Yes - Fly From Here

yes_flyfromhereLange hat es gedauert bis bei dem letzten der britischen Progressive-Urgesteine, das künstlerisch noch relevant ist, wieder neues Material unters Volk kommt. Dabei sah es 2001 nach der Veröffentlichung des letzten Albums „Magnification" noch rosig für YES aus, die Band hatte damals eine sehr produktive Phase. 2004 feierte man auch noch die Rückkehr von Rick Wakeman mit einer ausgiebigen Tour. Doch anstatt danach ins Studio zu gehen ging erst mal nichts mehr und die Truppe zerstreute sich in alle Winde.
Für Wakeman kam irgendwann dessen Sohn Oliver und als man sich zu einer Jubiläumstour aufraffte erkrankte Vokalist Jon Anderson. Um diese Pläne nicht zu gefährden entschied man sich ihn bei den Konzerten durch den Kanadier Benoit David zu ersetzen. Aus dieser Aushilfe scheint es ist ein festes Engagement geworden, denn der etatmäßige Frontmann ist wohl nicht mehr in der Lage bei der Formation mitzuwirken. Klar sehen das viele alte Fans als Respektlosigkeit, doch was will man machen, wenn man nach vorne schauen und „Fly From Here" auf den Weg bringen will?

 

Doch nicht nur da drehte sich das Personalkarussell munter weiter, was ja bei ihnen nichts Neues ist. Nachdem auch Wakeman Jr. seinen Platz hinter den Tasten räumte, übernahm mit Geoff Downes ein alter Bekannter. Der war vor dreißig Jahren an Bord und wurde in Zwischenzeit mit ASIA selbst weltbekannt. Ein weiterer Veteran aus dieser Zeit saß hier an den Reglern, die Achtziger-Produzenten-Legende Trevor Horn, der 1980 auf „Drama" auch den Gesang übernahm. Bei der aktuellen Scheibe kommt der natürlich vom neuen Mann, ansonsten ist die gleiche Mannschaft wieder zusammen, die einen der unterbewertesten Scheiben der Yes-Historie einspielte.
Was man „Fly Form Here" durchaus anhört, doch das kommt nicht von ungefähr. Die Single „I-We Can Fly" so was wie das Herzstück des Longplayers ist eine alte BUGGLES-Nummer, welche für ein weiteres YES-Album vorgesehen war. Doch es kam anders und nun wurde um den Song die „Overture" mit einberechnet eine sechsteilige Suite gestrickt. Man tut auch gut daran den Stadionrock-Sound, den Horn der Band später verpasste nicht zu wiederholen. Das würde heute nicht mehr funktionieren zumal der damalige Gitarrist Trevor Rabin einen völlig anderen Stil als Steve Howe besitzt.

 

Komponiert wurde das Titelstück zu weiten Teilen von Downes und Horn, Howe durfte mit „IV-Bumpy Ride" ein Instrumental beisteuern. Ähnlich wie „Drama" geht man etwas gesetzter zu Werke, von einer Kopie ist man aber weit entfernt, sondern schlägt klar ein neues Kapitel in der Historie auf. Das liegt vor allem an dem deutlichen Artrock-Einfluss, der vor allem in „II-Sad Night On The Airfield" zum Tragen kommt. Schwebende Akustikgitarren, Synthesizerflächen und ein floydeskes Solo bringen viel Atmosphäre ins Spiel. Wer YES-typisches Gefrickel sucht wird höchstens bei „III-Madman At The Screens„ fündig. In der Vinylversion nimmt „Fly Form Here" die erste Seite ein, auf Seite B folgen fünf einzelne Titel, schön dass es das wieder gibt.

Bei denen dürfen sich auch andere Mitglieder als Songwriter betätigen, allen voran Chris Squire und Howe. Einige recht poppige Momente muss der Fan hier in Kauf nehmen, wobei „The Man You Always Wanted Me To Be" phasenweise zu aufgesetzt wirkt. Dagegen weiß das spärlich arrangierte „Hour Of Need" mit seiner schönen Melodie zu überzeugen.
Am besten werden die Anhänger von den länger geratenen Stücken bedient, wobei auch „Life On A Filmset" gen Artrock schielt. Darüber hinaus glänzt das Lied auch mit für die Formation typischen Harmonien, bei denen Squires Bass gewohnt präsent ist. Mit Soloparts hält man sich weniger auf, vom Songaufbau lehnt man sich da bei Werken wie zuletzt „The Ladder" an.
Zum Abschluss kommt man bei „Into The Storm" noch mal richtig auf die Kosten. In der ausladensten Nummer präsentiert der Saitenvirtuose sein von spanischer Klassik geprägtes Spiel im Songkontext. So konzertant wünscht man sich YES auf „Fly From Here" öfter, das weckt Assoziationen an die frühen Siebziger als das hoch innovativ war.

Und Benoit David? Ja, der verfügt über eine sehr ähnliche Stimmlage wie der Meister und ist mit dem Habitus des Fünfers wohl vertraut. Kein Wunder studierte er mit seiner Coverband doch jede Note der Briten. Doch an das Charisma, die Ausstrahlung und die Phrasierungsintensität eines Jon Anderson reicht er nicht heran. Das wäre zuviel verlangt ein Genie und Visionär wie er ist nicht vollkommen zu ersetzen. Ein würdiger Ersatz, um den Geist weiterzuführen ist er allemal.
Nahtlos fügt er sich in die guten aber nicht überragenden Leistungen seiner Mitmusiker. Diese agieren geschmackvoll, wissen mit all ihrer Erfahrung was ein Song braucht. Dazu zaubert Horn einen warmen und transparenten Sound auf den Rundling. Die Meister ihres Fachs wissen was sie machen, an dem manchmal zu biederen Songmaterial holen sie immer noch das Optimum heraus, weil sie ihre Fähigkeiten in die Waagschale werfen. Mit der Klasse dieses Alterswerkes war nicht unbedingt zu rechnen (Pfälzer)

Bewertung: 8 / 10

Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 47:34 min
Label: Frontiers Records
Veröffentlichungstermin: 01.07.2011

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