Uriah Heep + Nazareth (04.05.2012, Zweibrücken)

Rocklegends_webIm Gleichschritt scheinen diese beiden Legenden zu marschieren, auch wenn sie gerne das Gegenteil behaupten. Nicht nur, dass ihre letzten Alben fast immer zeitgleich auf den Markt kamen, sogar die zehnjährige Albumpause war bei beiden identisch. Und auch auf Tour sind beide immer wieder gerne gemeinsam zu Gast, wie schon bei einigen Auftritten im letzten Jahr. Leider nicht in Saarbrücken, wo man URIAH HEEP alleine bewundern konnte. Insgesamt war es ohnehin das Jahr der Briten, tolles neues Album, starke Live-Scheibe und ebensolche Konzerte.
Nun hat man wieder eine komplette Tour zusammen auf die Beine gestellt, welche jeden erdenklichen Winkel der Republik beackern sollte. Darunter verstehe ich zum Beispiel das im äußersten Rand der Westpfalz gelegene Zweibrücken, das auch gerne mal ins Saarland verortet wird. Obwohl ich aus der Gegend stamme, waren dort bislang nur Underground-Konzerte interessant für mich. Umso größer die allgemeine Überraschung, als zwei solche klassischen Hardrock-Haudegen dort aufspielen sollten. Die Schwierigkeit bestand schon darin, von allen Hallen, an denen man dort jemals vorbei kam, die richtige zu besuchen.

NAZARETH
Da wären wir nämlich um ein Haar in der Festhalle gelandet, in der sonst Konzerte statt finden. Die Westpfalzhalle liegt zwar sehr zentral, aber unschick hinter einer Schule versteckt. Auch die Aufteilung im Inneren mit den engen Treppen zu der Tribüne und ebensolchen Eingängen war ein wenig gewöhnungsbedürftig. Das Auditorium selbst war, obwohl zu einem Drittel verkleinert immer noch viel breiter als lang, vor allem der Stehplatzbereich muss einem von der Bühne aus wie eine Reihe vorgekommen sein. Klassische Sporthalle eben, mal sehen was da die Zukunft bringt.

Bringen taten die Protagonisten des Abends eher in der Vergangenheit einiges, obwohl sich beide durch konstante neue Alben von den Nostalgieacts abheben. Beim Blick auf das Publikum hätte man das fast annehmen können, denn der Altersdurchschnitt war doch recht hoch. Aber schön zu sehen wie sich immer wieder sehr junge Fans aus dem Metallager stilecht mit Kutte für die Ursprünge ihrer Musik begeistern können. Punkt 20 Uhr ging das Licht aus und das klassische Dudelsack-Intro begleitete die Schotten auf dem Weg zur Bühne. Da präsentierten NAZARETH erst ein mal einen Song aus dem "Rampant"-Album, den wenige auf der Rechnung hatten und der dann auf sehr verhaltenes Interesse stieß.

Auch als der nächste Klassiker angestimmt wurde, ging nicht mehr im Publikum, vor allem weil der überwiegende Teil mit längeren Soloteilen nicht mehr viel anfangen kann. Man will einfach die Lieder hören und in alten Zeiten schwelgen. Überhaupt kam zum ersten Mal so etwas wie Stimmung auf, als einer ihrer legendären Balladen zum Besten gegeben wurde. Da musste man sich schon fragen, ob das an dem Tag nicht in einen Freitag-Abend-Tee ausarten sollte. Selbst beim Versuch der Interaktion mit dem Publikum kam nur wenig zurück. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, ganz offensichtliche Knaller wie "Holiday" oder "Heart´s Grown Cold" zuhause zu lassen und weniger bekannten Tracks den Vorzug zu lassen. Dafür wurde oft auf Material von "Hair Of The Dog" zurück gegriffen, was bei den mehr mit der Materie vertrauten Anwesenden, mich eingeschlossen für Jubel sorgte.

Leider muss man auch sagen, dass die Performance, welche die Herren auf die Bretter legten, nicht wirklich mitreißen konnte. Vor allem Dan McCafferty wirkte angeschlagen und sein ohnehin vom Whiskey raues Organ kratzte noch mehr. Auch in Sachen Bewegungsfreude kamen von ihm und dem anderen Gründungsmitglied Pete Agnew am Bass doch sehr wenig. Sie wirkten sehr statisch in ihrem Stageacting auch für Mittsechziger. Dabei waren beide gut aufgelegt und hatten immer ein Grinsen auf den Lippen. Und auch der mal charmante, mal etwas derbe Humor des Frontmannes verfehlte seine Wirkung nicht.
Doch auch die jüngeren in der Besetzung konnten keine Akzente setzen, wobei dies Lee Agnew hinterm Drumkit auch schwer fallen dürfte. Den richtigen Kick konnte er seinen Vorderleuten an den Kesseln aber ebenso nicht verpassen. Jimmy Murrison war manchmal etwas zu sehr in sein Spiel vertieft, wusste aber mit einigen tollen Einlagen zu gefallen. Da hier der Fokus ein Stück weit auf ihm lag wäre ein wenig mehr Kontakt zum Publikum nicht schlecht gewesen, um dieses etwas mit zuziehen.

Dass auch noch der Sound nicht der beste war, dafür konnte die Band weniger, aber damit konnten sie dann eben auch nicht punkten. Man hätte fast vermuten können, dass die PA doch etwas zu unterdimensioniert war, für die niedrige Lautstärke schon reichlich übersteuert. So verpufften auch einige Mitsingspielchen recht schnell und es sollte bis zum Ende des regulären Sets dauern, ehe die Menge aufwachte. Der Titeltrack eben jenes bereits genannten Referenzwerkes ließ dann wenigstens bei der jungen Garde ein paar Haare fliegen. Der Mittelteil in dem McCafferty sein traditionelles Dudelsacksolo präsentierte gab einen zusätzlichen Schub. Dann war nach knapp einer Stunde erstmal Schicht, was schon enttäuschend anmutete.
Dafür konnten drei Zugaben dann doch etwas entschädigen und versöhnten die Zuschauer ein wenig. Auch hier verzichtete man nicht auf selten gespieltes, doch die klassischen Rausschmeißer konnten noch mal einige Reaktionen mobilisieren. Dennoch müssen sich die beiden Führungsfiguren fragen, wie lange sie das noch machen wollen oder können. Ich habe NAZARETH vor ein paar Jahren mehrmals gesehen und da zeigte sich eine komplett andere Band. Einen schlechten Tag kann man mal verzeihen, aber ich befürchte, hier geht man allmählich der Rockerrente entgegen.

Setlist NAZARETH:
Silver Dollar Forger
Telegram
This Month´s Messiah
Dream On
Turn On Your Receiver
This Flight Tonight
Whiskey Drinkin´ Woman
Changing Times
Hair Of The Dog
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Night Woman
Razamanaz
Love Hurts

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URIAH HEEP
Die Vorzeichen standen nicht sonderlich gut, dass die Engländer an den Gig vom Vorjahr anknüpfen können, denn auch die Rahmenbedingungen schienen nicht optimal. Doch plötzlich war das alles wie weg gewischt wie das restliche Tageslicht in den hohen Fenstern. Die Menge war da, der Sound laut und differenziert und der Fünfer auf den ersten Blick gut aufgelegt. Was war geschehen? Keine Ahnung!
Dabei machten es sich URIAH HEEP ebenso nicht leicht und eröffneten mit dem Opener ihres genialen 1995-Spätwerkes "Sea Of Light". Toller Song, aber eben nicht der bekannteste. Den Leuten war es egal, sie feierten ihre Helden nun ab, der Pegel ging viel weiter nach oben, auch von den sogenannten "Sitzplatzschweinen" kam einiges. In der Tat war die Hälfte dazu verdammt das Konzert auf den eigenen vier Buchstaben zu genießen. Nun sind ja URIAH HEEP nicht viel jünger als ihre Kollegen, aber sie strahlen eine ganz andere Power aus, eine Kraft, die ich selbst bei etlichen jungen Kapellen so nicht verspüre.

Es kann nicht sein, dass es nur an der Rekrutierung von Gilbrook vor fünf Jahren gelegen hat, aber dessen muskulöse Oberarme treiben die Nummern mächtig voran. Egal in welchem Bereich, gegenüber NAZARETH legen sie immer zwei, drei Schippen drauf. Auch ihre beiden letzten Studiodreher sind "The Newz" und "Big Dogz" klar überlegen. Ich habe beide Bands schon 1998 zusammen in Saarbrücken gesehen und da war der Unterschied nicht so gewaltig. Und das obwohl die Auftritte der Schotten-Rocker in der letzten Dekade allesamt stärker waren. Nein, hier musizieren ein paar betagte Herren, die ihren was weiß ich wievielten Frühling erleben. Und sie erledigen nicht nur einen guten Job, nein, den Spaß in den Backen, den sie dabei haben sieht man ihnen an. Und der geht auch auf ihr Publikum über, nur wer selbst motiviert ist, kann andere begeistern.

Da wären vor allem das Bandurgestein Mick Box an den sechs Saiten, der gut gelaunt sein Instrument bearbeitet. Bei seinen Soloeinlagen malt er die Motive, die seine Gitarre zaubert mit seiner Gestik nach. Er ergänzt sich perfekt mit dem zweiten Mann im Hintergrund, Keyboarder Phil Lanzon. Dieser thront erhaben auf seinem Riser und gestikuliert auch gerne zu den Melodien. Zusammen bringen sie diesen originären Sound aus Orgel und elektrischer Gitarre so genial rüber wie allenfalls noch DEEP PURPLE. Auf diesen Harmonien sind noch heute all ihre Kompositionen aufgebaut und der nun klar bessere Klang brachte die gut zur Geltung.
Doch nichts im Vergleich zu Frontmann Bernie Shaw, der das ganze Set lang über die Bretter tobt. Er ist längst Gesicht und Stimme dieser Formation geworden und ein Performer par excellence. Stimmlich trotz aller Anstrengungen immer auf der Höhe ist es vor allem sein Charisma, das ansteckt. Er sucht den ganz direkten Kontakt zu den Zuschauern, flirtet gerne mit ihnen. Dazu ist er genau der Märchenerzähler, der URIAH HEEP vorstehen muss. Er beherrscht, die ganz großen, die theatralischen Gesten, welche diese Songs brauchen.

Auch bei der Auswahl der Lieder gingen die Herren nicht den einfachsten Weg. Dabei ist es immer schwierig, wenn man Songs vom Schlage eines "Stealin´" oder "Look At Yourself" weglässt, denn viele, die noch nicht so viele Konzerte der Truppe gesehen haben wünschen sich diese. Aber den vielen treuen Fans durstet es nach den Griffen in die Mottenkiste. Wurde "Wake The Sleeper" eine ganze Zeit lang komplett aufgeführt, so gab es bei der Tour zum Jubiläumsalbum einige Überraschungen, bevor bei ein paar Konzerten "Demons & Wizards" in vollem Umfang dargeboten wurde. Vor einem Jahr galt es "Into The Wild" zu promoten, davon schafften es nun drei Songs ins Programm.
Aber wer hat schon jemals etwas anderes vom Debüt gehört als die unverzichtbare Hymne? Der von vielen Künstlern schon gespielte Antikriegsfolksong hat bis heute nichts von seiner Intensität eingebüßt. Auch von "Demons & Wizards" gab es ein paar nicht so oft im Programm befindliche Lieder und als ein Song aus den Achtzigern angekündigt wurde, war bei mir schon die Vorfreude groß. Als dann über die schlechten Kritiken zum Cover von "Abominog" gescherzt wurde, knabberte der Verfasser dieser Zeilen schon eifrig seine Nägel. Und es half, der Eröffnungstrack dieser Scheibe ist immer noch eine geile Abgehnummer.

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Wie machen die das nur, wie werden diese fünf Leute da oben wie guter Wein mit dem Alter immer besser? Die Spielfreude, die sie an den Tag legen ist phänomenal. Dementsprechend wurden sie auch bis in die oberen Ränge abgefeiert und der Chor beim obligatorischen Schlusspunkt stand fest hinter der Band. Bei der Zugabe wurden dann wie schon beim letzten Konzert ein paar Fans auf die Bühne zum gepflegten Abschädeln gebeten. Eine tolle Geste, welche die Publikumsnähe unterstreicht, wenn das überhaupt noch bewiesen werden muss.
Wer soviel Energie an den Tag legt hat eigentlich so Späße wie bei der Zugabe noch nicht mal nötig. Doch heutzutage ist der Live-Markt umkämpft und die Haupteinnahmequelle der Musiker. Da muss man sich immer etwas einfallen lassen, um die Leute öfter zu Konzerten zu locken und nicht nur wenn sie im Paket mit anderen großen Bands direkt vor die Haustür kommen.
Schon beim Review zum letzten Live-Album habe ich die kraftvolle Performance gelobt, welche so manchem Act aus dem härteren Bereich das Wasser abgräbt und sie für ein großes Festival qualifiziert. Doch wieder sehe ich im Sommer nur die gleichen Bands auf den Billings. Dabei wäre das Interesse da, denn andere klassische Rockbands räumen dort auch oft genug ab. In der Form wären URIAH HEEP auf alle Fälle eine Bereicherung, immer noch eine der großartigsten Truppen der Erde. (Pfälzer)

Setlist URIAH HEEP:
Against The Odds
Overload
Traveller In Time
Sunrise
All My Life
I´m Ready
Between Two Worlds
Come Away Melinda
Too Scared To Run
Nail On The Head
Into The Wild
Gypsy
July Morning
Lady In Black
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Free´n´Easy
Easy Livin`


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