Eisregen - Flötenfreunde

eisregen floetenfreundeEISREGEN waren ja schon immer bekannt dafür, daß sie mit ihren morbiden Kompositionen polarisierten. Ich habe ihre ersten Scheiben geliebt, sowohl die Musik, die zwar einerseits hart, andererseits aber voller schöner Melodien war, als auch die Texte, die herrlich krank waren. Nachhaltig verstört hat mich die Band jedoch 2005 mit ihrer fürchterlichen Elektrohexe. Danach war irgendwie die Luft raus. „Blutbahnen“ hab' ich mir noch angehört, konnte damit aber nicht viel anfangen. Und auch live ging es immer mehr bergab. Habe ich früher kein Konzert der Band in der Umgebung verpaßt, habe ich sie nun seit einigen Jahren gar nicht mehr gesehen.

Zu schlecht waren gegen Ende die Liveperformances. Das lag nicht nur an der Band, aber man hatte doch auffällig oft mit technischen Problemen zu kämpfen, dazu kamen natürlich viele neue Songs, die mir nicht gefielen oder die ich nicht kannte und insgesamt wirkte die Band nicht mehr so wie früher. Einfach enttäuschend. Daher habe ich für mich beschlossen, das Kapitel „EISREGEN und ich“ einfach ruhen zu lassen. Warum ich mir dann trotzdem „Flötenfreunde“ antue? Keine Ahnung. Irgendwie fand ich den Titel – verführerisch. Oder so ähnlich. Irgendeine Erklärung muß es ja geben.

Und beim ersten Hören hat mich die EP doch sehr an das „Hexenhaus“ erinnert. Verstörend-lächerlich-bescheuert. Doch man soll mit seinem Urteil ja nicht immer so vorschnell sein. Also schauen wir uns das neuese Machwerk der Band einmal genauer an. Wenn ich „Rotes Meer“ in Verbindung mit EISREGEN höre, denke ich zunächst einmal an Sex mit Frauen, die grade ihre Tage haben. Doch weit gefehlt. In dem Song geht es um Schiffbrüchige, die nach und nach von Seeungeheuern, vermutlich Haien, verspeist werden. Etwas ungewöhnlich ist für mich die verwendete Sprache. Nicht morbid-komisch, wie es früher üblich war, sondern eigentlich erstaunlich realistisch. Es könnte sogar ein Song über die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer sein; zutrauen würde ich das den Thüringern, denn sozialkritisch waren sie ja schon immer, auch wenn das viele nicht verstanden haben.

In der Tat leicht verstörend ist der Mehr-oder-weniger-Titelsong „Tausendschweiner“, der eine Weiterentwicklung des Flötenliedes ist, das an mir als EISREGEN-Verweigerer der letzten Jahre komplett vorbeigegangen ist. Der Text schwankt irgendwo zwischen genial und dumm, und man fragt sich, ob das nun eher ein Protestsong gegen allerlei Mittelaltergesindel auf Festivals ist oder ob der Künstler hier die musikalische Verarbeitung seines im frühkindlichen Blockflötenunterrichts erlittenen Traumas der musikalischen Früherziehung zu verarbeiten versucht. Das wirklich in den Ohren schmerzende Geflöte und das dumme Stöhngebrülle machen für mich aus dem Song jedoch einen Skipkanditaten, auch wenn man dem Stück eine gewisse humoristische Note nicht absprechen kann. Aber hier siegt Ohr über Hirn.

„Blut saufen“ beginnt mit einem davonbrausenden Motorrad und mit für EISREGEN gänzlich ungewohnten Power Metal-Klängen, die später in Techno-Rythmen mit Sprechgesang übergehen. Bei den ersten Hördurchgängen ein echt bescheuerter Song. Aber eigentlich ist der Text wirklich lustig und nimmt den 08/15-Klischee-Metal mit Zombies, Blut und all dem anderen Käse mal so richtig schön auf die Schippe. Und ein wenig selbstironisch ist er natürlich auch. Das ist jetzt auch kein Song, den man ständig hören könnte, aber zumindest wenn man mal wieder mit zuviel FREEDOM CALL oder GAMMA RAY gequält wurde kann man das hier sehr nett zum Abreagieren hören und sich endlich einmal verstanden fühlen.

Und dann, dann gibt es auch noch was für alte Fans: „Mordlust“ ist eine schöne neue Interpretation des Bandklassikers „Herzblut“ mit neuem Text und alter Melodie in besserer Qualität. Ach EISREGEN, würdet ihr doch wieder solche Songs schreiben... Ich glaube, ich sollte doch mal ins neue Album reinhören. Vielleicht wird es ja wieder was mit uns beiden?

Als Abschluß gibt es noch die Demo-Version von „Tot/Untot“ vom letzten Album „Todestage“, die mich auch wieder daran zweifeln läßt, ob es die richtige Entscheidung war, die letzten Jahre auf EISREGEN zu verzichten. Nunja, Fehler lassen sich ja oft wiedergutmachen. Allerdings – ehrlich gesagt gefällt mir diese Demo-Version besser, als die Albumversion, die Youtube so hergibt. Sie ist einfach roher und ungeschliffener, so wie ich EISREGEN mag. Außerdem sind auf der Scheibe wohl auch noch zwei Videoclips zu den Songs „Lang Lebe Die Nadel“ und „Mutter, Der Mann Mit Dem Koks Ist Da“ enthalten, die mir jedoch leider nicht vorliegen, so daß ich hierzu nichts sagen kann.

Absolutes Highlight ist jedoch die Covergestaltung. War man von den Thüringern bisher eher morbide Kunstwerke mit viel Blut und ähnlich leckeren Dingen gewohnt, so kommt „Flötenfreunde“ als Rattenfänger von Hameln im fröhlichen Scherenschnittdesign, das man sich auch gut als Fensterbild in einem Kinderzimmer vorstellen könnte (Ey, EISREGEN, könnt ihr das als Merch anbieten? Zum selber ausschneiden ist das echt arg kompliziert und knifflig...). Noch dazu wird es das Digi-Pak mit Prägedruck und – Achtung! - Glow-in-the-dark-Effekt geben. Das ist so panne und banane, daß es schon wieder cool ist. Das MUSS ich haben! (Anne)


Bewertung: 7,5 / 10

Anzahl der Songs: 5
Spielzeit: 21:10 min
Label: Massacre Records
Veröffentlichungstermin: 25.04.2014

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