Die Ärzte + Muff Potter (09.06.08. Saarlandhalle, Saarbrücken)

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Es ist ungefähr 23 Uhr in der ausverkauften Saarbrücker Saarlandhalle. Einige Tausend Menschen bejubeln den 3:0 Sieg der Holländer gegen Italien. Kurz vorher gab es eine Nordic Walking-Lehrstunde und ein wenig später ältere Männer auf komischen Fahrrädern zu sehen.
Was sich wie ein buntes Sportereignis liest, war dennoch nichts anderes als ein ganz normales (?) DIE ÄRZTE-Konzert. Die beste Band der Welt aus Berlin (aaaauuusss Berlin!!) versteht es nach wie vor, ihre Fans zu unterhalten und zu überraschen. So kann man sich bei jeder Ansage und fast jedem Song eines Gags sicher sein, mal mehr, mal weniger improvisiert. Was die Bravo-Punks hier im Metal-Magazin eures Vertrauens zu suchen haben? Nun, die reichlich in Metal-Shirts gehüllten Anwesenden waren für mich die Bestätigung, dass DIE ÄRZTE auch bei vielen Kennern der härteren Gangart scheinbar einen Stein im Brett haben.
Tatkräftige Unterstützung in Dingen Rock-dir-den-Arsch-ab bekamen sie dabei von MUFF POTTER, die auch schon länger keine Unbekannten mehr im deutschsprachigen Musik-Zirkus sein sollten.
In diesem Sinne: Vorhang auf, Rock die Scheisse fett!

Und zur Überraschung aller kündigte niemand anderes als der Sexy Punk himself MUFF POTTER an! Weiterhin verfolgten Bela und Farin am linken Bühnenrand die ersten Songs ihrer ausgesuchten Vorband. Ob Rod dabei war, konnte ich von ganz hinten (ja, man wird alt, ne?) nicht erkennen.
Die Bühne war jedoch schick mit 60er/70er-Jahren-Schirm-Lampen dekoriert; da hat man wohl einigen Omma´s ihre geliebten Leuchten abschwatzen können. Und für heimelige Stimmung konnte die Band auch sorgen: Erstens mit der Note "Sehr Gut" in Sachen saarländischer Geografie (was für Käffer die namentlich kannten, Hut ab!) und einer feinen Setlist mit vielen Hits ihrer Bandgeschichte. "Die Guten", "Wunschkonzert", "Wir sitzen so vorm Molotov" und "Alles nur geklaut" (mit "El Cattivo"-Einlage) seien stellvertretend für die sehr guten 35-40 Minuten genannt.
Weitere Sympathien sammelte das Quartett durch den Verkaufsstand vor der Saarlandhalle und die Erinnerung an bessere (Club-)Zeiten in Saarbrücken mit Nennung des "Kater Karlos´", welches die meisten Anwesenden wohl nie von innen gesehen haben dürften... Also: Beide Daumen hoch für dieses gute Warm Up-Programm. Well done, ihr Potters!!

In der Umbaupause gab es ausser dem riesigen "ACHTUNG JAZZ"-Banner vor der Bühne nichts Spektakuläres (wie auch?) zu sehen. Oder doch? Wenn ich mich nicht ganz getäuscht habe, lief doch tatsächlich Manuel Andrack mit Frau durch die Halle...nicht weiter verwunderlich, ist der ehemalige Harald Schmidt-Co doch bekennender DÄ-Fan. Aber in unserem beschaulichen Saarbrücken? Wäre schön gewesen, wenn dem so gewesen wäre!

Und dann ging es auch schon mit dem gleichen Eröffnungsdoppel wie auf der "Es wird eng"-Tour im letzten Jahr mit "Himmelblau" und dem "Lied vom Scheitern" los. Dabei blieb die Bühne beim Opener bis zur Mitte des Stücks wieder erst einmal zugehängt, bis der Song Fahrt aufnimmt und mit beim Fallen des Vorhangs die komplette Halle ausrasten darf. "Hurra" komplettierte den ersten Block bevor uns der in Cop-Uniform gehüllte Bela (ist der eigentlich dicker geworden? Verschwiegen) bei der Begrüßung verhaftete und die "Regeln" des Abends klar gemacht wurden: Die BH-Sammelstelle wurde eröffnet, der "Karajan der 4 Saiten" sagte uns "E-(wie Ernste) Musik" an und diverse Publikumsreaktionen wurden einstudiert. 
Die daraufhin folgenden Stücke boten mit der B-Seite "Rettet die Wale" und "Ein Mann" relativ überraschende Tracks. Mit "Angeber", "Vokuhila Superstar" und "Anti-Zombie", welches gleichzeitig den "Rod-Block" eröffnete, offenbarte man sogar persönliche Lieblingstracks. Schön! A propos Rod-Block: Mit "Geisterhaus" und einer sehr intensiven (schnüff!) Version von "1/2 Lovesong" war dieser dieses Mal wirklich sehr gut gewählt.
Um die Fans der älteren Tage zu beschwichtigen, fehlten selbstverfreilich auch keine Songs aus der Prä-Rod-Ära. "Alleine in der Nacht", "Westerland" und "Radio brennt" ließen die Herzen der älteren Fan-Generation höher schlagen. Bei "Radio brennt" wurde im Mittelteil der "Schweden-Song" (mit Bela an Bongos als Roger Cicero) und "Madonna´s Dickdarm" (natürlich mit legendärer "Saarbrücken"-Zeile) mit verbraten - die Originalität kannte wieder keine Grenzen!
Als absoluter Burner stellte sich der Tanzflächenfüller "Lasse redn" heraus, bei dem in der ausverkauften Saarlandhalle keiner die Füsse still halten konnte. Da konnte selbst der Funk-Nerver "Deine Freundin (wäre mir zu anstrengend)" nicht mithalten. Der Running Gag bei diesem Song scheint zu sein, daß das Auditorium irgendwas schwachsinniges, aber grooviges rufen soll. In Saarbrücken traf es uns mit "Tschakka-Uh!", ein eher mässiger Gag. Bei dem ganzen Blödsinn rundherum verzeiht man aber auch die Rohrkrepierer, keine Frage! Auch die "Scheiss Tribüne"-Rufer in den ersten Reihen bekamen zurecht ihre Abfuhr, da auf den voll besetzten Sitzplätzen genauso Stimmung gemacht wurde wie im Pit.
Und auch ansonsten folgte Hit auf Hit: "Der Graf", "Ignorama", "Studentenmädchen" (!!), "Wie es geht" und "Rebell", welches den ersten Teil des Gigs nach knapp 100 Minuten beendete, machten den Abend zu einem sehr kurzweiligen Vergnügen. Andere Headliner spielen heutzutage fast nur noch halb so lange.
Und dann kamen ja erst die Zugaben! Diese hatten es wie immer in sich: "Das ist Rock´n´Roll" zum Beispiel hätte ich mir nie erträumt, einmal live zu hören! Wie geil war das denn! "Junge" ließ sogar eine üble "Wall of Death" entbrennen, in der sich so manches Kiddie mehr als blaue Flecken geholt haben wird. Der "Schunder-Song", "Ist das alles" und "Unrockbar" machten den 2. Zugaben-Block zur nächsten Hit-Parade. Bei Letzterem wurde sich in der Halle komplett hingesetzt/gekniet, um dann kollektiv beim Refrain beim Ausruf "Unrockbar!" aufzuspringen. Ein krasses Schauspiel.
Die Holland-Huldigung habe ich bereits im Vorwort angesprochen: Ich glaube, so viele Deutsche werden nie mehr unseren niederländischen Nachbarn in Sachen Fussball zujubeln. Aber insgesamt kamen die Italiener nicht besonders gut weg; Bela schien stets die aktuellen Zwischenstände zu wissen und baute den ein oder anderen Scherz über den Weltmeister in die Songs mit ein.
Dann durfte Rod noch einmal solo mit "Dinge von denen" beginnen und wurde bald von zwei älteren Herren auf obskuren Zweirädern und seltsamen Helmen begleitet. Zur Selbsthuldigung "Wir sind die Besten" konnte noch einmal das Tanzbein geschwungen werden, bevor mit den Evergreens "Schrei nach Liebe" und "Zu spät" ein glänzender Abschluss gefunden wurde.
Der Schreiberling durfte sich dann noch als Retter in der Not beweisen, als er einem zusammenklappenden Mädel den schnellsten Weg (schleppenderweise) aus der Halle zeigen konnte - unglücklicherweise riss bei dieser Heldentat die Hose - naja, 10% Verlust sind halt immer...
Als die meisten schon die Saarlandhalle am verlassen waren, kamen die Drei doch noch einmal auf die Bühne, um "Vorbei ist vorbei" zu spielen, welches aber ab der Mitte in ein Playback überfadet wurde und nun endgültig Ende war.

Leute, was für ein Erlebnis am Montag Abend! Das war bisher die beste Tracklist, die ich auf einem DÄ-Konzi bewundern durfte. Wieder einmal beinahe 3 Stunden Rock´n´Roll-Unterhaltung pur. Die super Stimmung in der Saarlandhalle tat ihr übriges dazu, dagegen war Trier im letzten Jahr ne Leichenhalle!
Ich freu mich jedenfalls schon auf das Open Air in Losheim...

(Brix)


Komplette Setlist:

01. Himmelblau
02. Lied vom Scheitern
03. Hurra
04. Angeber
05. Heulen
06. Geh mit mir
07. Rettet die Wale
08. Ein Mann
09. Vokuhila Superstar
10. Dein Schuld
11. Anti-Zombie
12. Geisterhaus
13. 1/2 Lovesong
14. Radio brennt (inkl. Schweden & Madonna´s Dickdarm)
15. Lasse redn
16. Der Graf
17. Nichts in der Welt
18. Alleine in der Nacht
19. Deine Freundin (wäre mir zu anstrengend)
20. Studentenmädchen
21. Westerland
22. Ignorama
23. Wie es geht
24. Rebell

1. Zugabe:
25. Das ist Rock'n'Roll
26. Perfekt
27. Junge

2. Zugabe:
28. Schunder-Song
29. Ist das alles?
30. Unrockbar

3. Zugabe:
31. Dingen von denen
32. Wir sind die Besten
33. Schrei nach Liebe
34. Zu Spät

4. Zugabe:
35. Vorbei ist vorbei (halb Playback)

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