesen werden, so bekommen diejenigen, die bei anderen auf den Schultern sitzen, sofort das Signal, doch bitte wieder runterzusteigen. Doch die Jungs und Mädels sind stets freundlich und bestimmt und achten darauf, dass keiner seinen Spaß verdorben bekommt, sofern er es nicht zum Leidwesen anderer übertreibt. Gerade für solche Situationen und andere Konflikte haben sie ein gutes Auge und das richtige Händchen diese zu lösen. Da wird weniger auf Standardbenimmregeln gesetzt, sondern viel mehr auch genau die Reaktionen beobachtet.

Im Prinzip sieht es diese Security gerne, wenn die Zuschauer mit Freude mitgehen, dann wissen sie, dass die Stimmung friedlich ist. Ihre zurückhaltende Art trägt natürlich auch dazu bei, aber auch das Verständnis für die Fans, denn viele hören selbst gerne die Bands, die auf dem SwedenRock spielen. Das macht das Einfühlen in das Treiben vor der Bühne viel leichter, man kennt das oft aus eigener Erfahrung. Nicht selten sieht man einige von ihnen, wie sie gerade mit einem Ohr zuhören, während sie alles im Blick haben, selbst beim gelegentlichen Mitsingen ertappt man sie. Überhaupt ist viel erlaubt, wo sonst darf man seinen Campingstuhl mit ins Gelände nehmen.

Aber die Jungs und Mädels verstehen ihr Handwerk trotz der lockeren Herangehensweise sehr gut. Viele Menschen denken, dass eine gewisse Entspanntheit Einbußen bei der Aufmerksamkeit mit sich bringt, doch hier bekommt man das Gegenteil bewiesen, denn wer Spaß an der Arbeit hat, der arbeitet besser. Zu oft hat man Sicherheitsleute gesehen, die nichts mitbekommen, weil sie zu sehr mit grimmig dreinschauen und pseudoautoritär wirken beschäftigt sind. Wenn sie gefragt sind, dann sind sie da, das hat streckenweise militärische Präzision, wie auch die Personalwechsel.
Als während URIAH HEEP eine Person umkippte, hatten Ordnungskräfte und Security innerhalb von Sekunden den Bereich um diese herum gesichert, ohne dass es zu Unruhen im Publikum kam. So konnten die Sanitäter direkt zur Hilfe eilen, da ein Korridor zur Absperrung geschaffen wurde. Als die Person geborgen war, strömte die Menge wieder auf ihre Plätze, während Frontmann Bernie Shaw sich zurecht bedankte. Für keinen Job waren sie sich zu schade, Festival Stage-Chef Todd trug Zakk Wylde das Kabel und Mike Matijevic den Stuhl durch den Graben hinterher, wenn es denn sein musste.

Somit war dieses Open Air bis auf die eingangs erwähnte Umbauaktion wieder ein voller Erfolg. Die zahlenden Besucher standen im Vordergrund und es wurde alles getan, diese zu verwöhnen. Trotz der Größe bleibt ein gewisses familiäres Flair immer noch vorhanden, auch weil das Gelände so weitläufig ist. Dazu kommt das internationale Flair, ich habe selbst Menschen mit einer Fahne von Venezuela gesehen. Man merkt allen Beteiligten die Begeisterung an, auch die Presseleute wurden von einem ganzen Team unterstützt. Dazu arbeitet das Team im Hintergrund weiter an Verbesserungen, um den Standard auszubauen, somit ist und bleibt das SwedenRock für mich nach wie vor das Maß aller Dinge. (Pfälzer)

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Alle Photos, sofern nicht anders vermerkt, von Anna Karlsson

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