The Tangent - Proxy

thetangent proxy

War man anfangs noch als Supergroup unterwegs, so blieb der stetige Wechsel die einzige Konstante. Mittlerweile hat Andy Tillison PARALLEL OR 90 DEGREES wohl gänzlich auf Eis gelegt, dazu überschneidet sich das Line-Up mit dem von KARAMKANIC, weswegen THE TANGENT auch bevorzugt mit ihnen touren. Die letzte Konzertreise nutzten sie auch um besser gemeinsam an neuen Songs zu arbeiten, immerhin blieb man im Kern seit ein paar Jahren zusammen. Nur die Drumsticks hat Tillison wieder aus der Hand gelegt und an den früheren MAGENTA-Schlagzeuger Steve Roberts übergeben. Beim Gesang bekommt er auf „Proxy“ auch Unterstützung von Göran Edman, wobei die weiblichen Vocals mit Eve Marie de Gaultier wieder verschwunden sind.

So einige Experimente, denen man auf „The Slow Rust Of Forgotten Machinery“ noch frönte gehören hier ebenfalls der Vergangenheit an, wie vor allem die Hinzunahme eines DJs. Überhaupt scheint man sich deutlich auf die Anfänge der Band zu besinnen, was man ja schon auf „A Spark In The Aether“ tat. Doch das ist auch nur die halbe Wahrheit, denn irgendwie scheint das Album wie eine gute alte LP zwei Seiten zu haben, die unterschiedliche Gesichter zeigen. Was vom Vorgänger blieb, ist die starke politische Komponente, die laut dem Bandchef nicht im Widerspruch zum Prog steht. Sozialkritisch war er schon immer, doch seit ein paar Jahren legt er den Finger noch tiefer in die Wunde.

So scheinbar unpassend dazu beginnt auch der eröffnende Titelsong mit sanften Orgelklängen und lässigen Strophe, die sofort an den Melodienreichtum der Frühphase denken lässt. Interessant kommt die leicht psychedelische Atmosphäre daher, die durch das Saxophon von Theo Travis mitgestaltet wird. Der Mann packt in dem Song so ziemlich alles an Blasinstrumenten aus, was die Schatzkammer hergibt, so taucht neben der Trompete auch noch eine Mundharmonika auf. Jonas Reingold ist mit seinem Bass ebenso über die komplette Albumdistanz präsent, kein Werk der international besetzen Formation wurde zuvor so von den vier Saiten geprägt.

Wobei allerdings beim Opener vor allem das Riff, welches Orgel und Gitarre gleichberechtigt übernehmen, am stärksten im Gedächtnis hängen bleibt. Dazwischen geht die Reise durch das Dynamikwunderland auch mal in jazzige Gefilde um sich dann in ein Synthesizersolo zu steigern. Die Musiker kehren aber immer wieder zum Ausgangspunkt zurück und laufen auf der nächsten Runde andere Stationen zwischen den Bass – und Bläsermotiven an.
So vielschichtig gibt sich auch das folgende Instrumental „The Melting Andalusian Skies“, das mit sehr schönen Jazz-Pianoparts zu überzeugen weiß. Neben der Flöte bringen noch Flamenco-Anklänge zusätzliche Klangfarben mit hinein, welche die Nummer mit einem „Ole“ beschließen. Saxophon und die Gitarre streben hier aus dem jazzigen Ambiente in eine bluesige Richtung. Luke Machin darf über diese Themen schön solieren, während ein Psychedelic-Part noch mehr Druck heraus nimmt.
Auf „Down And Out In London And Paris“ vernahm der geneigte Hörer auch ein paar soulige Einschübe, die finden sich schon in den ersten beiden Tracks hier wieder, doch in „A Case Of Misplaced Optimism“ treten sich noch stärker hervor. Bereits die melancholischen Leads zu Beginn legen die Fährte, bevor man im den Rhythmus etwas psychedelisch anlegt. Eine jazzige Orgel und immer wieder das Saxophon treffen im weiteren Verlauf eine fast hippieske Attitüde, was angenehm nach späten Sechzigern duftet.

All jene Elemente tauchen auch in „The Adulthood Lie“ auf, doch nun werden THE TANGENT wieder bissiger wie auf dem letzten Album. Dabei gelingt es die vielen unterschiedlichen Passagen mit Hilfe einer fast schon Drum´n´Bass-artigen Rhythmik zusammen zu halten. Im Prinzip ist das nicht viel anders als auf der ersten Hälfte von „Proxy“, doch irgendwie wird die bisherige Entspannung durch ein subtiles Flirren abgelöst.
Machin darf ebenso aufbegehren, haut ein paar heftigere Riffs heraus oder lässt seine Saiten laut fiepen, wie auch Tillison die Synthesizer. In seinen jazzigen Licks nimmt er sich zurück, was der schwelgerische Chorus ebenso tut. Doch dann kommen Discoparts, welche die gesetzte Stimmung erst einmal wieder zerschneiden, hier geht es auf und ab, um das Ende doch locker ausklingen zu lassen.

Diese Lockerheit übernimmt das abschließende „Supper´s Off“, dass plötzlich los rocken will, und ein wenig die Punkvergangenheit Tillisons offenbart. Doch Synths und der stets präsente Bass legen die Riffs etwas an die Kette und geben ihnen eine gewisse Monotonie, wozu der Frontmann fast Scat-artig agiert. Im zurückhaltenden Chorus bremst die Orgel dann noch mehr und schwenkt zum Beginn der Platte über. Im ewigen Kreislauf geht es jedoch über eine Achtziger-GENESIS-Verbeugung zurück ins Anfangstempo. Es ist die Vielschichtigkeit, welche diese Band schon immer so interessant machte, mit ihrem zehnten Werk gelingt die Mischung aus Canterbury-Anleihen, Prog und modernen Ausflügen etwas besser als zuletzt, auch wenn ihre Großtaten nicht ganz angetastet werden. (Pfälzer) 


Bewertung:

Pfaelzer7,5 7,5 / 10


Anzahl der Songs: 5
Spielzeit: 57:09 min
Label: Napalm Records
Veröffentlichungstermin: 16.11.2018

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