Angel Witch - Angel Of Light

angelwitch angeloflightIn den Wirren der frühen NWOBHM ging so manche Band unter, die viel mehr Aufmerksamkeit verdient gehabt hätte. Geschuldet war das den seinerzeit noch chaotischen Businessbedingungen, die nicht genug Nährboden für eine der ersten großen Szeneexplosionen der Rockgeschichte lieferte. Das selbstbetitelte Debüt beeinflusst bis heute noch Bands aller harten Genres, der Titelsong wurde zu einem Szenehit. Es sollte allerdings fünf Jahre und zwei Wiedervereinigungen dauern bis ein Zweitling nachgeschoben werden sollte. Da die Mittachtzigerscheiben zu kommerziell ausfielen, war es endgültig um ANGEL WITCH geschehen, die Livereunion zu Beginn des Jahrtausends hatte mit der originalen Besetzung wenig zu tun. Seit elf Jahren hat nun wieder Kevin Heybourne die Regie und endlich ein stabiles Line-Up im Rücken, welches 2012 das nicht mehr für möglich gehaltene "As Above, So Below" einzimmerte. Nun bringen die Vier mit "Angel Of Light" ein neues Werk in Stellung, welches schon vom Cover her den alten Spirit beschwört.

Heybourne wäre auch schlecht beraten, wenn er auch nur einen Deut von dem abweichen würde, was seine Formation ausmacht und die Fans auch hören wollen. Schließlich musste er lange genug kämpfen, um die Lorbeeren für sein Lebenswerk zu ernten und die volle Kontrolle zu haben. Gerade in Zeiten wie diesen mit all den klinischen ProTools-Produktionen will der Mann einen Gegenpol dazu bilden. Bei dem Erfolg neuer oder reformierter Bands mit ähnlich kauzigem Erscheinungsbild sicherlich nicht die schlechteste Herangehensweise, da sich die Band so von der Masse absetzt.

In der Tat spinnen ANGEL WITCH eben jenen Faden weiter, den sie beim Vorgänger nach so langer Zeit wieder aufgenomen haben, die neue Scheibe fällt sogar etwas direkter aus. Schon die schnelle Leads des Openers "Don´t Turn Your Back" schießen schön nach vorne und bringen die Nackenmuskeln auf Betriebstemperatur. Diese duellieren sich in der Folge mit schwerem Riffing, um sich in der Strophe irgendwo dazwischen einzupendeln, bevor uns der Refrain ein paar eingängige Melodien liefert. Noch melodiöser fällt "Condemned" aus, das doomig beginnt jedoch schnell in rockige Fahrwasser gerät. Solche Songs hat die Truppe immer wieder komponiert, auf "As Above, So Below" ist da "Witching Hour" zu nennen.

Noch melodischer fällt die tolle Halbballade "The Night Is Calling" aus, die selig an "Free Man" denken lässt. Die Riffs, auch im schnelleren Mittelteil atmen immer doomige Schwere, was eine interessante Note beifügt. Da kommen dem Hörer unweigerlich CANDLEMASS in den Sinn, und das nicht von ungefähr. Allerdings hat man sich keineswegs bei den Schweden bedient, denn die Nummer wurde von Demos aus der Zeit nach dem Erstling entstaubt. Diese Kultperle wurde nicht umsonst einst von Leif Edling mit dessen erster Band NEMESIS gecovert. Die Inspiration für einen der Gründerväter der Doom-Bewegung sind da schon deutlich zu erkennen und bis heute hörbar.

Doomig geht es auf "Angel Of Light" öfter zu, vor allem in "I Am Infamy" mit seinen schleppenden Staccato und dem klagenden Chorus. Und der Titeltrack am Ende bringt den rauen Achtziger-Doom in seiner ganzen epischen Farbenpracht. Schwer mahlt auch die Coda von "We Are Damned", während der eigentliche Song vom treibenden Refrain lebt, der auch aufzeigt, warum die Truppe sogar für den Thrash stilbildend war. Zu erwähnen ist auch noch die atmosphärische Leadarbeit, die zusätzliche Facetten offenbart.
Jene erwähnte Thrash-Urfom kann man auch bei "Window Of Despair" mit seinen breiten Riffs ablesen. In dem Stück huschen öfter interessante Riffstrukturen aus der UFO/SCORPIONS-Schule vorbei, speziell aus den eher kauzigen Siebzigern. Die Soli lassen dazu die Handschrift der Schenker-Brüder erkennen, nicht nur in dem Song. Von vielen Leadfills lebt ebenso "Death From Andromeda", dass die mystische, psychedelische Stimmung, für welche die Band bekannt ist am stärksten herauf beschwört.

So sehr das alles stilistisch in die Kerbe schlägt wohin es soll und songwriterisch potent ist, so muss man genau da auch ein paar Abstriche machen. Zu arg besinnt man sich auf die Aufbruchszeit zurück und vergisst da die technischen Ansprüche der heutigen Zeit. Aus psychedelisch wabernd wird eben schnell schwammig und undifferenziert, weder Klang noch Spiel vermögen auf den Punkt zu kommen. Heybourne verfügt zwar über ein charakteristisches Timbre, doch der große Sänger war er noch nie, ein anderer hätte den Melodiebogen mehr geben können. Sicher besitzt so ein archaisches Stück Musik durchaus seinen Reiz, doch ein wenig hätte man bei der Produktion an den Stellschrauben drehen können. Die Anhänger indes werden bewusst das Unperfekte lobpreisen, es sei ihnen gegönnt. (Pfälzer)

 

Bewertung:

Pfaelzer7,0 7 / 10


Anzahl der Songs:  8
Spielzeit: 47:58 min
Label: Metal Blade
Veröffentlichungstermin: 01.11.2019

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